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Kritik an Bundesregierung | Kubicki: "Das größte außenpolitische Desaster"


Massive Kritik an Bundesregierung
Kubicki: "Das größte außenpolitische Desaster"

Von afp, dpa, t-online
Aktualisiert am 18.08.2021Lesedauer: 4 Min.
Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) und Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU): Die beiden Politiker stehen in der Kritik.Vergrößern des Bildes
Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) und Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU): Die beiden Politiker stehen in der Kritik. (Quelle: Thomas Imo/imago-images-bilder)
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Während die Bundesregierung Deutsche und Ortskräfte aus Afghanistan evakuiert, sieht sie sich in Deutschland massiver Kritik ausgesetzt. Teile der Opposition fordern die Regierung zum Rücktritt auf.

Die scharfe Kritik an der Bundesregierung wegen der späten und holprigen Evakuierung aus Afghanistan reißt nicht ab. Angesichts des Chaos bei der Rettung Deutscher sowie einheimischer Ortskräfte aus Afghanistan hat Grünen-Chef Robert Habeck eine lückenlose Aufklärung gemachter Fehler verlangt. "Die Aussagen der Bundesregierung, niemand habe vor der Situation gewarnt, wecken ernsthafte Zweifel", sagte Habeck der "Rheinischen Post" vom Mittwoch. Die Verantwortung trügen neben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auch Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) und die Ministerien für Auswärtiges und Verteidigung.

Den Rücktritt gleich der gesamten Bundesregierung forderte der Linken-Politiker Gregor Gysi. "Das Ganze ist desaströs", sagte er dem MDR. Man hätte bereits im April "das Botschaftspersonal und auch die Helfer der Bundeswehr zurückholen können".

"Wir haben es mit einem kollektiven Versagen zu tun", sagte der Grünen-Außenpolitiker Jürgen Trittin vor einer Sondersitzung des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags am Mittwoch in Berlin. "Frau Merkel hat das getan, was sie am besten kann: nichts." Innenminister Horst Seehofer habe die Flüchtlingsabwehr höher gewichtet als das Leben von Menschen. "Und Heiko Maas hat dafür die Berichte geliefert, schönfärberische Berichte über die Situation in Afghanistan."

Rücktritte zumindest der verantwortlichen Ministerinnen und Minister verlangte auch FDP-Vize Wolfgang Kubicki. "Sowohl die Bundeskanzlerin, als auch Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer und vor allem Heiko Maas haben das größte außenpolitische Desaster seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland zu verantworten. Nie wurden wir schlechter regiert", sagte Kubicki der "Rheinischen Post". Rücktritte wären "ein wichtiger symbolischer Akt, um zu demonstrieren, dass man in höchsten politischen Ämtern noch Verantwortung übernimmt".

Der Grünen-Außenexperte Omid Nouripour sagte am Dienstag im Sender Radioeins, die Bundesregierung habe immer gesagt: "Wenn es hart auf hart kommt, können wir das". Jetzt aber "kommt es so, und sie können es nicht: Das ist nicht nur moralisches Versagen, das ist nicht nur ein Organisationsversagen, das ist auch ganz furchtbar für den Ruf Deutschlands in der Welt als verlässlicher Partner." Deutschland müsse seiner Verantwortung gerecht werden und "wenigstens den Leuten helfen, die in Lebensgefahr sind, weil sie uns Deutschen in Afghanistan geholfen haben", mahnte Nouripour.

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte den Sendern RTL und ntv, sie sei "total wütend, dass so viel so lange verschlafen worden ist". Es handele sich um eine "Katastrophe mit Ansage". Ähnlich hatte sich auch Parteichefin Annalena Baerbock geäußert (Mehr dazu lesen Sie hier).

"Unentschuldbares Versagen der Verteidigungsministerin und des Außenministers"

Linksfraktionschef Dietmar Bartsch hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nahegelegt, sich von Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) und Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) zu trennen. "In früheren Zeiten wurden Kabinette umgebildet und Ministerinnen und Minister bei Verfehlungen entlassen", sagte er der "Rheinischen Post". In den Zeitungen der Funke Mediengruppe nannte er es ein "unentschuldbares Versagen der Verteidigungsministerin und des Außenministers", dass die afghanischen Ortskräfte nicht schon "mit dem Abzug der Bundeswehr vor Wochen" außer Landes gebracht wurden. "Das Geschacher der letzten Wochen mit Menschen, die Deutschland gedient haben, kann für viele Ortskräfte tödlich enden."

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FDP-Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff erhob Vorwürfe konkret gegen Außenminister Heiko Maas (SPD), Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und Innenminister Horst Seehofer (CSU), die sich mit Fragen der Evakuierung befassen. Die drei Regierungsmitglieder hätten "den Ernst der Lage nicht erkannt und verpasst, rechtzeitig eine Evakuierungsstrategie auszuarbeiten", sagte Lambsdorff der "Passauer Neuen Presse" vom Dienstag. "Dieses Versagen innerhalb der Bundesregierung kann Menschenleben kosten."

Seine Partei forderte zudem eine Regierungserklärung von Kanzlerin Angela Merkel. Durch das späte Handeln der Bundesregierung könnten womöglich nicht alle vorgesehenen Personen aus dem Land evakuiert werden. "Das ist eine erschütternde Aussicht", sagt FDP-Chef Christian Lindner in Berlin. Ganz offensichtlich habe es bei der Einschätzung der Lage Versäumnisse gegeben, die nun aufgeklärt werden müssten. "Wir können nicht zur Tagesordnung übergehen."

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Auch die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl machte der Regierung schwere Vorwürfe. Diese habe "zu spät reagiert und die Situation mit einer sträflichen Leichtigkeit unterschätzt", sagte Geschäftsführer Günter Burkhardt dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Die Flüchtlingshilfsorganisation Seebrücke rief für diesen Dienstag zu Demonstrationen in mehreren deutschen Städten auf, unter anderem in Bochum, Köln und Potsdam. Für den Nachmittag wurde eine große Kundgebung in Berlin nahe des Reichstagsgebäudes angekündigt. "Wir fordern die Bundesregierung auf, umgehend so viele Menschen wie möglich aus Afghanistan zu evakuieren", erklärte Julia Solbach von Seebrücke.

Auch Vertreter kirchlicher Organisationen haben sich entsetzt über die Lage in Afghanistan gezeigt und schnelle Unterstützung für besonders gefährdete Menschen gefordert.

Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, erklärte am Dienstag: "Die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan stellt eine desaströse Niederlage der USA und der bis vor Kurzem an ihrer Seite engagierten Länder dar. Das gilt auch für Deutschland." Nun müsse "das Naheliegende getan werden, um die schlimmsten Folgen zu verhindern", forderte der Bischof. Dazu gehöre das Ausfliegen der Ortskräfte, die für die Bundeswehr oder internationale Hilfsorganisationen tätig waren. Großzügige Aufnahmeangebote sollten darüber hinaus all jenen gemacht werden, "die in besonderer Weise gefährdet sind, Opfer der Taliban zu werden".

Die Vizepräsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Karin Kortmann, forderte die Einrichtung humanitärer Korridore in Afghanistan. "Über diese Korridore muss die Versorgung der notleidenden Bevölkerung durch Hilfsorganisationen aufrechterhalten werden". Sie seien unter Umständen bald der einzige Weg, das Land auf einigermaßen sicherem Weg zu verlassen.

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Der katholische Deutsche Caritasverband forderte "unmittelbare und umfassende Maßnahmen", um eine humanitäre Katastrophe innerhalb Afghanistans und in den Erstfluchtstaaten abzuwenden. Zehntausende Menschen seien bereits auf der Flucht in Richtung der Nachbarstaaten. "Besonders bedroht von den Taliban fühlen sich Menschen, die sich in den letzten Jahren für Freiheit und Menschenrechte eingesetzt und die für deutsche Behörden oder für Hilfsorganisationen gearbeitet haben, sowie ihre Familienangehörigen", erklärte der Leiter von Caritas international, Oliver Müller. Er forderte großzügigere Aufnahmeregelungen in Deutschland, von denen etwa auch Mitarbeitende von Nichtregierungsorganisationen profitieren sollten.

Die evangelischen Hilfsorganisationen Diakonie Deutschland, Diakonie Katastrophenhilfe und Brot für die Welt plädierten gemeinsam für die unbürokratische Aufnahme besonders gefährdeter Menschen. "Was wir dringend brauchen, sind großzügige Schutzkontingente und die sofortige Evakuierung dieser besonders gefährdeten Personengruppen", erklärte die Präsidentin von Brot für die Welt und Diakonie Katastrophenhilfe, Dagmar Pruin.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur AFP
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