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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Vorfall im Flutgebiet Wegen falscher Polizeiautos: SPD will Gesetz ändern
Ein falsches Polizeiauto mit Durchsagen im Katastrophengebiet löst Ärger und Unverständnis aus. Die SPD-Innenexpertin Ute Vogt fordert Schutz der Polizeilackierung und wird aktiv.
Der Vorfall mit einem falschen Polizeifahrzeug im Hochwassergebiet im Kreis Ahrweiler beschäftigt den Innenausschuss des Bundestags. Ute Vogt, innenpolitische Sprecherin der SPD-Bundesfraktion, wird das Thema am kommenden Montag in der Sondersitzung vorbringen. Sie möchte eine Schutzregelung auch für Deutschland zügig auf den Weg bringen, sagte sie t-online.
Durch Bad Neuenahr-Ahrweiler war ein Fahrzeug mit der markanten blau-silber-gelben Folierung gefahren. Statt der Aufschrift "Polizei" stand seitlich "Friedensfahrzeug" und hinten "Peace" auf dem Fahrzeug. Von diesen Fahrzeugen gibt es eine ganze Flotte. Bei der "Querdenken"-Demo am 1. August 2020 in Berlin fuhr ein Konvoi in der Lackierung mit, auf Fahrzeugen kleben auch Codes wie BRD 08/15 oder LIE 9/11 (LÜGE 9/11).
Als "Einsatzleiter Friedensfahrzeuge" auf Demos
Der Wagen in Bad Neuenahr-Ahrweiler gehört einem Mann aus dem Kreis Starnberg, der als "Einsatzleiter Friedensfahrzeuge" auch vielfach Redner bei "Querdenken" war. Die Polizei Koblenz warf ihm zunächst vor, dass mit dem Wagen falsche Lautsprecherdurchsagen über einen Rückzug von Polizei- und Rettungskräften gemacht worden seien. Auf Twitter dementierte die Polizei die "Fake News" und sprach von "Fahrzeugen mit Lautsprechern, die polizeilichen Einsatzfahrzeugen ähneln". Allerdings erklärte ein Sprecher der Polizei später, dass sie keine eigenen HInweise auf Durchsagen mit falschem Inhalt hat.*
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Einheimische berichteten, das Fahrzeug im Chaos für echt gehalten zu haben. Der "Peace Officer" mit seinem "Friedensfahrzeug" verbreitete dagegen eine Nachricht, die von einer dankbaren Bürgerin stammen soll: Ohne die Durchsage hätte sie demnach nicht erfahren, dass es in der Schule Hilfe gäbe. Um die Falschinformation zum Rückzug von Polizei ginge es dabei nicht.
Die SPD-Abgeordnete Vogt kritisiert: "Hier werden Menschen in Notlagen ganz offensichtlich bewusst getäuscht. Wer helfen will, muss sich zu erkennen geben, wie das alle Hilfsorganisationen sehr eindeutig tun." Es sei nicht ganz nachvollziehbar, dass kein umfassender Schutz für die Optik der Polizeifahrzeuge bestehe. "Ich weiß von vielen Hilfsorganisationen, dass diese ihr Branding umfassend geschützt haben."
Strafbarkeit für große Ähnlichkeit?
Auch in Österreich ist die Farbkombination der Polizei vorbehalten, in Deutschland nicht. Vogt hält rechtliche Vorgaben für nötig, "die eindeutig festlegen, dass sich strafbar macht, wer täuschend ähnlich zur Polizei auftritt". Sie denke dabei an eine Anlehnung an die Strafbarkeit der Amtsanmaßung. Bisher gibt es erst Probleme, wenn jemand mit einem solchen Fahrzeug den Anschein erweckt, als Polizei unterwegs zu sein. Aber wann entsteht der Eindruck? Fahrzeuge wurden bisher zwar bereits oft kontrolliert, Probleme gab es aber offenbar nicht.
Im Unterschied zu offiziellen Fahrzeugen haben die falschen Polizeiautos keine reflektierende Folie. Beklebt sind die "Friedensfahrzeuge" von einem Ehepaar, das aus dem Umfeld der "Friedensmahnwachen" kommt. Die Werbetechniker Christian und Silke Volgmann stecken hinter der Idee der "Schweigemärsche" als Corona-Protest und waren etwa bei der Organisation der als Großdemo geplanten Kundgebungen "Pfingsten in Berlin" beteiligt. Silke Volgmann sagte dem Bayerischen Rundfunk (BR) im Dezember, dass sie bereits 70 Fahrzeuge entsprechend umgestylt haben.
Auch Fahrschulen und Firmen nutzen Lackierung
Auf eine Anfrage von t-online am Freitag, wie sie zu dem Vorfall in Bad Neuenahr-Ahrweiler steht, kam bisher keine Rückmeldung. Dem BR hatte sie erklärt, die "Präsenz der "Friedensfahrzeuge" [soll] einer zunehmenden Verengung der Meinungsbildung entgegenwirken und das Denken in Schubladen aufbrechen".
Eine Verschärfung der Regeln zur Optik könnte auch viele andere Halter treffen. So gibt es Bilder von einem VW in Polizeifarben, auf den ein Autonarr den Schriftzug "Passat" statt "Polizei" kleben ließ. In Hamburg schaffte 2013 eine Fahrschule an einer Adresse mit der Hausnummer 110 sogar ein Auto in Polizeioptik an, auf dem "Fahrschule" und die "110" prangten. Auch andere Unternehmen bis hin zu einer "Polsterei" und Sicherheitsdiensten nutzen die Ähnlichkeit.
Das Fahrzeug im Flutgebiet ist inzwischen nicht mehr entsprechend beklebt, sondern nur noch silbern. Der Halter berichtete in einem Video auf Telegram, es habe Drohungen gegeben, das Fahrzeug anzustecken.
*Der Artikel wurde nach der Aussage eines Polizeisprechers aktualisiert.
- Eigene Recherchen
- br.de: Falsche Streifenwagen unterwegs: Werbegag oder Irreführung?