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Corona-Maßnahmen: Bundestag beschließt Änderungen am Infektionsschutzgesetz


Bundesweite Notbremse
Bundestag beschließt Änderungen am Infektionsschutzgesetz

Von dpa
Aktualisiert am 21.04.2021Lesedauer: 5 Min.
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"Wir können das Virus nicht wegtesten": So hitzig verlief die Bundestagsdebatte zu geplanten Änderungen am Infektionsschutzgesetz. (Quelle: t-online)

Notbremse, Pandemiebekämpfung, steigende Fallzahlen: Der Bundestag hat den geplanten Änderungen am Infektionsschutzgesetz zugestimmt.

Der Bundestag hat eine bundeseinheitliche Notbremse zur Eindämmung der Corona-Pandemie beschlossen. In namentlicher Abstimmung votierten 342 Abgeordnete für das Gesetz. Es gab 250 Nein-Stimmen und 64 Enthaltungen. Zuvor hatten in zweiter Lesung die Fraktionen von Union und SPD dafür gestimmt. AfD, FDP und Linke stimmten gegen das Gesetz. Die Grünen hatten sich enthalten.

Die am Mittwoch verabschiedete Neufassung des Infektionsschutzgesetzes sieht Regeln zu Kontaktbeschränkungen, Ausgangssperren sowie der Schließung von Geschäften und Schulen vor. Bevor das Gesetz in Kraft treten kann, muss der Bundesrat dem Gesetz am Donnerstag allerdings noch zustimmen.

Gezogen werden soll die Notbremse, wenn in einem Landkreis oder einer Stadt die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen an drei Tagen hintereinander über 100 liegt.

Kernpunkte der "Notbremse" für Regionen mit hohen Infektionszahlen:

  • Ausgangsbeschränkungen: Von 22 Uhr bis 5 Uhr darf man die Wohnung oder sein Grundstück nicht verlassen – mit Ausnahmen für Notfälle, die Berufsausübung, Pflege und Betreuung, die Versorgung von Tieren oder andere gewichtige Gründe. Joggen und Spaziergänge sollen bis Mitternacht erlaubt bleiben, allerdings nur allein.
  • Private Kontakte: Es darf sich höchstens ein Haushalt mit einer weiteren Person treffen. Kinder bis 14 Jahre zählen nicht mit. Für Zusammenkünfte von Ehe- und Lebenspartnern oder zur Wahrnehmung des Sorge- und Umgangsrechts gilt die Beschränkung nicht. Zu Trauerfeiern sollen bis zu 30 Menschen zusammenkommen dürfen.
  • Läden: Fürs Einkaufen jenseits des Lebensmittel-, Drogerie-, Buch- und Blumenhandels sowie anderer Bereiche soll gelten: Geschäfte können Kunden nur einlassen, wenn sie einen negativen Corona-Test vorlegen und einen Termin gebucht haben. Steigt der Wert über 150, wäre nur noch das Abholen bestellter Waren (Click & Collect) erlaubt.
  • Schulen: Liegt die Sieben-Tage-Inzidenz drei Tage hintereinander über 165, wird ab dem übernächsten Tag der Präsenzunterricht verboten. Ausnahmen für Abschlussklassen und Förderschulen sind möglich.

Bund drückt aufs Tempo

Die neuen Regelungen könnten frühestens ab diesem Samstag greifen. Bevor das geschehen kann, müssen sie am Donnerstag den Bundesrat passieren. Zudem muss Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Gesetz unterzeichnen. Es ist offen, ob das am Donnerstag geschehen wird, weil das Gesetz – wie jedes andere auch – im Präsidialamt erst geprüft wird. Die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt könnte möglicherweise noch am selben Tag wie die Unterzeichnung erfolgen.

Es könnte also sehr schnell gehen: Als der Bundesrat im März 2020 das Gesetzespaket zu den Corona-Hilfen absegnete, unterzeichnete Steinmeier es zwei Stunden später. Noch am Abend desselben Tages wurde die Regelung im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Damit die Notbremse greift, muss die Sieben-Tage-Inzidenz an drei Tagen über 100 liegen. Diese drei Tage sollen nach dem jüngsten Entwurf nun auch schon die drei Tage unmittelbar vor Inkrafttreten des Gesetzes sein.

Schlagabtausch im Bundestag

Die geplante Corona-Notbremse mit verbindlichen Regeln für den Kampf gegen die dritte Welle der Pandemie in ganz Deutschland hatte im Bundestag zu einem heftigen Schlagabtausch geführt. Die Opposition kritisierte am Mittwoch vor der entscheidenden Abstimmung im Plenum unter anderem erhebliche Grundrechtseinschränkungen. Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) verteidigte die Neuregelungen, die zu mehr Verständlichkeit und größerer Unterstützung bei den Bürgern beitragen sollten. Mit den Änderungen des Infektionsschutzgesetzes soll sich an diesem Donnerstag auch noch der Bundesrat befassen.

Scholz sagte: "Was wir brauchen, ist Klarheit und Konsequenz." Es solle festgelegt werden, dass bei Überschreiten hoher Infektionswerte etwas getan werden müsse, und zwar "überall in Deutschland und immer und in jedem Fall". Es gehe nicht um einen Dauerzustand, sondern darum, die Pandemie zu überwinden. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) warb für Zustimmung zu den Plänen, die der Reduzierung von Kontakten dienen sollen: "Die Lage ist ernst, sehr ernst." Er sagte: "Wenn wir Leid vermeiden können, sollten wir es vermeiden." 5.000 Menschen lägen derzeit mit Covid-19 auf Intensivstationen: "Tendenz weiter steigend, bei sinkendem Alter der Patienten." Zwei Drittel aller Ausbrüche fänden derzeit im privaten Bereich statt.

Gegenwind aus Opposition

Linke-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali sagte: "Ja, es geht um Leben und Tod." Das Pandemiegeschehen müsse dringend eingedämmt werden. Die Bundesregierung versuche aber, Grundrechte "praktisch im Vorbeigehen" einzuschränken und ihre Befugnisse auszuweiten. Unverhältnismäßig sei, dass ab einem Inzidenzwert von 100 Ausgangssperren kommen sollten, Kinder aber bis zu einem Wert von 165 zur Schule gehen. "Woher haben Sie eigentlich diese Zahlen? Würfeln Sie die aus?"

Die FDP will gegen das Infektionsschutzgesetz Verfassungsbeschwerde einzulegen. Diese seien "keine geeigneten Maßnahmen", sagte Gesundheitsexpertin Christine Aschenberg-Dugnus im Bundestag. "Sie schränken nur in unzulässiger Weise die Grundrechte ein und treiben die Menschen in den privaten Bereich." Die Alternativen zur "Bundes-Notbremse" seien gesteigertes Impfen und Testen sowie eine bessere Aufklärung über Kontaktvermeidung.

AfD-Fraktionschef Alexander Gauland sprach von einem "Angriff auf die Freiheitsrechte, den Föderalismus wie den gesunden Menschenverstand". Die Regierung habe in der Impfstoffbeschaffung versagt und versuche nun, die Opposition durch moralischen Druck zur Zustimmung zu bewegen. Kritiker würden nicht ernst genommen. "Sie können nicht das halbe Volk zu Querulanten machen", sagte er mit Verweis auf Menschen, die am Mittwoch in Berlin gegen die Corona-Politik demonstrierten.

Grüne enthalten sich

Die Grünen forderten dagegen schärfere Regeln gegen die dritte Corona-Welle als nun geplant. "Insgesamt reichen diese Maßnahmen nicht aus, um tatsächlich eine Trendumkehr hinzubekommen", sagte Gesundheitsexpertin Maria Klein-Schmeink. Sie warf Union und SPD vor: "Sie handeln zu spät, zu unwirksam." Die Grünen wollten sich bei der Abstimmung über den Entwurf enthalten.

Infektionsschutzgesetz: Beim Infektionsschutzgesetz handelt es sich um ein sogenanntes Einspruchsgesetz. Nachdem der Bundestag die Änderung verabschiedet hat, muss der Bundesrat nicht ausdrücklich zustimmen. Die Länder haben hier lediglich die Möglichkeit, Einspruch einzulegen. Geschieht dies, wird das Gesetz an den Bundestag zurückverwiesen. Stimmt der Bundesrat mit einer absoluten Mehrheit, also mit mindestens der Hälfte der Mitglieder, für den Einspruch, kann der Bundestag die Länder mit einer absoluten Mehrheit überstimmen. Findet sich im Bundesrat eine Zwei-Drittel-Mehrheit für den Einspruch, muss auch der Bundestag mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit für das Gesetz stimmen, damit es trotzdem in Kraft tritt.

Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus warb eindringlich um Zustimmung: "Dieses Gesetz ist ein Gesetz fürs Leben." Der CDU-Politiker räumte ein, dass die Einschränkungen etwa vielen Händlern schwer zu schaffen machen. Wenn ihn die Krise um den Schlaf bringe, denke er aber vor allem an Menschen, die krank geworden seien. "Und ich denke an die Menschen, die sterben." Er hätte ein härteres und schärferes Gesetz bevorzugt, aber nun sei es wichtig, den Kompromiss zu verabschieden.

Kritik aus der Wirtschaft

Die Wirtschaft kritisiert das Gesetz. "Die Corona-Notbremse geht in wesentlichen Bereichen am Ziel vorbei", sagte der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland (HDE), Stefan Genth, am Mittwoch. "Eine Schließung der Geschäfte bringt uns im Kampf gegen die Pandemie nicht weiter, damit bleibt es weiterhin bei Symbolpolitik."

Auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) kritisiert die beschlossene Bundes-Notbremse als "unzulänglich". Eine Verständigung auf bundesweit einheitliche Kriterien sei zwar richtig - aber es bleibe problematisch, dass einzig die Inzidenz im betreffenden Landkreis entscheidend sei, erklärt Verbands-Präsident Hans Peter Wollseifer.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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