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Corona-Beschlüsse — Kritik von Opposition: "Im Lockdown eingemauert"


"Gedanklich im Lockdown eingemauert"
Corona-Beschlüsse: Kritik von Opposition und Bildungsverbänden

Von afp, dpa, aj

Aktualisiert am 11.02.2021Lesedauer: 4 Min.
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Grenzen ihrer Macht: Angela Merkel muss eingestehen, dass sie sich bei Schulöffnungen gegen die Wünsche der Ministerpräsidenten nicht durchsetzen konnte (ab 0:21). (Quelle: reuters)

Deutschland bleibt weiter im Lockdown. Das haben Kanzlerin Merkel und die Länderchefs beschlossen. Die Opposition kritisiert mangelnde Perspektiven. Auch das Thema Schulöffnungen sorgt weiter für Ärger.

Die Opposition im Bundestag hat die jüngsten Bund-Länder-Beschlüsse zur Corona-Politik scharf kritisiert. Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch warf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Gespräch mit den Zeitungen der Funke Mediengruppe vor, sich "gedanklich im Lockdown eingemauert" zu haben. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt forderte ein einheitliches Vorgehen bei der Öffnung von Schulen und Kitas. Wirtschaftsvertreter und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) vermissten indes Planungssicherheit.

"Das Kanzleramt war aufgefordert, den Menschen nach Wochen im Lockdown eine klare Perspektive zu bieten, einen Stufenplan zurück in den Alltag vorzulegen", sagte Linken-Fraktionschef Bartsch. Stattdessen stünden Merkel und Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) unbeweglich auf der Bremse.

Auf dem Corona-Gipfel war am Mittwoch vereinbart worden, dass der Lockdown bis zum 7. März verlängert wird. Friseure allerdings dürfen unter Auflagen ab dem 1. März wieder öffnen; über Schulen und Kitas entscheiden die Länder in eigener Regie. Als Zielmarke für weitere Lockerungen gilt eine Sieben-Tage-Inzidenz von 35. Hier sehen Sie die Beschlüsse im Überblick.

Grünen-Fraktionschefin Göring-Eckardt nannte es "unverständlich", dass sich Bund und Länder nicht auf ein gemeinsames Vorgehen bei Schulen und Kitas geeinigt hätten. "Es muss in allen Bundesländern sichergestellt sein, dass bis zur Öffnung von Grundschulen und Kitas, die Voraussetzungen für einen sichereren Unterricht geschaffen werden", sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Kubicki wirft Merkel einen "offenen Rechtsbruch" vor

FDP-Generalsekretär Volker Wissing bezeichnete die Einigung von Bund und Ländern ebenfalls als unzureichend. "Die Beschlüsse bleiben hinter den Erwartungen zurück. Es fehlen klare Perspektiven, die von den Menschen dringend erwartet werden", sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung". "Einen Stufenplan gibt es nicht, sondern er soll erst erarbeitet werden." Zudem gebe es für viele Bereiche keinerlei Öffnungssignal.

Der stellvertretende FDP-Chef Wolfgang Kubicki warf Merkel und den Länderchefs sogar einen "offenen Rechtsbruch" vor. "Dass wir die Maßnahmen, die die MPK für eine 200er-Inzidenz eingeführt hat, nahezu unverändert bis zum Inzidenzwert von 35 beibehalten sollen, ist unverantwortlich und ein offener Rechtsbruch", sagte der Bundestagsvizepräsident dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Donnerstagsausgaben).Die verfassungsmäßigen Kompetenzen gerieten "komplett unter die Räder".


Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) warf dem Bund vor, "beim Thema Schulen und Kitas vor den Ländern kapituliert" zu haben. "Den Ländern freie Hand zu geben, ist ein Eigentor: Die Akzeptanz und Unterstützung der Maßnahmen der Länder wird bei Lehrkräften, Erzieherinnen, Erziehern, den Lernenden und deren Eltern weiter sinken", sagte GEW-Chefin Marlis Tepe den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland.

Weder die Kultusministerkonferenz noch die Bundesregierung hätten bislang einen bundesweit einheitlichen, verlässlichen Stufenplan zur schrittweisen Öffnung von Schulen und Kitas vorgelegt, kritisierte die GEW-Chefin. Sie begrüßte aber, dass eine frühere Impfung für Lehrer und Erzieher geprüft werden soll.

Kritik aus der Wirtschaft

Die deutsche Wirtschaft bemängelte fehlende Planungssicherheit für das Hochfahren der Betriebe. "Für einen erfolgreichen Neustart brauchen wir im Großhandel einen verlässlichen Vorlauf, um unsere Partner aus Gastronomie und Hotellerie, aber auch Großküchen und Kantinen rechtzeitig und umfänglich ausrüsten und beliefern zu können", sagte Anton Börner, Präsident des Bundesverbands Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die Öffnungspläne von Bund und Ländern seien trotz der Verständigung auf einen ersten Schwellenwert zu vage.

Auch das Gastgewerbe, der Mittelstand und die Immobilienwirtschaft zeigten sich tief enttäuscht. Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), sagte, es gebe immer noch keine Öffnungsperspektive: "Dass Hotels und Restaurants in dem vorliegenden Beschluss mit keinem Wort erwähnt werden, löst in der Branche Frust und Verzweiflung aus."

Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) kommentierte: "Der Coronagipfel ist ein weiterer Beweis der Unverbindlichkeit der Politik und der Gipfel der Enttäuschungen für den Mittelstand." Der Zentrale Immobilien Ausschusses (ZIA), Spitzenverband der Immobilienwirtschaft, kritisierte, es fehle weiterhin jede Perspektive für eine Öffnung des Handels. "Jeder Tag Lockdown kostet 1,5 Milliarden Euro allein im Handel. Die Folgen sind und werden dramatisch sein. Es geht um die Existenzen ganzer Innenstädte", sagte ZIA-Präsident Andreas Mattner.

Das Handwerk begrüßte die geplante Öffnung von Friseurbetrieben Anfang März, warnte aber vor den Auswirkungen des verlängerten Lockdowns für andere Firmen. "Die epidemiologisch begründete Verlängerung des Lockdowns stellt für sehr viele weiter von Schließungen betroffene Handwerksbetriebe unverändert eine schwere Belastung dar und droht, viele von ihnen in die Knie zu zwingen", sagte Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH). Ein Aus der Betriebe ließe sich allenfalls noch dann verhindern, wenn die angekündigten Abschlagszahlungen der Überbrückungshilfe III schnell ankämen, so Wollseifer. Friseurbetrieben werde durch die vorgesehene Öffnung am 1. März hingegen ein Stück Existenzangst genommen.

Städtetag: Erreichte Erfolge nicht aufs Spiel setzen

Der Deutsche Städtetag reagierte unterdessen mit Verständnis auf die Beschlüsse. "Wir dürfen jetzt nicht leichtsinnig werden und die erreichten Erfolge aufs Spiel setzen", sagte Städtetagspräsident Burkhard Jung (SPD). "Der Abwärtstrend bei den Neuinfektionen muss sich weiter stabilisieren, damit wir ohne Chaos die Wintermonate überstehen." Zwar gingen die Beschränkungen für viele Menschen und Betriebe bis an die "Schmerzgrenze", sagte Jung: "Doch das Virus stellt uns auf eine so harte Probe, dass der Lockdown fortgesetzt werden muss."

Die Menschen müssten viel entbehren, sagte der Leipziger Oberbürgermeister. "Die Coronakrise hat uns fest im Griff. Unsere Innenstädte leiden. Bei allen Schwierigkeiten geben uns aber die Impfungen auch Hoffnung und das Frühjahr rückt näher." Gut und absolut richtig sei, dass perspektivisch als erstes Kitas und Schulen schrittweise geöffnet werden sollen, so Jung.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen afp und dpa
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