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Coronavirus: So rechtfertigt sich Jens Spahn für die Impfstoff-Probleme


Neuer Brief aufgetaucht
So rechtfertigt sich Spahn für die Impfstoff-Probleme

  • Johannes Bebermeier
Von Johannes Bebermeier, Sven Böll

19.01.2021Lesedauer: 3 Min.
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Jens Spahn: Der Gesundheitsminister verteidigt die Strategie bei der Impfstoffbestellung. Doch es gibt einige interessante Erkenntnisse aus den Antworten an die SPD.Vergrößern des Bildes
Jens Spahn: Der Gesundheitsminister verteidigt die Strategie bei der Impfstoffbestellung. Doch es gibt einige interessante Erkenntnisse aus den Antworten an die SPD. (Quelle: Kay Nietfeld/dpa-bilder)

Was ist beim Kauf der Impfstoffe in der EU und in Deutschland schiefgelaufen? Das wollte die SPD von Jens Spahn wissen. Nun hat der Gesundheitsminister geantwortet. Das sind die wichtigsten Erkenntnisse.

30 Seiten umfasst das Schreiben, das der zuständige Staatssekretär von Jens Spahn am Montagabend an die Länder verschickte. Es sind die Antworten des Gesundheitsministeriums auf die Fragen der SPD. Die Sozialdemokraten hatten Anfang des Jahres einen umfangreichen Fragenkatalog an Spahn gerichtet. Der Vorwurf, der dahintersteckte: Spahn und die EU hätten den Impfstoff zu zögerlich eingekauft und damit besonders zu Beginn eine Knappheit mit verursacht. Nicht alles in dem Brief, der t-online vorliegt, ist neu. Doch es gibt mindestens vier interessante Erkenntnisse.

1. Deutschland will mit den USA nachverhandeln

Donald Trump hat auch beim Corona-Impfstoff sein Lieblingsmotto durchgesetzt: America first. Mit einer Exekutivorder hat der US-Präsident im Dezember festgelegt, dass die US-Impfstoffproduzenten Pfizer und Moderna den in den USA hergestellten Impfstoff auch zunächst nur in die USA liefern dürfen. Das führt laut Bundesgesundheitsministerium dazu, dass die europäischen Standorte der Firmen nicht nur Europa, sondern gleich den Rest der Welt versorgen müssen.

Das wäre wohl ohnehin eine Überforderung, die dadurch verschärft wird, dass der Großteil der Produktionskapazitäten der deutsch-amerikanischen Allianz von Biontech und Pfizer in den USA liegt. Ein Hoffnungsschimmer: Donald Trump ist ab Mittwoch nicht mehr US-Präsident. Und das Gesundheitsministerium kündigt an, mit der Regierung von Joe Biden nachverhandeln zu wollen. Im Brief heißt es: "Die Unternehmen sowie die Bundesregierung sind bestrebt, mit der neuen US-Administration in Gespräche einzutreten, um Anpassungen zu erreichen." Das Ziel lautet also, dass auch von den USA aus Teile der Welt mit Impfstoff versorgt werden.

2. Die Hersteller haben der EU mehr Impfstoff angeboten

Es gab diverse Berichte, und auch Biontech-Gründer Uğur Şahin hatte es angedeutet. Nun bestätigt es das Gesundheitsministerium noch einmal schriftlich: Die EU hätte deutlich mehr Impfstoff bestellen können. Es habe von Biontech-Pfizer und Moderna "verschiedene Angebote" gegeben, "darunter auch Angebote mit höheren Mengen", heißt es in den Antworten aus Spahns Ministerium.

Berichtet worden war etwa, dass Biontech-Pfizer der EU 400 bis 500 Millionen Dosen statt der zunächst georderten 200 Millionen Dosen plus einer Kaufoption für weitere 100 Millionen angeboten habe. Die Höhe an sich ist dabei gar nicht so entscheidend, weil es insgesamt genug Impfstoff für die EU gibt – wenn die ausstehenden Zulassungen so funktionieren wie erwartet.

Doch einige Ökonomen argumentieren, frühere und höhere Verträge mit den Herstellern hätten dazu führen können, dass sie ihre Produktionskapazitäten schneller ausgebaut hätten. Und somit womöglich früher mehr Impfstoff zur Verfügung gestanden hätte. Inzwischen hat die EU mit Biontech-Pfizer einen Zusatzvertrag über weitere bis zu 300 Millionen Dosen geschlossen.

3. Das Interesse am Biontech-Pfizer-Impfstoff war zunächst gering

Ein in Deutschland entwickelter Impfstoff ist hochwirksam und als Erstes auf dem Markt – diese Erfolgsgeschichte des Biontech-Gründer-Ehepaares Özlem Türeci und Uğur Şahin war im Sommer offensichtlich auch für viele EU-Staaten noch nicht absehbar.

Im Juli, als erste Sondierungsgespräche mit Biontech-Pfizer liefen, sei "das Interesse vieler anderer Mitgliedstaaten an dem Impfstoff" deshalb "eher gering ausgeprägt" gewesen, heißt es in Spahns Schreiben. Das lag demnach aber nicht nur daran, dass die schnelle Zulassung noch nicht abzusehen war. Sondern auch an der komplizierten Handhabung, also etwa der notwendigen "Ultra-Tiefkühlung".

Und an einer weiteren wohl etwas zu naiven Hoffnung, die sich später zerschlagen sollte: "Hinzu kam, dass im Sommer noch im Hinblick auf den damaligen Stand der klinischen Studien davon ausgegangen werden konnte, dass der Impfstoff der Firma AstraZeneca bereits 2020 eine Zulassung erhalten könnte", heißt es im Brief. Der Impfstoff von AstraZeneca ist in der EU bis heute nicht zugelassen.

Das Gesundheitsministerium betont in seinen Antworten erneut die eigene Rolle bei der Vereinbarung eines Vertrags mit Biontech-Pfizer – aus naheliegendem Eigeninteresse: "Um vor diesem Hintergrund überhaupt einen Vertrag für die EU in ausreichender Höhe zu erreichen, hat Deutschland garantiert, bis zu 100 Mio. Impfdosen abzunehmen für den Fall, dass andere Mitgliedstaaten auf ihren Anteil verzichten würden."

4. Die Impfstoffbeschaffung wird teurer als bislang veranschlagt

Bei der Bezahlung der Impfstoffe gilt folgende Regel: Die EU hat für die notwendigen Anzahlungen gut zwei Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Die Zahlungen, die über die Anzahlung hinaus für die Impfdosen fällig werden, übernehmen die Mitgliedstaaten.

Spahn schreibt, im vergangenen Jahr sei dafür für den Bundeshaushalt "von einem Gesamtvolumen von bis zu 3,1 Mrd. Euro (davon 2,665 Mrd. Euro in 2021)" ausgegangen worden. Die entsprechenden Ausgaben für 2021 seien auch im laufenden Etat berücksichtigt. Angesichts der aktuellen Entwicklungen und zusätzlicher Vertragsabschlüsse seien "nach aktuellem Stand Mehrbedarfe zu erwarten". Das heißt: Es wird teurer. Aber dafür ist eben auch schneller mehr Impfstoff vorhanden als zunächst gedacht.

Verwendete Quellen
  • Dokument: Antworten auf die Fragen zum Thema Impfstoffe
  • Eigene Recherchen
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