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Corona-Gipfel: Deshalb stellten sich Ministerpräsidenten gegen Angela Merkel


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Corona-Gipfel von Bund und Ländern
Warum sich die Ministerpräsidenten gegen die Kanzlerin stellten

Eine Analyse von Tim Kummert

Aktualisiert am 17.11.2020Lesedauer: 4 Min.
Angela Merkel und Michael Müller während der Videokonferenz: Die Kanzlerin und Berlins Regierender Bürgermeister nahmen im Kanzleramt an dem Treffen von Bund und Ländern teil.Vergrößern des Bildes
Angela Merkel und Michael Müller während der Videokonferenz: Die Kanzlerin und Berlins Regierender Bürgermeister nahmen im Kanzleramt an dem Treffen von Bund und Ländern teil. (Quelle: Jesco Denzel/dpa)
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Die Kanzlerin wollte die Corona-Regeln verschärfen, doch etliche Ministerpräsidenten stemmten sich dagegen. Womöglich hätte ihre Zustimmung die eigenen Versäumnisse offengelegt.

Angela Merkel sieht nicht sonderlich gut gelaunt aus, als sie an diesem Montagabend vor die Hauptstadt-Presse tritt. Über fünf Stunden hat sie mit den Ministerpräsidenten über neue Corona-Regeln verhandelt, jetzt sagt sie: "Die Kontaktbeschränkungen sind das Erfolgskonzept, und wir brauchen mehr davon, wir müssen noch stärker reduzieren, um unsere Ziele erreichen zu können."

Eigentlich wollte die Bundeskanzlerin mehr Beschränkungen durchsetzen – viel mehr sogar: Ihre Vorschläge für schärfere Maßnahmen wurden bereits am Wochenende öffentlich. Doch kaum eine davon beschloss die Ministerpräsidentenrunde dann am Montag.

"Vorgehen des Kanzleramts führt zur Verunsicherung"

Es war ein zäher Nachmittag: Insgesamt drei verschiedene Beschlussvorlagen wurden von Merkel an die Länderchefs verschickt, ehe sie sich zu einem mühsamen Kompromiss durchringen konnten. Was aus dem Kanzleramt nach außen drang, klang dramatisch: Es sei zu scharfen Auseinandersetzungen gekommen, denn die Ministerpräsidenten wollten keine echte Verschärfung der Corona-Regeln mitmachen.


Mit erstaunlicher Einigkeit führten die Ministerpräsidenten an, dass sie sich vom Kanzleramt mit den Vorschlägen für neue Regeln überrumpelt fühlten. Manuela Schwesig, die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, twitterte am Montagvormittag: "Vorgehen des Kanzleramtes führt zur Verunsicherung anstatt zur gemeinsamen Orientierung für die Bevölkerung."

Doch dass der Widerstand der Länderchefs gegen die geplanten Maßnahmen von Angela Merkel so groß ist, liegt auch an einer Zwickmühle, die sich viele von ihnen im Sommer selbst gebaut haben. Jetzt sitzen sie darin fest: Denn nun wird klar, dass in den Sommermonaten kaum Hygiene-Konzepte entwickelt wurden, dass man sich in vielen Landesregierungen von den niedrigen Zahlen im Juni und Juli beruhigen ließ.

Die Gesundheitsämter besser auszustatten wurde versäumt

Wer jedoch keine präzisen Strategien zur Eindämmung des Virus entwickelt hat, würde mit erneuten, scharfen Maßnahmen sein eigenes Unvermögen bei der Bewältigung der Pandemie eingestehen: Drastische Kontaktbeschränkungen gelten eigentlich als letztes Mittel in der Bewältigung der weiterhin nicht eingedämmten Pandemie – genau das wollen die Ministerpräsidenten vermeiden. Einzuknicken, das sieht immer sehr ungeschickt aus.

Die Kanzlerin hatte angeregt, dass sich Kinder in nächster Zeit nur mit einem festen Freund oder einer Freundin treffen dürfen – und zwar immer nur mit derselben Person. Den Ministerpräsidenten war das zu viel, der Vorschlag wurde gekippt. Gleichzeitig sind die Gesundheitsämter kaum noch in der Lage, Kontakte nachzuverfolgen – dies wäre wohl im Sommer zu lösen gewesen. Die Gesundheitsämter besser auszustatten wurde jedoch von den meisten Bundesländern versäumt.

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Auch wurde von den Ministerpräsidenten durchgesetzt, dass es keine Strafe gibt, wenn sich mehr als zwei Personen von zwei Haushalten in der Öffentlichkeit treffen. Besonders strittig war die sogenannte "Schnupfen-Quarantäne", die Merkel eigentlich durchsetzen wollte: Wer einen Schnupfen hat, solle sich eigenständig für mehrere Tage in Isolation begeben. Die Ministerpräsidenten verweigerten sich dem ebenfalls.

Von Merkels Vorschlägen zu den Schulen blieb nichts stehen

Doch an keinem Beispiel zeigt sich das Aufbegehren der Länder so deutlich wie bei den Schulen. Über den Sommer wurde in vielen Bundesländern keine Hygiene- und Lüftungskonzepte erarbeitet. Obwohl die Bildung explizit in den juristischen Regelungsbereich der Länder fällt, wurde dies versäumt.

Die harten Maßnahmen des Kanzleramts zur Eindämmung der Zahlen sahen vor: Alle Klassen sollten halbiert werden – in Wahrheit ein Ende des bislang aufrechterhaltenen Regelbetriebs. Wo Unterricht noch stattfindet, dort sollte eine Maskenpflicht im gesamten Schulgebäude und auch auf dem Pausenhof gelten. Davon blieb kein Wort in der Beschlussfassung stehen, die Entscheidung wurde vertagt.

"Schüler sitzen stundenlang bei offenem Fenster"

Der Hamburger CDU-Chef und Bundestagsabgeordnete Christoph Ploß sagte zu t-online: "Wir hatten als Hamburger CDU darauf hingewiesen, dass die Stadt sich rechtzeitig auf die zweite Welle vorbereiten soll: Dafür haben wir den Einsatz von Belüftungsanlagen und Technologien vorgeschlagen." Dies sei vom Senat nicht berücksichtigt worden: "In Hamburg sitzen die Schüler jetzt stundenlang bei offenem Fenster und frieren." Für die fehlende Vorbereitung auf die zweite Welle fehle ihm "jegliches Verständnis", so Ploß.

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Auch Thomas Kutschaty ist empört: Der SPD-Politiker ist Oppositionsführer im Düsseldorfer Landtag, in NRW regiert eine schwarz-gelbe Koalition, geführt von Armin Laschet. Kutschaty erklärt: "Der eigentliche Vorschlag der Bundeskanzlerin war genau richtig: Mit kleineren Klassen und einem Lernen auf Distanz den aktuellen Schulbetrieb umzubauen, hätte gewirkt. Jetzt wird die Entscheidung darüber verschoben, das wirft kein gutes Licht auf die Krisenpolitik von Armin Laschet." Die Landesregierung "stolpert weiter in die Wintermonate hinein", so Kutschaty.

Strukturelles Problem der Ministerpräsidenten

Dass ein Hamburger CDU-Chef und ein SPD-Oppositionsführer aus Düsseldorf in ihrer Wut vereint auf ihre jeweiligen Landesregierungen sind, zeigt vor allem eines: Es handelt sich hier nicht um einen parteipolitischen Zwist. In der Bekämpfung der Pandemie sitzen die Ministerpräsidenten vorerst in ihrer Zwickmühle fest, sie stellen sich gegen weitere Maßnahmen.

Als im Oktober schon einmal ähnliche Differenzen zwischen Kanzlerin und Länderchefs aufkamen, sagte Merkel in der Runde: "Dann sitzen wir in zwei Wochen eben wieder hier" – damals wurden dann die meisten Maßnahmen umgesetzt. Dieses Mal könnte es sogar schneller gehen: Die nächste Konferenz von Merkel und den Ministerpräsidenten ist für den 25. November angesetzt.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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