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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Forscher dreht durch, Kollegen rufen um Hilfe Eskalation im ewigen Eis: Todesangst auf Polarstation

Neun Menschen sitzen auf engstem Raum fest, draußen toben unbarmherzige Winterstürme – und eine Person auf der Antarktis-Station droht auszurasten.
Das Szenario gleicht einem Horrorfilm. Die Forschungsstation Sanae IV in der Antarktis befindet sich am Rand von felsigen Klippen, noch scheint die Sonne auf eine schier endlose, weiße Eiswüste. Aber der Winter auf der Südhalbkugel steht kurz bevor – demnächst werden die Temperaturen fallen. Bis zu minus 35 Grad wird es dann kalt, draußen pfeifen Stürme mit mehr als 200 km/h und die Sonne geht nicht mehr auf.
Wochenlang können die Forscher auf der Station keinen Fuß nach draußen setzen, sie sind von der Außenwelt abgeschnitten. Kein Flugzeug kann landen, kein Schiff kommt durch.
"Das kann sehr verwirrend sein"
In dieser Lage hat sich jetzt das aktuelle Team auf der von Südafrika betriebenen Station mit einem Hilferuf an die Regierung gewandt: Ein Teammitglied droht demnach durchzudrehen. Es geht um angebliche Morddrohungen, einen mutmaßlichen körperlichen Angriff und sexuelle Belästigung.
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Wie das zuständige südafrikanische Umweltministerium mitteilte, ging der Hilferuf am 27. Februar per Mail ein. Was genau auf der Station passiert sein soll, ist nur in Ansätzen bekannt. Die südafrikanische "Sunday Times" berichtete Mitte März zuerst über den Fall, aber der Artikel ist sehr vage gehalten. Das hat wohl zwei Gründe: Erstens sind die Vorwürfe bisher unbewiesen – und zweitens hat auch die Person, um die es in dem Hilferuf geht, Zugriff aufs Internet und soll anscheinend nicht weiter provoziert werden.
Die "Sunday Times" zitiert aus der Mail: Das Verhalten des mutmaßlichen Aggressors habe sich "bis zu einem Punkt gesteigert, der zutiefst beunruhigend ist". Der Antarktis-Forscher habe unter anderem ein Teammitglied sexuell belästigt. Zudem habe es wohl eine verbale Auseinandersetzung zwischen dem Teamleiter und dem Mitglied gegeben, erklärte Südafrikas Umweltminister Dion George: "Dann eskalierte die Situation, und diese Person griff den Leiter körperlich an." Der Erklärungsversuch des Ministers: "Es ist eng, und die Leute bekommen Lagerkoller. Das kann sehr verwirrend sein."
"Ich frage mich ständig, ob ich das nächste Opfer werden könnte"
In der Mail bat die um Hilfe rufende Person um sofortige Maßnahmen. Der Aggressor habe einem Teammitglied mit Mord gedroht und so ein Klima der Angst und Einschüchterung geschaffen. "Ich bin zutiefst besorgt um meine eigene Sicherheit und frage mich ständig, ob ich das nächste Opfer werden könnte", zitierte die "Sunday Times" aus der Mail.
Das Problem: Hilfe von außen zu holen wird durch die sich jetzt immer weiter verschlechternden Wetterbedingungen stetig schwieriger. Am nächsten an der südafrikanischen Station dran sind die deutschen Kollegen von der Neumayer-Station III auf dem Ekström-Schelfeis im atlantischen Sektor der Antarktis, die Entfernung beträgt rund 220 Kilometer Luftlinie. Man habe bereits mit den Deutschen gesprochen, sagte Südafrikas Umweltminister.
"Es ist eigentlich egal, wann man aufsteht"
Planmäßig ist die neunköpfige Crew aber mindestens bis Anfang Dezember auf sich allein gestellt: Dann ist es Sommer in der Antarktis und die neue Crew aus Südafrika kann zur Übergabe anreisen. Bis dahin wird der Winter den Teammitgliedern alles abverlangen. Einer der Ingenieure, die bereits auf der Station waren, beschreibt die Situation dort so: "Die Zeit auf der Basis ist sehr eigenartig, es gibt keine richtigen Tag-Nacht-Zyklen, und nichts ändert sich wirklich. Die Landschaft bleibt gleich, man sieht immer dieselben Leute, das Innere der Basis bleibt gleich. Es ist eigentlich egal, wann man aufsteht oder zu Bett geht."
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Südafrikas Umweltministerium hofft derweil, die Lage durch geschulte Fachkräfte aus der Entfernung unter Kontrolle bringen zu können. Es sei ein Prozess in Gang gesetzt worden, um zwischen den Konfliktparteien zu vermitteln, teilte das Ministerium am Montag mit. Der mutmaßliche Täter habe sich demnach bereitwillig einer psychologischen Untersuchung unterzogen, Reue gezeigt und sei bereit, alle empfohlenen Maßnahmen zu befolgen. "Er hat sich schriftlich bei dem Opfer entschuldigt und ist bereit, sich mündlich bei allen Mitgliedern des Stützpunkts zu entschuldigen", hieß es in der Mitteilung.
Zusätzlich sei nach Angaben des Ministeriums ein längerfristiger Interventionsprozess eingeleitet worden, um ein gesundes Arbeitsumfeld zu schaffen und aufrechtzuerhalten. Spezialisten seien täglich mit der Crew in Kontakt. Auch sei ein arbeitsrechtliches Verfahren eingeleitet worden, um die Vorwürfe des körperlichen Übergriffs und der sexuellen Belästigung zu untersuchen. Anlass, Mitglieder des Teams von der Basis zu evakuieren, gebe es derzeit nicht, hieß es seitens des Ministeriums.
- timeslive.co.za: "SA team fear for safety at Antarctica base after 'assaults, death threat'" (Englisch)
- dffe.gov.za: Statement des südafrikanischen Umweltministeriums vom 17. März 2025 (Englisch)
- bbc.com: "Scientists at Antarctic base rocked by alleged assault" (Englisch)
- newsflix.at: "Forscher droht mit Mord: Warum Hilfe erst in 10 Monaten kommt"
- sansa.org.za: "In from the cold" (Englisch)
- meteoblue.com: "Simulated historical climate & weather data for SANAE IV" (Englisch)
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa