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"Match4Healthcare": Gesundheitsämter ignorieren Plattform mit Tausenden Helfern


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Ehrenamtliche enttäuscht
Angst vor Notlage – aber 10.000 Corona-Helfer werden ignoriert

  • Lars Wienand
InterviewVon Lars Wienand

29.10.2020Lesedauer: 4 Min.
Amandeep Grewal: Der Arzt mit indischen Wurzeln hatte im März die Idee, Medizinstudierende als Helfer in der Corona-Krise zu vernetzen. Entstanden ist die Vermittlungsplattform match4healthcare, auf der Tausende Helfer angemeldet sind, aber bisher kaum Institutionen.Vergrößern des Bildes
Amandeep Grewal: Der Arzt mit indischen Wurzeln hatte im März die Idee, Medizinstudierende als Helfer in der Corona-Krise zu vernetzen. Entstanden ist die Vermittlungsplattform match4healthcare, auf der Tausende Helfer angemeldet sind, aber bisher kaum Institutionen. (Quelle: privat)

Teil-Lockdown aus Sorge vor dem Kollaps im Gesundheitswesen – und dann das: Politik und Einrichtungen lassen eine Plattform mit Tausenden Freiwilligen mit medizinischer Ausbildung links liegen.

Der Medizinstudent Amandeep Grewal aus Reutlingen hatte im März eine Idee, die jetzt Leben retten könnte: Der Gedanke war, Medizinstudierende als Notfallreserve in der Corona-Krise zu vernetzen. Aus einer schnell gewachsenen Facebookgruppe ist mit Hilfe des Programmierwettbewerbs #wirvsvirushack eine Vermittlungsplattform geworden, die Seite match4healthcare. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier fand das Projekt so gut, dass er im April den völlig überraschten Grewal angerufen und sich bedankt hat.

Inzwischen ist Grewal als Arzt zugelassen und nach ruhigen Monaten beschäftigt das Projekt ihn und das Organisationsteam wieder stärker. "Seit zwei Wochen kommen vermehrt Fragen. Und wir könnten mit 10.000 Helfern den Unterschied machen, wenn sich die Lage weiter zuspitzt", sagt er im Interview mit t-online. Institutionen, die Hilfe brauchen könnten, wissen vielfach nichts von der Plattform, weil Verbände und Politik wenig dafür getan haben.

t-online: Herr Grewal, im Frühjahr wollten viele Medizinstudierende helfen, es entstand die Plattform mit Tausenden registrierten Menschen aus Medizinberufen. Wurden die eigentlich gebraucht?

Amandeep Grewal: Die Plattform stand schnell, aber die Situation hat sich da schon merklich entspannt. Für uns als Organisationsteam war es bald ruhig. Im Sommer gab es noch vereinzelt Anfragen darüber. So haben etwa Labore plötzlich Verstärkung gebraucht, als die Urlaubsrückkehrer auf das Coronavirus getestet wurden. Und unsere Techniker haben an der Plattform weitergearbeitet mit Blick auf eine mögliche zweite Welle.

Und jetzt steuern wir in eine Lage, in der es dringenden Bedarf geben könnte?

Ich denke, wir haben in Teilen jetzt schon sehr dringenden Bedarf, wenn man sieht, welche Probleme Gesundheitsämter haben und dafür auch die Bundeswehr zur Hilfe holen. Und die Kliniken bauen ihre Kapazitäten auf. Berlins Regierender Bürgermeister sagt, dass die Lage in den Krankenhäusern dort schon ernster ist als im Frühjahr. Ich denke, dass match4healthcare mit den vielen Menschen, die zur Hilfe bereitstehen, da einen Riesenunterschied machen könnte.

Wo könnten diese Menschen denn helfen?

Bei ganz vielen Aufgaben: Es haben sich 10.647 Personen als Helfer registriert, nicht nur Medizinstudierende und Menschen im Arztberuf, sondern auch aus anderen Berufen im Gesundheitsbereich. Es hat mich überrascht, wie viele gut ausgebildete Menschen zu Hause sind, Zeit haben und helfen können. Entsprechend vielfältig können auch die möglichen Einsatzgebiete sein. Einrichtungen können auf match4healtcare für verschiedene Anforderungen nach entsprechend qualifizierten Helfern in ihrem Umfeld suchen und sie darüber kontaktieren.

In Baden-Württemberg hat Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) Studenten aufgerufen, sich bei Gesundheitsämtern zu melden.

Es ist gut, dass sie um Unterstützung wirbt. Aber ich verstehe nicht, warum erwartet wird, dass Studenten jetzt auf die Suche gehen. Wir sind doch mit unserer Plattform schon viel weiter! Jedes Gesundheitsamt könnte in seiner Umgebung über die Plattform direkt Kontakt herstellen zu passenden Leuten in der Umgebung, die sich als Helfer angemeldet haben.

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Machen die das denn?

Es ist enttäuschend, wie wenig die Plattform aufseiten der Institutionen bekannt ist. Bei uns sind nur 97 Institutionen validiert ...

Das heißt?

Dass Einrichtungen von uns verifiziert sind, es sich tatsächlich beispielsweise um Kliniken, Gesundheitsämter, Praxen oder Labore handelt. Diese Institutionen könnten inzwischen auf uns hingewiesen worden sein, eine Ministerin könnte inzwischen wissen, dass es uns gibt. Aus der Politik wird nur geklagt, und ein Lösungsansatz wie unsere Plattform wird gar nicht wahrgenommen. Das ist sehr, sehr schade.

Dabei hatten Sie ja nicht nur Kontakt mit dem Bundespräsidenten ...

Wir waren in den Medien, die Bundesärztekammer und der Marburger Bund sind Kooperationspartner, die Initiative "Zusammen gegen Corona" des Bundesgesundheitsministeriums empfiehlt uns, aber davon haben wir nicht so viel gespürt. In die Fläche getragen ist das offenbar nicht. Ich bin fast verzweifelt und ratlos. Wir machen das ja alles in unserer Freizeit. Ich hoffe, dass sich Einrichtungen jetzt bei uns registrieren.

Im Pflegebereich sind auch viele Zeitarbeitsunternehmen tätig, bei denen Kliniken sich Personal holen können. Stehen Sie zu denen in Konkurrenz?

Das ist keinesfalls der Gedanke, wir sehen uns als Reserve in einer Krisenlage und gehen auch davon aus, dass unser Angebot nicht ausgenutzt wird. Die Absprachen treffen dann Einrichtungen und Helfende, aber wir gehen davon aus, dass die Leute auch ordentlich bezahlt werden.

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Die Corona-Krise ist ja nicht auf Deutschland beschränkt, wie ist das mit der Plattform?

Wir haben Hilfewillige im deutschsprachigen Raum insgesamt. Aber ich hatte gedacht, dass wir die Plattform auch anderen Ländern zur Verfügung stellen. Gerade hat mir ein Freund aus den USA gesagt, dass es das dort auch geben müsste. Uns haben die Ressourcen und die Kontakte gefehlt. Aber unsere Plattform ist gerade beim World Health Summit kurz vorgestellt worden, wir freuen uns, wenn andere das aufgreifen.

Stehen Sie selbst auch bereit, in einem Krankenhaus mitzuarbeiten?

So ist die Idee ja überhaupt erst entstanden. Ich hatte im März überlegt, wie ich als Student helfen kann, falls sich die Lage zuspitzt und fand es mühsam, dafür jemanden zu erreichen. Dass daraus eine Plattform und ein Verein wird, bei denen ich meinen Beitrag sinnvoll leisten kann, war da noch nicht klar.

Ich arbeite im Moment dort und in meinem Unternehmen, das Medizinstudenten im Ausland betreut. Ich würde aber natürlich auch in ein Krankenhaus gehen, wenn die Not groß ist. Allerdings haben wir im Raum Tübingen oder im Raum Wien, wo ich einspringen könnte, so viele Registrierungen, dass das wohl nichts wird.

Dankeschön für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Amandeep Grewal
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