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Nach Drohungen: Bundesanwaltschaft ermittelt gegen die "Atomwaffendivision"


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Nach Drohungen mit Mord und Terror
Bundesanwaltschaft ermittelt gegen die "Atomwaffendivision"


Aktualisiert am 14.09.2020Lesedauer: 4 Min.
Straßenschlachten, Waffen, Hakenkreuze: In dem Video der Gruppe mischt sich nationalsozialistische Sprache mit unverhohlener Gewalt.Vergrößern des Bildes
Straßenschlachten, Waffen, Hakenkreuze: In dem Video der Gruppe mischt sich nationalsozialistische Sprache mit unverhohlener Gewalt. (Quelle: Screenshot/t-online)
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Der Generalbundesanwalt hat Verfahren um die Neonazi-Gruppe "Atomwaffendivision Deutschland" an sich gezogen. Mutmaßlichen Anhängern werden Morddrohungen gegen Spitzenpolitiker zugeschrieben.

Nach Terrordrohungen an Universitäten, im Umfeld des NSU-Gedenkens in Köln und gegen Spitzenpolitiker der Grünen ermittelt nun die Bundesanwaltschaft. Die Behörde hat laut Informationen von t-online mehrere mit der sogenannten "Atomwaffendivision Deutschland" in Zusammenhang stehende Verfahren an sich gezogen. Offenbar geht sie dem Verdacht nach, dass es sich bei den Neonazis um eine Terrorgruppe handeln könnte, die ihren Worten auch Taten folgen lässt. Ein Sprecher des Generalbundesanwalts wollte sich zu den Ermittlungen nicht äußern.

Sie verehren Manson und Breivik

Die "Atomwaffendivision" gilt als Ableger der gleichnamigen US-Terrorgruppe, deren Mitglieder in den USA bereits fünf Morde verübt haben. Sie propagiert einen Endzeit-Nationalsozialismus, "einen letzten Kampf in Trümmern". In Bildsprache und Rhetorik erinnert sie damit an islamistische Terrorgruppen wie den IS und al-Qaida. Das gilt auch für die Rekrutierung über das Internet: Gepredigt wird die Strategie autonomer Zellen. Kleingruppen und Einzeltäter sollen zu Morden und anderen schweren Straftaten animiert werden. Verehrt werden Massenmörder wie Charles Manson und Anders Breivik.

Die radikale Rhetorik der "Atomwaffen Division" in den USA hat seit 2017 Neonazis unter anderem in Großbritannien, Deutschland, Russland und der Ukraine angezogen. Gemeinsame Grundlage sind extremer Antisemitismus, Rassismus, Sexismus, ein Hang zum Okkultismus und hohe Internet-Affinität. Zuletzt stellte sich im Prozess um den Terroranschlag von Halle heraus, dass der Angeklagte Stephan B. Propagandamaterial der Gruppe besaß. Ursprung und wichtiger Kontaktort für das Netzwerk war lange Zeit das Internet-Neonazi-Forum "Iron March".

Datenspur führte nach Thüringen

Aus einem Datenleck dieses Forums hatte t-online Ende 2019 die Spuren des bislang einzigen deutschen Propagandavideos bis zu einem Neonazi nach Eisenach in Thüringen verfolgt. Aus seinem Umfeld führten Verbindungen zu einer Terrorgruppe in Großbritannien, die ebenfalls Kontakte zur "Atomwaffen Division" in den USA unterhält. Direkt nach der Berichterstattung löste sich die Kameradschaft des Eisenachers offiziell auf. Er selbst bestritt öffentlich, mit der "Atomwaffendivision Deutschland" in Verbindung zu stehen. Zuletzt wurde er mit Gesinnungsgenossen im Zuge der Corona-Demos in Berlin bei Ausschreitungen vor der russischen Botschaft festgenommen.

Das Dementi könnte einer gruppeninternen Anweisung entsprechen: "plausible Verleugnung", "hartnäckige Ablehnung" steht als Ratschlag in einem Programmpapier der "Atomwaffendivision Deutschland", für den Fall, dass Anhänger öffentlich mit ihren Handlungen konfrontiert werden. Das Dokument liegt t-online vor. Es handelt sich dabei weitestgehend um das ins Deutsche übersetzte Manifest der US-Gruppe. Beide Schriftstücke sind Teil einer Materialsammlung, die das "Internationale Institut für Bildung, Sozial- und Antisemitismusforschung" (IIBSA) über die Gruppe angelegt hat.

Flugblätter in drei Bundesländern

Die in Telegram-Kanälen verbreiteten Flugzettel strotzen vor Gewaltfantasien und nationalsozialistischer Symbolik. "Muslime töten" und "Töte Moslems" steht auf mehreren. Damit ähneln sie stark den Flugblättern, die in den vergangenen Jahren immer wieder in Teilen Deutschlands gefunden wurden – zunächst im November 2018 an der Humboldt-Universität in Berlin, dann Ende März 2019 an der Goethe-Universität in Frankfurt, dann Anfang Juni 2019 im Umfeld des Gedenkens an den NSU-Keupstraßen-Anschlag in Köln.

Mindestens zwei dieser Verfahren hat laut Auskunft der bis dato zuständigen Staatsanwaltschaften gegenüber t-online nun die Bundesanwaltschaft übernommen. Das Verfahren in Berlin wird ebenfalls nicht mehr dort geführt. Was dafür den Ausschlag gab, ist nicht bekannt. Noch vor einem Jahr hatte der Generalbundesanwalt keinen Anlass gesehen, sich einzuschalten. Ob auch das Propagandavideo Teil der Ermittlungen ist, ist unklar. Andere Verfahren, die in Zusammenhang mit der Gruppe standen, wurden bisher nicht übernommen.

Drohungen und Untersuchungshaft

So ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft Berlin weiter gegen Unbekannt, weil die Grünen-Politiker Claudia Roth und Cem Özdemir Ende Oktober 2019 Morddrohungen erhalten hatten. Die E-Mails, die von der gleichen Email-Adresse versandt wurden und t-online vorliegen, waren mit "Atomwaffen Division Deutschland" unterschrieben. Es könnte sich bei den Absendern aber auch um Trittbrettfahrer handeln.

Ein Verfahren gegen einen 22-Jährigen, dem die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat vorgeworfen wird, liegt zudem weiter bei der Generalstaatsanwaltschaft München. Der Mann soll Anführer der "Feuerkrieg Division" in Deutschland sein. Das hatte der "Spiegel" unter Berufung auf interne Chats berichtet. Die Gruppe gilt als weiterer Ableger der US-"Atomwaffen Division".

Der Beschuldigte sitzt laut Informationen von t-online weiter in Untersuchungshaft. Die Untersuchung bei ihm gefundener Gegenstände durch Spezialisten hat allerdings keine Verstöße gegen das Waffengesetz ergeben. Mögliche Bezüge zur "Feuerkrieg"- oder "Atomwaffendivision" wollen Ermittler noch immer nicht kommentieren.

Internationales Netzwerk

Dass die Bundesanwaltschaft nun zumindest die Ermittlungen in einigen der Fälle übernommen hat, könnte auch auf Hinweise US-amerikanischer Strafverfolgungsbehörden zurückgehen. Laut Medienberichten ging ein solcher ein, als die US-"Atomwaffen Division" eine ehemalige Aktivistin der Gruppe bis nach Deutschland verfolgte. Ein weiterer soll laut "Zeit" die Einreise eines Mitglieds verhindert haben.

In den USA selbst steht aufgrund der starken Auslandsbezüge zur Debatte, ob die Gruppe offiziell zur Terrororganisation erklärt wird. Bei einer Serie von Drohungen der "Atomwaffen Division" ermittelte das FBI zwei Verdächtige außerhalb des Landes. In einem Dokument der Behörde, das t-online vorliegt, werden sie als "Mitverschwörer" bezeichnet.

Neue Namen und eine Botschaft

Der Druck der Strafverfolgungsbehörden zeigt dabei offenbar Wirkung. Kurz nach einer Festnahme im Februar gab die US-amerikanische "Atomwaffen Division" bekannt, sich aufzulösen. Laut Szene-Beobachtern nennt sie sich nun "National Socialist Order". Auch bei der "Feuerkrieg Division" gab es wohl Überlegungen, den Namen zu ändern, um Strafverfolgung zu entgehen.

Die "Atomwaffendivision Deutschland" hingegen scheint bei ihrer Namenswahl bleiben zu wollen. Bis Juli wurden laut IIBSA 18 Propaganda-Grafiken über Telegram verbreitet. Und eine Audiobotschaft auf Deutsch und auf Englisch. Später wurde sie gelöscht.

Von der angeblichen Auflösung in den USA sei man "in Deutschland praktisch unberührt geblieben" und rüste sich weiter "für den kommenden Kampf", heißt es in der Aufnahme. Sie schließt mit: "Wir in Deutschland werden aktiv bleiben – bis zum bitteren Ende. Sieg Heil!" Dafür könnten sich nun auch Ermittler der Bundesanwaltschaft interessieren.

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