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Wirecard-Skandal: Grüne schicken Fragenkatalog an Angela Merkel und Olaf Scholz


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Wirecard-Skandal
Grüne stellen Merkel und Scholz 90 unangenehme Fragen


Aktualisiert am 30.07.2020Lesedauer: 4 Min.
Angela Merkel und Olaf Scholz: Die Rolle der Kanzlerin und des Finanzministers ist im Wirecard-Skandal politisch besonders heikel.Vergrößern des Bildes
Angela Merkel und Olaf Scholz: Die Rolle der Kanzlerin und des Finanzministers ist im Wirecard-Skandal politisch besonders heikel. (Quelle: Felix Zahn/photothek.net/imago-images-bilder)
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90 Fragen – alle nicht sonderlich erbaulich: Die Grünen haben der Bundesregierung im Wirecard-Skandal einen Brief geschrieben. Ein Untersuchungsausschuss ist längst nicht abgewendet.

Im womöglich größten Betrugsskandal der Nachkriegsgeschichte sind noch viele Fragen offen, heißt es immer wieder. Wie viele? Dafür haben die Grünen jetzt eine erste Zahl parat: 90 Fragen wollen sie von der Bundesregierung in einem ersten Schritt zum Wirecard-Skandal beantwortet haben.

Die Grünen haben einen entsprechenden Fragenkatalog an die Bundesregierung geschickt. Und ihr eine Frist zur Antwort gesetzt: den 10. August. Es ist für die Bundesregierung vermutlich die letzte Chance, einen Untersuchungsausschuss zu verhindern. Der wäre für einen besonders unangenehm: Finanzminister Olaf Scholz.

Wer ist verantwortlich?

Der Wirecard-Skandal dreht sich im Kern um die Fragen: Wer wusste wann von welchen Verfehlungen? Warum ist nicht früher etwas passiert? Und vor allem: Wer ist dafür verantwortlich?

Der inzwischen insolvente Zahlungsdienstleister Wirecard hatte im Juni Luftbuchungen von 1,9 Milliarden Euro eingeräumt. Offenbar handelten Manager bei Wirecard schon seit Jahren mit krimineller Energie. Aber weil Unregelmäßigkeiten durch Berichte der "Financial Times" schon seit mehreren Jahren bekannt waren, steht auch die Frage im Raum, ob die Finanzaufsicht Bafin eine Schuld trifft.

Und damit Finanzminister Olaf Scholz. Denn die Bafin untersteht seinem Ministerium. Der SPD-Politiker Scholz hatte seine Behörde am Mittwoch in einer ersten Sondersitzung des Finanzausschusses nach Angaben von Teilnehmern weitgehend in Schutz genommen – und die Schuld vor allem auf die Wirtschaftsprüfer geschoben. Zugleich hatte er schon zuvor Reformen bei der Bafin angekündigt.

Scholz' Strategie

Das ist eine aus seiner Sicht nachvollziehbare Strategie. Scholz versucht, sich an die Spitze der Reformbewegung zu setzen, und zugleich eine konkrete Schuld von sich zu weisen. Denn für die Wirtschaftsprüfer ist Wirtschaftsminister und CDU-Politiker Peter Altmaier zuständig – nicht Scholz.

Die Opposition lässt sich davon bislang nicht beeindrucken. Der FDP-Politiker Florian Toncar sagte, Scholz' Argumentation im Finanzausschuss sei nicht schlüssig gewesen. Man könne nicht einerseits sagen, die Finanzaufsicht habe das Problem ernst genommen, habe dann aber eineinhalb Jahre keine Ergebnisse zu Wirecard geliefert.

Und auch die Grünen haben in ihrem Fragenkatalog, der t-online.de vorliegt, viele Fragen zur Rolle der Bafin und des Finanzministeriums formuliert. Eine davon: Warum hat die Bafin erst fast vier Jahre nach der ersten Berichterstattung über Unregelmäßigkeiten bei der Wirecard eine Prüfung der Rechnungslegung veranlasst? Eine andere: Waren Vertreter des Finanzministeriums mit weiteren Akteuren in Kontakt, die Bezug zu Wirecard hatten?

Wahrscheinlichkeit für Untersuchungsausschuss steigt

Die Grünen spielen eine Schlüsselrolle in der Frage, ob es noch unangenehmer für die Bundesregierung wird als jetzt schon. Während sich Linke und FDP erklärtermaßen einen Untersuchungsausschuss vorstellen können, in dem der Skandal haarklein aufgearbeitet werden würde, zögern die Grünen bislang.

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Die Sondersitzung des Finanzausschusses am Mittwoch hat aber auch sie noch nicht überzeugt. "Einige Fragen wurden beantwortet, neue sind entstanden", sagte Grünen-Politiker Danyal Bayaz. Scholz habe den Vorwurf nicht aus der Welt schaffen können, dass das politische Frühwarnsystem nicht funktioniert habe, obwohl es schon lange Warnsignale im Fall Wirecard gegeben habe.

Mit ihrem Fragenkatalog und einer weiteren Sondersitzung des Finanzausschusses wollen die Grünen der Regierung aber noch eine Chance geben, den Untersuchungsausschuss zu vermeiden. Es gehöre zur politischen Kultur in Deutschland, der Regierung Gelegenheit zur Antwort zu geben, sagte Bayaz. Er sagte aber auch: "Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Untersuchungsausschuss kommt, ist wahrscheinlich höher als die, dass er nicht kommt."

Die SPD versammelt sich auffällig hinter Scholz

Olaf Scholz könnte einen Untersuchungsausschuss besonders schlecht gebrauchen. Der Ausschuss würde sich nämlich ins nächste Jahr ziehen, und da wird im Herbst der Bundestag gewählt. Für die SPD soll nach allem, was man weiß, Scholz antreten, auch wenn die Partei das noch nicht offiziell bestätigt.

In einem Wahlkampf wäre der Wirecard-Skandal für Scholz eine große Belastung – anders als für Angela Merkel, zu deren Rolle sich auch Fragen stellen – oder für Peter Altmaier. Beide haben schlicht keine Kanzlerkandidatur geplant, Merkel beendet sogar ihre Karriere.

Die SPD bemüht sich deshalb auch auffällig, die Reihen zu schließen und Scholz zu schützen. "Der Finanzminister hat die Karten auf den Tisch gelegt", sagte SPD-Finanzexpertin Cansel Kiziltepe. "Die Verantwortlichen haben im Rahmen der geltenden Gesetze ihre Arbeit gemacht." Auch sie versuchte, die Aufmerksamkeit auf die Wirtschaftsprüfer und damit Wirtschaftsminister Altmaier zu lenken.

SPD-Chef Norbert Walter-Borjans äußerte im Deutschlandfunk ganz offen seine Bedenken, dass ein Untersuchungsausschuss im Wahlkampf instrumentalisiert werden könnte. "Wir werden jetzt in ein Wahljahr gehen und wir sollten uns alle nichts vormachen", sagte er. Ein Untersuchungsausschuss habe dann auch andere Ziele als die Aufklärung.

Selbst SPD-Chefin Saskia Esken, die wahrlich nicht als Scholz-Freundin gilt, stellte sich am Mittwoch demonstrativ hinter ihn, wenn auch anlässlich einer Kampagne von Scholz-Gegnern auf Twitter mit dem sprechenden Namen #NOlaf. Esken schrieb: "Wir sind Teamplayer. Wir stehen zusammen. Und Olaf Scholz ist einer von uns."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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