"Sehnsucht nach anderem Leben" Beim Gedanken an die Rente gerät Seehofer ins Schwärmen
Horst Seehofer freut sich auf die Zeit nach der Politik. In einem Interview verriet er, wie er sein zukünftiges Leben gestalten will. Seine Vorstellungen unterscheiden sich teilweise radikal von denen anderer Politgrößen.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) erhofft sich von seinem geplanten Ausstieg aus der Politik eine radikale Veränderung. "Ich habe eine Sehnsucht nach einem Leben, das der Gegensatz zu dem ist, was ich jetzt 50 Jahre gemacht habe", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom Samstag.
Seehofer will "keine Pöstchen" annehmen
"Es gibt so viel Schönes für uns Menschen auf dieser Erde, von der Musik über die Literatur über die Natur, die Welt und Mitmenschen vor allem", schwärmte der 71-Jährige. "Ich habe eine Sehnsucht nach einem vollständig anderen Leben."
Seehofer bekräftigte zudem, dass er "keine Pöstchen" annehmen werde, "keinen Verwaltungsrat, keinen Aufsichtsrat, gar nichts". Er wolle vielmehr "für mich leben und für meine Freunde und Bekannten, meine Familie da sein". Seine Arbeit mache ihm aber "viel Spaß", versicherte Seehofer zugleich. Dies gelte, "weil ich ein tolles Haus habe, und in der Regierung passt es auch, das gilt ausdrücklich auch für die SPD".
Seehofer will mit dem Ende der laufenden Legislaturperiode seine politische Karriere beenden. Dass er sich keiner Wahl mehr stellen müsse, sei "auch eine Befreiung", sagte er der "FAZ". "Ich habe es immer gerne gemacht, aber es ist auch mal schön, wenn man weiß, man ist nicht noch mal in einem Wahlkampf."
"Kein Anlass" für Rassismus-Studie
Seehofer hielt zugleich an der Entscheidung fest, keine Untersuchung zu Rassismus bei der Polizei in Auftrag zu geben. Er habe "keinen Anlass anzunehmen", dass es bei der Bundespolizei ein "strukturelles Problem" mit sogenanntem Racial Profiling gebe, sagte Seehofer der Zeitung. Mit Racial Profiling sind Polizeikontrollen allein aufgrund der äußeren Merkmale von Menschen gemeint. Seehofer bekräftigte zugleich seine Absicht, ein Lagebild zum Rechtsextremismus in den Sicherheitsbehörden zu erarbeiten.
"Ich habe keinen Verdacht, nicht den geringsten Beleg für strukturelle Neigungen innerhalb der Polizei", betonte Seehofer. "Dass wir Einzelfälle haben – ebenso wie in Politik, Medien, Kirchen – das ist so", fügte er hinzu. Dies erlaube jedoch keine Rückschlüsse auf "die gesamte Organisation mit 50.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern".
Lagebild über Extremismus in Behörden im September
Seehofer plädierte für eine Rückkehr zu einer "sachlichen Diskussion". Nötig sei dafür ein "Lagebild über Extremismus, Antisemitismus und Rassismus im öffentlichen Dienst". Dieses will das Innenministerium im September vorlegen. Seehofer kündigte überdies einen Bericht zum Rassismus in Deutschland an, ein entsprechender Auftrag sei bereits erteilt.
Seehofers Verzicht auf die angekündigte Studie über Rassismus in der Polizei war beim Koalitionspartner SPD und in der Opposition auf Widerstand gestoßen. Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius hatte sich diese Woche für eine Studie zu dem Thema notfalls ohne Beteiligung der Bundesregierung im Verbund mehrerer Bundesländer ausgesprochen. Unterstützung erhielt der Vorschlag vom thüringischen Innenminister Georg Maier (SPD), Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sprach sich dagegen aus.
- Nachrichtenagentur AFP