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Nach Augustus-Affäre: Philipp Atmhor muss kleinere Brötchen backen


Amthor-Affäre
Wir müssen über die CDU reden

  • Lamya Kaddor
MeinungEine Kolumne von Lamya Kaddor

18.06.2020Lesedauer: 5 Min.
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Philipp Amthor will CDU-Landesvorsitzender in Mecklenburg-Vorpommern werden. Der Bundestagsabgeordnete ist wegen seiner Nebentätigkeit und seiner Lobbyarbeit für das US-Unternehmen Augustus Intelligence massiv in die Kritik geraten.Vergrößern des Bildes
Philipp Amthor will CDU-Landesvorsitzender in Mecklenburg-Vorpommern werden. Der Bundestagsabgeordnete ist wegen seiner Nebentätigkeit und seiner Lobbyarbeit für das US-Unternehmen Augustus Intelligence massiv in die Kritik geraten. (Quelle: imago/imago-images-bilder)

In der Augustus-Affäre wird Philipp Amthor Käuflichkeit vorgeworfen. Für den CDU-Hoffnungsträger geht es nun um seine Karriere. Doch der junge Abgeordnete sollte nicht gleich politisch beerdigt werden.

Wir müssen über die CDU reden. Was sagt es über eine Partei aus, wenn zahlreiche Mitglieder Philipp Amthor zu ihrem konservativen Hoffnungsträger erkiesen? Man munkelt, innerhalb der CDU würden sie bereits vom "Sebastian Kurz des Nordens" sprechen. Echt jetzt? Bin nur ich es, die das seltsam findet?

Die künftige Erfolgsgeschichte des jungen Mannes aus Torgelow müsste man sich demnach so vorstellen: Erst wird er Landesvorsitzender der CDU Mecklenburg-Vorpommern, kommendes Jahr dann Spitzenkandidat und Ministerpräsident, der jüngste Deutschlands. Anschließend geht es an den Kabinettstisch und schließlich wird Philipp Amthor in neun Jahren, ach was, in fünf Jahren Bundeskanzler. Er prägt eine neue politische Ära, und die CDU bekommt eine neue Lichtgestalt, wie sie sie einst im jungen Helmut Kohl fand, und kann sich in ihrem Glanze sonnen… Vermutlich träumen tatsächlich einige in der CDU davon – Philipp Amthor tut es bestimmt. "Wacht auf!", kann man da nur rufen.

Amthor steht nicht für die Moderne

Die Union steht derzeit so gut wie seit Jahren nicht mehr da. Unter der angeblich so verhassten Angela Merkel, die angeblich die konservativen Werte der Partei mit Füßen tritt, tangieren CDU/CSU wieder die 40 Prozent-Marke – unglaublich, nach 24 Prozent und drei Prozentpunkte hinter den Grünen vor nicht mal einem Jahr; der Corona-Krise sei Dank. Gleichsam surft Markus Söder auf der Erfolgswelle nachdem er seinen verheerenden Fehler, in der sogenannten Flüchtlingskrise am rechten Rand zu fischen, erkannt und korrigiert hat.

Die Konservativen in der Union sollten möglichst rasch verinnerlichen, dass die alte Union der Bonner Republik, für die Philipp Amthor mit seinen 27 Lenzen 30 Jahre nach deren Ende offenbar stehen will, im 21. Jahrhundert nicht mehr funktioniert. Retro ist in Deutschland nicht mehrheitsfähig. Alles hat seine Zeit, und die Zeit der Bonner Republik ist abgelaufen. Die CDU wäre daher für die Phase nach Angela Merkel gut beraten, einen echten modernen Konservatismus zu suchen, und ihre Hoffnung nicht an Junge zu knüpfen, die auf alt machen, und nicht an Alte, die auf jugendlich machen. Markus Söder scheint da heute wie Angela Merkel damals auf einem guten Weg zu sein.

Sein Verhalten war nicht in Ordnung

Modernität kann man sich nicht erkaufen, indem man einen jungen Menschen in die erste Reihe schiebt. Bei Philipp Amthor geht das schon gar nicht. "Der Schein-Alte", wie der "Spiegel" schrieb, umgibt sich gern mit älteren Herren samt Altherrenwitzen, und sucht die Nähe zu Ex-Politikern, Ex-Beamten und Ex-Managern wie Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, Ex-Verfassungschef Hans-Georg Maaßen, Ex-BND-Chef August Hanning oder Ex-Roland-Berger-CEO Charles-Édouard Bouée. Dann und wann bedient er sich aus der Mottenkammer der Sprüche, um Einwanderer und Muslime abzuwerten. Mit solchen Darbietungen kann Philipp Amthor noch so umtriebig in den Sozialen Medien sein: Fortschritt verkörpert er nicht. Er täuscht ihn allenfalls vor. Aus dem 74-jährigen einstigen Kurzzeit-Generalsekretär der CDU, Ruprecht Polenz, wird schließlich auch kein Jungspund, bloß weil er sich auf das Spiel in den Sozialen Medien versteht.

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Was nun die Augustus-Affäre Philipp Amthors angeht: Selbstverständlich war sein Verhalten nicht in Ordnung. Die Geschichte, so wie sie öffentlich bisher bekannt ist, vom Beschuldigten selbst hört man wenig, trägt tragische Züge. Sie zeichnet das Bild eines Gernegroß, der unbedingt in der Liga der vermeintlich Reichen und Mächtigen mitspielen will, dabei aber nicht mitbekommt, wie diese hinter seinem Rücken schmunzeln. Als ob sich gestandene Persönlichkeiten mittleren und höheren Alters, die bereits beruflich erfolgreich waren, oder Menschen, die zu viel Geld gekommen sind, von einem 27-jährigen Politiker, das sollte einem eigentlich der gesunde Menschenverstand sagen, ernsthaft beeindrucken ließen – selbst wenn dieser Bundestagsabgeordneter ist; schon gar nicht, wenn dieser den Ruf hat, vor allem skurril und belustigend zu sein. Wie lange und wie viel Geld hat es gebraucht, bis ein Mark Zuckerberg respektiert wurde?

Jeder hat eine zweite Chance verdient

Philipp Amthor hat sich von Augustus Intelligence, einer Firma, die mächtig sein will wie der Kaiser im Alten Rom, aber nichts vorweist außer Versprechungen, Ungereimtheiten, Namedropping und einen Firmensitz in New York, instrumentalisieren und um den Finger wickeln lassen. Damit ist er allerdings in prominenter Gesellschaft. Das Bundeswirtschaftsministerium von Peter Altmaier (CDU) gewährte den Firmenvertretern Termine (Wie viele gute deutsche Start-ups hoffen vergeblich darauf?), Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) lud sie 2018 gleich mit anderen zu einem persönlichen Expertengespräch an seinen Dienstsitz und stellte die frisch gegründete Firma damit prominent in eine Reihe mit großen Traditionskonzernen: "Mit dabei waren die Unternehmen Augustus Intelligence, BMW, Bosch, Cargonex [sic], Deutsche Bahn und Deutsche Telekom", heißt es auf der Ministeriums-Homepage inklusive Fotostrecke, auf denen die beiden Firmen-Gründer Wolfgang Haupt (33) und Pascal Weinberger (23) stolz und wichtig gucken dürfen ; eine perfekte Werbung für künftige Vorhaben der Augustus Intelligence.

Die Affäre muss – nach jetzigem Erkenntnisstand – nicht das Ende der politischen Karriere Philipp Amthors bedeuten. Es ist nicht nötig, einen jungen Abgeordneten gleich politisch zu beerdigen und ihm nahezulegen, sein Bundestagsmandat abzugeben, wie es etwa Linken-Chefin Katja Kipping getan hat. Jeder hat eine zweite Chance verdient. Wie viele Menschen, die (zu früh) zu viel wollen, ist er den Verlockungen der Eliten erlegen, was vielleicht eine gewisse Charakterschwäche zeigt, aber er hat diesen Fehler immerhin eingestanden. Seinen Sitz im Amri-Untersuchungsausschuss hat er abgegeben, damit er dort demnächst nicht so tun muss, als würde er seinen "Buddy" Hans-Georg Maaßen, um die Worten von Grünen-Chef Robert Habeck zu benutzen, neutral befragen.

Amthor muss Inhalte liefern

Mit seinen Verfehlungen hat er jedoch seine Ambitionen selbst ausgebremst. Will Philipp Amthor seine politische Karriere retten, kann man ihm nur raten, vorerst kleinere Brötchen zu backen und weniger großspurig aufzutreten. Wenn er jetzt den Weg zum CDU-Spitzenkandidaten in Mecklenburg-Vorpommern ungehindert weitergehen will, wird ihm die Affäre permanent auf die Füße fallen. Die Angriffsfläche Käuflichkeit oder Lobbyismus, die ihm nun angeheftet wird, ist zu groß, als dass der politische Gegner sie verfehlen könnte. Wenn sich der vermeintliche "CDU-Jungstar" aber eine Zeit lang durch die Mühen der Ebene arbeitet, Politik macht, kann er die Vergangenheit bestimmt überwinden.

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Dafür muss er jedoch Inhalte liefern und mehr sein als ein Symbol für vergangene Tage. Seine Popularität beruht nicht auf politischen Initiativen, konservativen Visionen oder zumindest neuen Ideen, wie einst die Steuerreform auf dem Bierdeckel des jungen Friedrich Merz. Philipp Amthor ist primär wegen seiner bespöttelten Auftritte bekannt, insbesondere wegen seines vielfach veralberten Versuchs, dem YouTuber Rezo ("Hi Rezo, du alter Zerstörer."), das Wasser zu reichen, sowie seiner unbestreitbaren rhetorischen Fähigkeiten, mit denen der Rechtswissenschaftler schon ein um das andere Mal publikumswirksam die AfD im Bundestag auseinandergenommen hat. Doch auch Eloquenz allein reicht nicht aus, und so gilt er den meisten bloß als konservativer Exot, den Journalist*innen auf ihrer verkrampften Suche nach Counterparts für Grünen-, Linken- und SPD-Politiker*innen andauernd anfragen und hypen.

Wer jedoch ohne Substanz und Inhalte trotzdem dauerhaft öffentliche Aufmerksamkeit erfährt, sollte sich Sorgen machen. Solche Personen drohen zum reinen Medienprodukt zu werden. Und das ist gefährlich. Die Vergangenheit zeigt viele Beispiele von scheinbaren Stars und Sternchen, die genauso rasch vergessen werden, wie sie gehypt wurden. Ohne Leistung fehlt das Fundament – und ohne Fundament droht irgendwann das Versinken im Untergrund.

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