"Freibrief für Kriminelle" Corona-Krise: Berliner Justiz setzt Haftbefehle aus
Der Berliner Justizvollzug setzt ab sofort wegen der Corona-Krise zahlreiche Freiheitsstrafen aus. Ein Skandal, findet der CDU-Innenpolitiker Marc Henrichmann.
Die Justizvollzugsbehörden im Land Berlin setzen die Vollstreckung zahlreicher Freiheitsstrafen aus, um personell für die Corona-Krise gewappnet zu sein. Ab Freitag, 20. März 2020, wird die Vollstreckung von "rechtsmäßig verhängten Freiheitsstrafen von weniger als drei Jahren" bis zum 15. Juli 2020 aufgeschoben, wie es in einer e-Mail der Senatsjustizverwaltung an t-online.de heißt.
Dies gelte für verurteilte Personen, die sich nicht bereits in Untersuchungshaft befänden. Darüber hinaus dürfe keine Vollstreckungsverjährung drohen und es dürften keine "zwingenden Gründe im Einzelfall" dagegensprechen. Auch Ersatzfreiheitsstrafen und den Jugendarrest lockert die Senatsverwaltung.
"Solche Täter gehören sofort hinter Gitter"
Der CDU-Innenexperte und Bundestagsabgeordnete Marc Henrichmann kritisiert die Entscheidung vom 16. März scharf. "Es ist skandalös: Unter den Strafrahmen bis zu drei Jahren fallen unter Umständen auch schwere Delikte wie Kindesmissbrauch, schwere Körperverletzung oder Drogenhandel", sagt Henrichmann in einer Stellungnahme, die t-online.de vorliegt. Der Politiker arbeitet selbst als Jurist. "Solche Täter gehören sofort hinter Gitter und nicht auf die Straße, auch nicht in Zeiten der Corona-Krise", sagt er.
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Würde eine gesuchte Person „im Zusammenhang mit anderen polizeilichen Maßnahmen“ angetroffen, sei „dieser Haftbefehl ebenfalls nicht zu vollstrecken“. Henrichmann spricht von einem "Freibrief auf Zeit für Kriminelle". Dem Rechtsempfinden und dem Sicherheitsbedürfnis der Bürgerinnen und Bürger sei dies nicht zu vermitteln.
Alle Menschen, die sich derzeit im Jugendarrest in der Jugendarreststrafanstalt Berlin-Brandenburg befinden, werden am 22. März entlassen. Das hat die Berliner Senatsverwaltung gemeinsam mit dem brandenburgischen Justizministerium beschlossen. 19 junge Männer und eine junge Frau kommen demnach vorerst frei.
- Eigene Recherchen