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Ramelow-Vorstoß in Thüringen: Die überrumpelte CDU will schnelle Neuwahlen verhindern


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Linke-Vorstoß in Thüringen
Ramelow stellt die Ohnmacht der CDU bloß

Eine Analyse von Patrick Diekmann

Aktualisiert am 18.02.2020Lesedauer: 5 Min.
Bodo Ramelow, der ehemalige Ministerpräsident von Thüringen, hat in der politischen Krise in dem Bundesland die CDU ausmanövriert.Vergrößern des Bildes
Bodo Ramelow, der ehemalige Ministerpräsident von Thüringen, hat in der politischen Krise in dem Bundesland die CDU ausmanövriert. (Quelle: imago-images-bilder)

Nach dem Ramelow-Schachzug

Einen Tag nach der nächsten Wendung im Thüringen-Krimi steckt die CDU in einem Dilemma. Ihre Thüringer Landtagsfraktion hat sich für eine längerfristige Übergangsregierung mit Christine Lieberknecht an der Spitze ausgesprochen. Mit dieser Lösung will die Partei aber vor allem eines: schnelle Neuwahlen verhindern, bei der die CDU wahrscheinlich massiv verlieren würde.

Die Union wurde von Bodo Ramelow in die Enge getrieben, dem linken Derzeit-nicht-Regierungschef ist am Montagabend ein Coup gelungen: Die Linke bot der CDU übergangsweise das Ministerpräsidentenamt an. Ramelow schlug vor, dass seine Amtsvorgängerin Christine Lieberknecht, die für die CDU bereits von 2009 bis 2014 Regierungschefin in Thüringen war, das Amt für 70 Tage übernehmen und das Land zu Neuwahlen führen sollte.

Für die CDU war es in einem Spannungsfeld zwischen staatspolitischer Verantwortung und katastrophaler Umfragewerte in Thüringen ein vergiftetes Angebot, dem sie aus Angst vor Neuwahlen so nicht zustimmen wollte. Aber da es um eine Kandidatin aus den eigenen Reihen geht, konnte sie es auch nicht komplett ausschlagen. Die Partei stand unter Zugzwang, musste auf den Vorstoß der Linken reagieren.

Durch ihren Wunsch nach einer längerfristigen Lösung mit Lieberknecht könnte die CDU am Ende als die Partei dastehen, die aus Furcht vor Neuwahlen den politischen Stillstand in Thüringen in Kauf nimmt. Die Linke kann den CDU-Vorschlag eigentlich nicht akzeptieren: Dafür ist sie in den Umfragen zu stark, die CDU zu schwach. Und dafür ist der frühere Ministerpräsident Ramelow auch zu beliebt.

Vorteile liegen auf der Hand

Laut dem Plan der Linken-Fraktion, den sie am Montagabend im Thüringer Landtag Abgesandten der CDU vorstellte, sollte der Landtag Anfang März aufgelöst werden. Die CDU-Politikerin Lieberknecht sollte das Land für 70 Tage bis zu Neuwahlen regieren. Ihre Regierung sollte aus drei Ministern bestehen (Finanzen, Justiz und Leitung der Staatskanzlei), die von Linken, SPD und Grünen gestellt werden.

Die Vorteile lägen auf der Hand: Thüringen wäre von der politischen Lähmung befreit und würde bis zu den Neuwahlen stabil regiert werden. Alle Parteien würden das Gesicht wahren, CDU und FDP würden wie versprochen, nicht Ramelow zum Ministerpräsidenten wählen. Linke, SPD und Grüne hätten die Aussicht auf eine stabile rot-rot-grüne Regierung in knapp zweieinhalb Monaten, denn die aktuellen Umfragen sagen eine deutliche Mehrheit für das Bündnis voraus.

Lieberknecht und Ramelow haben ein gutes Verhältnis

Es kommt hinzu, dass Lieberknecht eine Gegenspielerin des geschassten Thüringer CDU-Parteichefs Mike Mohring war, was sicherlich einigen CDU-Abgeordneten in der Fraktion gefallen dürfte. Die CDU unter Mohring hatte am 5. Februar den FDP-Politiker Thomas Kemmerich zusammen mit AfD und FDP zum Ministerpräsidenten gewählt. Der Aufschrei, dass ein Ministerpräsident mit Hilfe von Rechtsradikalen gewählt wurde, war deutschlandweit riesig – der politische Schaden ist vor allem für CDU und FDP beträchtlich. Als CDU und FDP das erkannten, trat Kemmerich zurück. Das politische Chaos in dem Bundesland ging weiter, auch Mohring kündigte seinen Rückzug an.

Die Zusammenarbeit zwischen Linken und CDU in Thüringen könnte aber vor allem aus einem anderen Grund funktionieren: Lieberknecht und Ramelow haben ein sehr gutes Verhältnis zueinander, auch privat. Beide gelten als christlich-bodenständig, besuchen sich gegenseitig auf größeren Familienfeiern – sie kam zu seiner Hochzeit, er feierte mit ihr auf ihrem 60. Geburtstag. Wenn zwei Politiker in der Bundesrepublik ein Bündnis zwischen der Union und der Linken schmieden könnten, wären Ramelow und Lieberknecht dafür passende Kandidaten.

Fällt das Kooperationsverbot?

Ramelow hat vor allem versucht, Thüringen aus der Falle des CDU-Unvereinbarkeitsbeschlusses zu steuern. Mit diesem hat sich die CDU laut einem Parteitagsbeschluss selbst verboten, mit der AfD und der Linken zu kooperieren oder zu koalieren. Die Partei wehrt sich dagegen, in Thüringen mit Ramelow zusammenzuarbeiten – trotz seiner Beliebtheit innerhalb der Bevölkerung in dem Bundesland.

Doch eigentlich verstieß die CDU schon mit der Wahl von Kemmerich mit Hilfe der AfD-Stimmen gegen ihren eigenen Beschluss. Inzwischen scheint die Abgrenzung nach links in Thüringen nicht mehr unumstritten zu sein. In einem einstimmigen Beschluss des CDU-Präsidiums vom 7. Februar ist von einem Kooperationsverbot der CDU mit den Linken nicht mehr die Rede:

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Das Problem ist allerdings, dass diese Frage die Partei spaltet. Eher konservative Stimmen sehen eine mögliche schwarz-rot-rot-grüne Übergangsregierung als Unterwanderung der Unvereinbarkeitsvereinbarung.

Lieberknecht erklärt sich offenbar zur Übernahme des Amtes bereit

Auf der anderen Seite möchte die CDU natürlich Neuwahlen vermeiden. Laut aktuellen Umfragen würde sie bei einem erneuten Urnengang die Hälfte ihrer Mandate verlieren. Im Prinzip hatte man deshalb auf eine Regierung gehofft, die länger im Amt bleibt.

Der Vorstoß der Partei am Dienstagabend ist der Versuch, der Zwickmühle zu entkommen. Die Fraktion geht nur teilweise auf den Vorschlag von Ramelow ein. "Wir greifen den Vorschlag auf, Christine Lieberknecht zur Ministerpräsidentin wählen zu lassen", sagte Mohring. Für Stabilität brauche es jedoch eine Übergangsregierung, die "vollständig besetzt und parteiübergreifend von berufenen Experten bestellt wird."

Außerdem erklärte die CDU, dass eine Regierung mit parteiübergreifenden Experten dafür sorgen könne, dass für 2021 ein Thüringer Haushalt aufgestellt wird. Sei der unter Dach und Fach und das Land damit auch im kommenden Jahr handlungsfähig, seien Neuwahlen möglich. Man sehe darin einen Weg zu Stabilität, den "überhastete Neuwahlen" nicht bringen würden, sagte ein Abgeordneter. Dabei geht es den CDU-Abgeordneten aber vor allem um die Stabilität der eigenen Partei.

Der Vorschlag, Lieberknecht als Übergangslösung zu wählen, schien die CDU zunächst überrumpelt zu haben. Eine Reaktion der CDU kam erst Dienstagmittag. "Das ist ein spannender Vorschlag", erklärte Mike Mohring. Er sei in der CDU-Fraktion mit Respekt bewertet worden. "Die CDU steht im engen Kontakt mit Lieberknecht und will dazu beitragen, dass Thüringen wieder zu stabilen politischen Verhältnissen kommt."

Doch Ramelow setzte die CDU weiter unter Druck. "Ich habe heute um 7 Uhr lange mit Frau Lieberknecht telefoniert", sagte er am Dienstagnachmittag. "Sie steht zur Verfügung." Sie habe gesagt, wenn ihr Einsatz helfe, den "Gordischen Knoten" zu durchschlagen, sei sie dazu bereit. Lieberknecht selbst will sich erst nach dem Treffen der CDU-Fraktion äußern, ein Statement wird gegen Dienstagabend erwartet.

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Der Retter Thüringens

Auf der einen Seite möchte Ramelow natürlich die politische Krise in Thüringen lösen. Allein davon würde die Linke politisch profitieren, denn sie könnte sich im Wahlkampf als Retter verkaufen – und das zu Recht. Hinzu kommt natürlich auch das Kalkül, dass die Partei von ihrem aktuellen Höhenflug in dem Bundesland profitieren möchte. Sie steht in Umfragen momentan zwischen 39 und 40 Prozent. Das wäre ein Ergebnis, das eine mögliche Regierungsbildung einfacher machen würde. Die Linke könnte damit auf eine Regierung allein mit der SPD spekulieren.

Das schmälert jedoch nicht die Geste Ramelows, zunächst einmal auf das Amt verzichtet zu haben. Er wäre der Landesvater, der in der Krise staatstragend und verantwortungsvoll gehandelt hat. Die CDU stünde in jedem Fall am Ende als Verlierer da , egal, wie sie sich entscheidet. Denn auch wenn sie das Risiko einer baldigen Neuwahl noch eingehen würde, wäre das angesichts des ganzen Kemmerich-Durcheinanders von den Wählern wahrscheinlich nicht honoriert worden. Auch Grüne und FDP sind im Prinzip gegen Neuwahlen, denn sie drohen dann aus dem Landtag zu fliegen.

Doch der Vorstoß von Ramelow hat sie ausmanövriert. Der Ball lag im Feld der CDU, ihre Entscheidung ist ein Feigenblatt für die Angst der Partei vor heftigen Verlusten, auf die Ramelow in der Form nicht einsteigen wird. Der Thüringer Politik-Krimi ist für viele überraschende Wendungen gut, das hat Ramelow Anfang der Woche erneut bewiesen. Die Reaktion der CDU zeigt nun vor allem eines: das Chaos in Thüringen geht weiter.

Verwendete Quellen
  • Liveticker: CDU Thüringen äußert Interesse an Ramelow-Vorschlag (MDR)
  • Christine Lieberknecht: Ramelows Coup (Die Zeit)
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