Syrien-Krieg und Parteienfinanzierung Sonneborn: "Es ist eine Schande"
Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Die Partei von Martin Sonneborn hat Spenden für eine kurdische Organisation in Syrien gesammelt. Die Aktion des EU-Abgeordneten kostet ausgerechnet die anderen Parteien viel Geld. Darunter auch CDU, SPD und AfD.
Auf den ersten Blick ist es Klamauk. Der Satiriker und "Die Partei"-Chef Martin Sonneborn steht am Dienstagnachmittag vor dem Konrad-Adenauer-Haus in Berlin. In den Händen hat er einen großen Check über 250.000 Euro. Darauf steht "Danke CDU. Danke SPD".
Bestimmt ist der Scheck für Heyva Sor a Kurdistane, den Kurdischen Roten Halbmond. Dies ist eine humanitäre Hilfsorganisation, die im Norden Syriens aktiv ist und dort medizinische Hilfe in der Krisenregion leistet. Die Übergabe ist symbolisch, das Geld wird eigentlich überwiesen.
Der Kassenwart der Organisation in Deutschland, Vahdettin Kilic, freute sich über das Geld und dankte der Partei und den Spendern. So große Spenden bekomme er sonst nicht und obwohl es so viel sei, seien die 250.000 Euro nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Die CDU-Zentrale als Übergabeort hat Sonneborn bewusst gewählt. Der Abgeordnete im Europaparlament möchte auf die Lage der Kurden in Syrien aufmerksam machen. Die Spendenaktion zeigt aber auch, wie einfach öffentliche Gelder indirekt über die Parteienfinanzierung an Organisationen und Projekte fließen können. Hinter der satirischen Fassade steckt ein ernster Hintergrund.
Beistand für die Kurden
Heyva Sor a Kurdistane gehört zu den letzten Hilfsorganisationen, die im Norden Syriens aktiv sind. Ihre Arbeit gleicht der des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). Der Kurdische Rote Halbmond ist aber keine anerkannte Nationalgesellschaft der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung. "Wir haben das Gefühl, dass niemand den Kurden beisteht", sagt Sonneborn im Gespräch mit t-online.de. "Deshalb haben wir den Menschen gleichzeitig angeboten, Kurden zu helfen und die Bundesregierung zu ärgern."
In dem Spendenaufruf der "Partei" heißt es: "Wenn Sie spenden, spenden auch CDU und SPD. Und zwar automatisch und unfreiwillig." Dazu meint Sonneborn: "Wenn sich Bundesregierung beim Thema Syrien politisch absurd verhält, können sie zumindest etwas Geld beisteuern."
Doch ganz so einfach ist es nicht. Die anderen Parteien werden nicht zum Spenden gezwungen. Sie bekommen wegen Sonneborns Aktion aber weniger Geld. Sonneborn und Die Partei nutzen für ihre Spendenaktion das undurchsichtige Feld der deutschen Parteienfinanzierung.
Jede Partei in Deutschland hat das Recht auf staatliche Zuwendungen. Dafür werden jährlich Mittel von bis zu 190 Millionen Euro bereitgestellt. Maßgebend für die Höhe der Zuwendung an eine Partei ist ihre Verwurzelung in der Gesellschaft, gemessen an den bei Europa-, Bundestags- und Landtagswahlen erzielten Stimmen, sowie die Summe ihrer selbst erwirtschafteten Einnahmen. Die Bezüge für jede Partei sind begrenzt, auf die Summe ihrer selbst erwirtschafteten Einnahmen.
Aber diese Grenze hatte Die Partei nicht erreicht. Sonneborn kann somit im Rechenschaftsbericht 2019 96 Prozent der erhaltenen Spenden im Jahr 2021 zurückfordern. Von jedem gespendeten Euro bekommt sie in zwei Jahren also 96 Cent zurück. Dieses Geld wird von den 190 Millionen Euro abgezogen und steht demnach den anderen Parteien nicht mehr zur Verfügung.
Sonneborn rechnet vor: "Bei jeden gespendeten 100 Euro gehen der CDU und der SPD jeweils 30 Euro verloren. Bei den Grünen sind es zehn, bei der AfD vier oder fünf Euro. Helfen und ärgern, genau mein Ding." Was jedoch bei Sonneborn etwas wie ein Streich klingt, wirft auch Licht auf die Intransparenz der deutschen Parteienfinanzierung.
"Habe deutsche Waffen und Panzer im Einsatz gesehen"
Auch Sonneborn kann nicht mit Gewissheit sagen, was die kurdische Hilfsorganisation mit den Geldern macht. "Ich verlasse mich darauf, dass sie das Geld vernünftig einsetzen. Ich habe Bilder von Leuten gesehen, die Kindern und Verwundeten helfen. Ich kann das aber nicht überprüfen", meint Sonneborn zu t-online.de. "Ich kann nicht nach Syrien fahren. Aber so viel Vertrauen bringe ich gegenüber der Organisation auf. Ich habe zu viele Bilder gesehen, wie von der Türkei unterstützte Soldateska unter "Allahu akbar"-Rufen Menschen tötet. Ich habe auch wieder deutsche Waffen und deutsche Panzer im Einsatz gesehen."
Sonneborn hat durch die Aktion die Möglichkeit, gleichzeitig den öffentlichen Fokus zwei unterschiedliche Themen zu lenken. Die Offensive des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan kritisierte er zuletzte mit den Worten: "Der irre Faschist vom Bosporus bombardiert kurdische Zivilisten."
- Tagesanbruch: Die Macht des Siegers
- Krieg in Syrien: Jetzt beginnt der Kampf um das Öl
- Erdogans Syrien-Offensive: Der Fluch der Verräter
- Deutsch-Türken und Erdogans Feldzug: Es herrscht Kriegslust
Erschüttert zeigt sich Sonneborn aber vor allem von der Reaktion der Bundesregierung. "Wenn CDU und SPD ein EU-weites Waffenembargo gegen die Türkei verhindern, dann empört mich das", sagt der EU-Abgeordnete t-online.de. "Es ist eine Schande, einen Nato-Partner, der durchdreht und in andere Länder einfällt, nicht zu kritisieren."
Die Spendenaktion musste die Partei allerdings einstellen. Der Haken an der Parteienfinanzierung ist, dass die Partei das Geld, was sie nun als Spende an den Kurdischen Roten Halbmond vorstreckt, erst im Jahr 2021 zurück bekommt. Die Leute sollten nun keine Spenden mehr schicken, sonst würde die Partei pleite gehen.
Das ist aber wiederum Klamauk.
- Mit Material der dpa
- Eigene Recherche