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Chinesisch-Deutsche Beziehungen liegen auf Eis


"Diplomatisches Tiefkühlfach"
Chinas Außenminister macht Bogen um Deutschland

dpa, Andreas Landwehr und Michael Fischer

23.10.2019Lesedauer: 4 Min.
2018 traten Heiko Maas und Wang Yi noch gemeinsam vor die Presse (Archivbild): Der chinesiche Außenminister hat seinem deutschen Kollegen nun zum zweiten Mal einen Korb erteilt.Vergrößern des Bildes
2018 traten Heiko Maas und Wang Yi noch gemeinsam vor die Presse (Archivbild): Der chinesiche Außenminister hat seinem deutschen Kollegen nun zum zweiten Mal einen Korb erteilt. (Quelle: Ralf Hirschberger/dpa-bilder)

Seit dem Treffen von Heiko Maas und dem Hongkonger Protestführer Joshua Wong sind die chinesisch-deutschen Beziehungen merklich abgekühlt. Der chinesische Außenminister ließ nun erneut einen Termin platzen.

Chinas Außenminister macht einen Bogen um Berlin. Auf seiner Europareise in dieser Woche sollte Wang Yi eigentlich die deutsche Hauptstadt besuchen, um mit seinem Amtskollegen Heiko Maas den regelmäßigen "strategischen und sicherheitspolitischen Dialog" zu führen. Aber Chinas Top-Diplomat machte nur in zwei Nachbarländern Station: Erst ging es nach Frankreich, dann in die Schweiz.

Es war nicht das erste Mal, dass der chinesische Außenminister Maas einen Korb gab. Schon in der letzten Septemberwoche ließ er ein gemeinsames Frühstück am Rande der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York platzen.

Konsequenzen des Treffens mit Wong

Der Grund ist offensichtlich die Begegnung zwischen dem SPD-Politiker und dem jungen Anführer der prodemokratischen Bewegung in Hongkong, Joshua Wong, am 9. September auf einer Veranstaltung in Berlin. China sah eine "schwere Einmischung in die inneren Angelegenheiten". Erstmals seit vielen Jahren wurde sogar der deutsche Botschafter ins Pekinger Außenministerium bestellt. Von "Konsequenzen" war die Rede.

Die lässt China Deutschland nun spüren. Es ist Teil eines Rundumschlags, mit dem Peking die weltweiten Sympathien für die Demonstranten in Hongkong eindämmen will. Das prominenteste Opfer ist die US-Basketball-Liga NBA. Der Manager der Houston Rockets, Daryl Morey, hatte sich den Ärger Pekings zugezogen, als er ein Bild mit den Worten "Fight for Freedom, Stand with Hong Kong" (Kämpft für die Freiheit, unterstützt Hongkong) getwittert - und später wieder gelöscht - hatte.

Chinas Basketballverband kündigte die Zusammenarbeit mit dem NBA-Team auf. TV-Übertragungen wurden abgesagt. Chinesische Unternehmen beendeten ihre Geschäftsbeziehungen mit der NBA. Es soll sogar verlangt worden sein, dass Morey gefeuert wird. Doch der Chef der Liga, NBA-Commissioner Adam Silver, bleibt trotz beträchtlicher finanzieller Verluste standfest. "Wir wollten, dass wirklich jeder versteht, dass wir freie Meinungsäußerungen unterstützen."

Selbst-Schädigung Chinas?

"Den Stein hochheben, nur um ihn auf seinen Fuß fallen zu lassen", bemühen Kritiker des chinesischen Vorgehens ein bekanntes Sprichwort, um zu sagen, dass sich Peking damit nur selber schadet. "Je mehr Freunde China zu Feinden macht, umso einfacher wird es für die USA, eine breite Koalition aufzubauen, um Chinas Macht und Ambitionen einzudämmen", schreibt der kritische amerikanische China-Professor Minxin Pei bei "Project Syndicate".

Bisher galt Bundeskanzlerin Angela Merkel als beste Freundin Chinas in Europa. Deutschland ist mit Abstand der größte chinesische Handelspartner in Europa - und ein wichtiger Technologielieferant. Im Handelskrieg der USA mit China wächst Deutschlands wirtschaftliche Bedeutung für China noch. Als Entgegenkommen Chinas wurde während des Besuchs der Kanzlerin Anfang September in Peking darüber diskutiert, ob Lieferungen deutscher Autobauer wie BMW und Mercedes aus Werken in den USA nach China von Strafzöllen ausgenommen werden könnten. Aber seither herrscht Funkstille.

Diplomatische und wirtschaftliche Druckmittel

"Es ist in der Tat so, dass wir jetzt für eine Weile in das diplomatische Tiefkühlfach gesteckt worden sind", sagt Mikko Huotari vom Mercator Institut für China-Studien in Berlin. Eigentlich würde man vermuten, dass China als Großmacht immer souveräner im Umgang mit Kritik seiner Partnern wird. Aber das Gegenteil sei der Fall, sagt Huotari.

Er hält es durchaus für möglich, dass auch deutsche Unternehmen die Verärgerung Chinas über das Agieren der Bundesregierung in der Hongkong-Frage zu spüren bekommt. "Es passt in die Logik der chinesischen Außenpolitik, dass man auch über wirtschaftliche Druckmittel versucht, seine Ziele zu erreichen", sagt er. "Und es wäre ungewöhnlich, wenn Deutschland davon verschont bliebe."

Auch die in China aktiven Unternehmen sehen die Problematik. "Ich persönlich finde es ja gut, dass Maas den Joshua Wong empfangen hat", sagt ein Manager eines deutschen Großkonzerns. "Aber es ist vielleicht nicht gut fürs Geschäft."

Ein anderer führender Wirtschaftsvertreter sagt dagegen, er sehe keine Hinweise, dass der Streit der deutschen Wirtschaft wirklich schadet. Im Gegenteil: "Es wird uns gegenüber immer betont, wie stark China an der Wirtschaftskooperation mit Deutschland interessiert ist." Unter der Hand werde zudem signalisiert, dass alles andere nur "politisches Schauspiel" sei.

Umweltministerin Schulz in Peking

Als erstes Mitglied der Bundesregierung seit Ausbruch der Verstimmung wird Umweltministerin Svenja Schulze Anfang nächster Woche nach Peking reisen. Die SPD-Politikerin kann testen, wie weit die Auswirkungen des Treffens zwischen Maas und Wong wirklich reichen.

Allerdings gibt es ein Kooperationsforum, das vielleicht wirklich leiden dürfte: Der deutsch-chinesische Menschenrechtsdialog, der ebenfalls diesen Monat geplant war. Plötzlich hakt es mit einem Termin, was den Eindruck erweckt, als ob die Kontroverse als Vorwand dient, den in Peking ohnehin ungeliebten Menschenrechtsdialog zu verschieben.


China-Experte Huotari warnt die Bundesregierung trotzdem davor, den Kurs in der Hongkong-Frage zu ändern. Man dürfe sich nicht erpressbar machen, sagt er. "Es kann hier keinesfalls darum gehen, eine Entschuldigung zu äußern für das, was da passiert ist. Das wäre ein schweres Einknicken und würde ein schlechtes Zeichen für die Zukunft setzen."

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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