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Erderwärmung: Hurra, die Welt geht unter! Was die Klimakrise Gutes bewirkt


Klimadebatte weltweit
Hurra, die Welt geht unter – was die Klimakrise Gutes bewirkt


Aktualisiert am 20.09.2019Lesedauer: 4 Min.
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20.000 Schüler demonstrieren in Aachen für eine bessere Klimapolitik: Trotz aller Klimakrise ist das doch wahrlich ein Grund, sich zu freuen.Vergrößern des Bildes
20.000 Schüler demonstrieren in Aachen für eine bessere Klimapolitik: Trotz aller Klimakrise ist das doch wahrlich ein Grund, sich zu freuen. (Quelle: imago-images-bilder)

Überall ist Alarm ums Klima – doch neben all den Hiobsbotschaften hat die Klimakrise auch etwas Gutes. Und damit meint unser Autor Daniel Schreckenberg keinen Tropenurlaub an der Nordsee.

Am 12. Dezember 2015 wurde womöglich der Untergang der Welt besiegelt – und was haben Sie gemacht? Große historische Ereignisse fräsen sich ja bekanntlich in das Bewusstsein des Menschen. Sie hören 11. September – und sind ganz automatisch in den Moment zurückversetzt, in dem Sie die einstürzenden Zwillingstürme in New York gesehen haben. Dass das nicht nur mit Tragödien geht, werden ältere Semester belegen, haben sie doch ganz bestimmt den Ausruf eines TV-Reportes in den Ohren, wenn sie Bern und '54 lesen.

Und was war nun am 12. Dezember 2015? Da kam die Weltpolitik in Paris zusammen. Sie hatte da schon mehrere Wochen über verbindliche Klimaziele gerungen. Das Ergebnis: Das Klimaabkommen von Paris – 175 Staaten unterzeichneten das Papier und versprachen, die Erderwärmung auf eineinhalb Grad zu reduzieren. Doch niemand hielt sich daran – und Strafen für Klimasünder gab es auch keine. In 30 Jahren, wenn die Polkappen geschmolzen, die Wälder des Amazonas verbrannt, und die Dürre in Deutschland zur Gewohnheit geworden sein wird, müsste man also auf den 12. Dezember zurückblicken und feststellen: Das musste der Anfang von allem Ende gewesen sein.

Vier Jahre später – am Montag, dem 23.September – steht wieder so etwas wie ein Klima-Showdown an – diesmal in New York. In der Generalversammlung der Vereinten Nationen soll die Rettung der Menschheit vor der Erderwärmung wieder Thema sein. Und das ist bitter nötig. Denn der Zustand unseres Planeten hat sich in den letzten Jahren nicht gebessert:

Es hat sich etwas geändert

Doch inmitten dieser Klimakrise hat sich etwas geändert. Denn bei all den Hiobsbotschaften, bei all dem Streit und bei all den trägen Entscheidungen der politischen Eliten hat sie auch Gutes bewirken können. Hurra, die Welt geht unter, könnte man meinen, denn unser Blick auf die Welt hat sich seit Paris grundlegend geändert. Und damit ist nicht der Ausblick auf einen baldigen Tropenurlaub an der Nordsee gemeint.

Ein paar Beispiele:

Vorbei sind die Zeiten, in denen sich die Politiker über die Politikverdrossenheit der Leute beklagen können. Antikriegs-, Montags-, Umweltdemos waren lange nur etwas für hartgesottende Weltverbesserer. Dort verbarrikadierten sich ein paar Dutzend Umweltschützer in vom Braunkohle-Abbau bedrohten Wäldern, da ketteten sich ein paar Unerschrockene an Bahngleisen fest, um den nächsten Castor-Transport zu stoppen. Heute gehen tausende Schüler vor jedem Wochenende für den Klimaschutz auf die Straße. Alleine an diesem Freitag sind in 400 Städten Klimaproteste angemeldet.

Und der Ruf nach Veränderung schallt nicht nur über die Straße, er wird auch an Orte getragen, die lange Zeit immer weniger Menschen für sich begeistern konnten: die Orts- und Kreisverbände der Parteien. So konnten die Grünen sich jüngst über einen neuen Rekord freuen. Mehr als 75.000 Menschen sind mittlerweile Mitglied in der Partei – über 15 Prozent mehr als im Vorjahr. Zum Vergleich: Zwar sind SPD und Union mit über 400.000 Mitgliedern noch immer mit weitem Abstand die mitgliederstärksten Parteien – doch anders als bei den Grünen schrumpft bei ihnen die Zahl der Anhänger.

Und auch sonst scheint die Welt durch die Klimakrise politisierter. Die Menschen debattieren – und haben wieder eine Meinung. Die muss nicht unbedingt eine für mehr Klimaschutz sein. Aber seien wir einmal ehrlich: Die Zahl der überzeugten Klimakrisenleugner ist verschwindend gering.

Popstars gibt es jetzt auch bei den Klimaschützern

Neu ist auch eine neuartige Form von Umweltprominenz: Da stellt sich ein 16 Jahre altes Mädchen aus Schweden jeden Freitag vor das Parlament und will ein Nachdenken erzwingen. Kein Jahr danach stehen Tausende in Berlin vor dem Kanzleramt, genauso viele folgen ihrem Vorbild in Melbourne und New York. Greta Thunburg ist zum Popstar geworden.

Sie wird geliebt und gehasst, wie es sonst nur die ganz Großen zu spüren bekommen. Und jeder, der sich mit ihr auseinandersetzt, setzt sich nicht mit Fußball, nicht mit Schminktipps oder der nächsten Sternchenhochzeit und auch nicht mit dem nächsten Kinoblockbuster auseinander, sondern mit Umweltzerstörung, Artensterben oder Flugverbote.

Schlechtes Gewissen führt zu neuer Sprache – und neuen Autos

Normalerweise dauert es viele Jahre, bis sich neue Wörter in den Sprachgebrauch schleichen. Beim Fliegen ging es dagegen ganz schnell – oder hatte vor einem Jahr schon einmal jemand von Flugscham gehört? Ist es nicht gut, dass Menschen mittlerweile ein schlechtes Gewissen haben, wenn sie für den Billig-Urlaub nach Asien düsen. Und selbst wenn dadurch noch nicht weniger geflogen wird. Es ist ein Schritt – und daraus können noch weitere werden.

Ein schlechtes Gewissen haben wahrlich auch die deutschen Autobauer. Zuletzt zeigte sich das auf der Internationale Automobil-Ausstellung: War die in den letzten Jahrzehnten gerne eine Pferdestärken- und Zylinder-Protzschau, zeigte sie sich dieses Mal ganz in einem grünen Gewand. So viele E-Autos wie 2019 sind von deutschen Autotüftlern nie zuvor zur Serienreife konstruiert worden.

Schlechtes Gewissen – das trägt sich sogar bis in die Politik. Und damit auch zum wohl positivsten Effekt, den die Klimakrise hat. Denn mittlerweile nimmt sie jeder Politiker in Deutschland ernst. Zwar brauchte es dafür noch einen kleinen Erdrutschsieg der Grünen bei der Europawahl. Doch seitdem präsentiert sich sogar Markus Söder als Naturschützer. Kaum zu glauben, dass der Klimaprotest mittlerweile die Politik so vor sich her zutreiben vermag, dass diese mit einem eigens eingesetzten Klimakabinett sogar (halb)-konkrete Beschlüsse treffen.

Und diese könnten in New York noch einmal vorgoldet werden. Die Weltgemeinschaft wird vier Jahre nach Paris noch einmal Pläne für den Ausweg aus der Klimakrise finden müssen – viel Zeit haben wir nicht mehr. Aber wenn es selbst in Deutschland wieder Grund zur Hoffnung gibt? Merken Sie sich also besser, wo Sie am 23. September gewesen sind. Es könnte sein, dass irgendwann mal jemand danach fragt.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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