Spitzentreffen der Koalition Endspiel um die Klimakrise
Deutschland hinkt bei seinen Klimazielen weit hinterher. Um das zu ändern, kommen Union und SPD zum Spitzentreffen zusammen. Lösungen müssen her – doch die Streitpunkte sind groß.
Die Konzepte liegen auf dem Tisch, nun stehen politische Entscheidungen an – von großer Tragweite. Es geht darum, wie genau Deutschland seine Klimaziele einhalten kann. Denn das Land hinkt hinterher, den eigenen Ankündigungen und den EU-Pflichten. Um das zu ändern – und den Demonstranten von "Fridays for Future" etwas vorweisen zu können –, will die große Koalition aus Union und SPD das komplizierte Geflecht von Steuern und Abgaben umbauen, Milliarden an Fördergeldern und Steuer-Boni ausschütten und den Ausstoß des klimaschädlichen Treibhausgases CO2 verteuern.
Am Freitagabend tagen erneut die Koalitionsspitzen. Am 20. September will die Regierung, genauer gesagt das sogenannte Klimakabinett, ein "Gesamtpaket" vorlegen.
In vielem sind die Koalitionspartner schon einig oder schrauben nur noch an Details. Die Bahn wollen sie über eine Mehrwertsteuersenkung für Tickets im Fernverkehr attraktiver und günstiger machen, den öffentlichen Personennahverkehr ausbauen. Wer in neue Fenster, ein neues Dach oder eine neue Heizung investieren und sein Haus damit klimafreundlicher gestalten will, darf sich auf einen Steuernachlass und eine Abwrackprämie für Ölheizungen freuen. Auch in die Elektromobilität wollen Union und SPD mehr Geld stecken.
An anderer Stelle gibt es noch keine Einigung:
Zoff um den CO2-Preis: Alle Förderprogramme und Anreize zusammen werden nicht ausreichen, um bis 2030 den CO2-Ausstoß wie geplant um 55 Prozent zu senken im Vergleich zu 1990. Deshalb sollen Diesel, Benzin und Heizen mit Öl und Erdgas teurer werden. Im Ziel sind sich Union und SPD weitgehend einig – und auch darin, dass die Bürger an anderer Stelle entlastet werden sollen. Aber wie soll das passieren?
Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) warb lange für einen CO2-Preis über eine Erhöhung der Energiesteuern, der recht schnell umsetzbar wäre. Das eingenommene Geld soll aber nicht ins Säckel des Staates wandern, sondern als "Klimaprämie" zurückgehen an die Bürger. Auch Unternehmen sollen etwas zurückbekommen, zum Beispiel über Förderprogramme. Der CO2-Steueraufschlag könnte bereits ab 2020 erhoben werden und dann schrittweise steigen.
Erst soll gefördert werden – dann wird es teurer
Die Union dagegen will auf keinen Fall das Wort "Steuererhöhung" im Klimakonzept stehen haben. Sie setzt auf einen anderen Weg: fossile Kraft- und Heizstoffe sollen über einen nationalen Handel mit CO2-Verschmutzungsrechten auch im Verkehr und bei Gebäuden teurer gemacht werden. Ein solches System gibt es bereits für die Energiewirtschaft und Teile der Industrie auf EU-Ebene. Im Endeffekt bewirkt auch so ein Handel, dass Tanken und Heizen teurer wird. Die SPD hat Kompromissbereitschaft signalisiert, wenn im Handel eine Ober- und Untergrenze für den Preis eingezogen wird. Das will auch die Union.
Vor allem die CSU aber dringt auf eine Übergangsphase – damit Wirtschaft und Verbraucher Zeit haben, sich auf einen CO2-Preis einzustellen. Erst solle gefördert werden, zum Beispiel neue Technologien, dann erst solle es teurer werden.
Die Angst: Weite Teile der Bevölkerung – etwa Pendler – könnten vor den Kopf gestoßen werden, wenn Sprit- und Heizkosten sofort erhöht werden. Die Menschen müssten mitgenommen werden, meint die CSU. Im Hintergrund heißt es, der AfD dürfe keine "Steilvorlage" geliefert werden.
Zoff um die Finanzierung: Die Kosten der Vorschläge für mehr Klimaschutz summieren sich auf rund 50 Milliarden Euro – also etwa für eine mögliche Abwrackprämie für alte Ölheizungen, für die energetische Gebäudesanierung oder die Mehrwertsteuersenkung bei der Bahn. Unklar ist, wie sich die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung entwickeln, die dann pro Kopf (SPD) oder vor allem über eine Senkung der Strompreise (Union) an die Bürger zurückgehen sollen.
Bürger geben Geld für Klimaschutz
Woher also sollen die Milliarden kommen? Bisher hält die Koalition an der "schwarzen Null" fest, einer Politik ohne neue Schulden. Außerdem liegen im bereits bestehenden Energie- und Klimafonds noch ein paar Milliarden. Das wird aber nicht reichen. In Konzepten von Union und SPD ist deswegen die Rede davon, die Bürger anzupumpen. Die CSU spricht von einer "Klimaanleihe", Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) von einer "Bürger-Anleihe".
Das Prinzip: Der Staat gibt fest verzinste Anleihen heraus, um für Projekte zum CO2-Sparen privates Kapital von Wirtschaft und Privatleuten zu mobilisieren. Nur wären dies am Ende auch Schulden des Staates – der sich derzeit angesichts extrem niedriger Zinsen am Kapitalmarkt eigentlich günstigeres Geld besorgen könnte.
Zoff um Klimaschutzgesetz: Umweltministerin Schulze will Verantwortlichkeiten beim CO2-Sparen klar den einzelnen Ressorts zuteilen, also etwa dem Verkehrsminister oder der Landwirtschaftsministerin. Ein "Rahmengesetz" soll für Sektoren wie Energieerzeugung, Industrie, Landwirtschaft, Gebäude und Verkehr verbindliche Budgets an Kohlendioxid festschreiben. Wer sein Ressortziel nicht erreicht, dem drohen Strafzahlungen und Sofortprogramme – so müsste nicht jedes Mal wieder grundlegend verhandelt werden. Gegen diese Pläne aber gibt es großen Widerstand in CDU und CSU, weil sie vor allem unionsgeführte Ministerien treffen würden.
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Zoff um Ökostrom-Ausbau: Ziel der Koalition ist es, bis 2030 den Ökostrom-Anteil auf 65 Prozent zu steigern, gerade sind es etwa 38 Prozent. 2022 geht das letzte Atomkraftwerk vom Netz, 2038 soll spätestens Schluss sein mit dem Strom aus Kohle. Aber wie und wo genau mehr Solaranlagen und Windräder entstehen sollen, ist höchst umstritten. Denn vor Ort gibt es oft heftigen Widerstand der Anwohner. Die SPD will zum Beispiel Kommunen an den Erträgen der Windkraft beteiligen.
- Nachrichtenagentur dpa