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Umfragen vor Sachsen- und Brandenburg-Wahl: Wunderheilung der Volksparteien


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Umfragen vor den Landtagswahlen
Die Wunderheilung der Volksparteien

Eine Analyse von Jonas Schaible

Aktualisiert am 27.08.2019Lesedauer: 5 Min.
Michael Kretschmer (CDU), Ministerpräsident von Sachsen, und Dietmar Woidke (SPD), Ministerpräsident von Brandenburg, unterhalten sich: Die Umfragewerte von beiden steigen wenige Wochen vor der Wahl wieder.Vergrößern des Bildes
Michael Kretschmer (CDU), Ministerpräsident von Sachsen, und Dietmar Woidke (SPD), Ministerpräsident von Brandenburg, unterhalten sich: Die Umfragewerte von beiden steigen wenige Wochen vor der Wahl wieder. (Quelle: Robert Michael/dpa)

Der Niedergang schien unaufhaltsam, doch kurz vor den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg legen die Parteien der Regierungschefs in Umfragen zu. Wie kann das sein?

Noch vor ein paar Wochen konnte man den Umfragewerten der beiden zur Wiederwahl stehenden Ministerpräsidenten beim Fallen zusehen wie welkem Laub im Herbst. Michael Kretschmer (CDU) in Sachsen, wo seit der Wiedervereinigung immer die CDU regierte, und Dietmar Woidke (SPD) in Brandenburg, wo seit der Wiedervereinigung immer die SPD regierte, rutschten mit ihren Parteien langsam nach unten. Drei Jahre lang sanken die Werte der SPD in Brandenburg fast stetig, rund zwei Jahre lang die der CDU in Sachsen.

Doch seit kurzer Zeit ändert sich das. Die Werte drehen plötzlich, kurz vor der Wahl, in beiden Ländern. Auf einmal scheinen beide Ministerpräsidenten doch wieder gute Chancen zu haben, nicht nur Regierungschefs, sondern mit ihren Parteien auch stärkste Kraft im Land zu bleiben.

Das ist für sich genommen erstaunlich genug, dieser zweite Frühling der Volksparteien, ja, der scheinbar ewigen Regierungsparteien. Immerhin bedeuten die Wahlen das Ende der Bonner Republik und sie könnten ganz neue Regierungsbündnisse nötig machen. Immerhin liegen die Grünen bundesweit in Umfragen weit vor der SPD und sogar vor der CDU (aber hinter CDU plus CSU). Und immerhin erntet man derzeit selten Widerspruch, wenn man feststellt, dass die Skepsis gegenüber den bekannten Regierenden groß sei.

Unterschiedliche persönliche Werte

Die Parallelität der Entwicklungen ist noch erstaunlicher, wenn man die persönlichen Werte der Kandidaten vergleicht: Kretschmer war und ist ziemlich angesehen in Sachsen. Eine Mehrheit der Einwohner, sogar eine Mehrheit der Anhänger aller Parteien, der AfD-Fans wie der Linken-Anhänger, ist derzeit mit seiner Arbeit zufrieden. Woidke gehört dagegen zu den Ministerpräsidenten, mit denen eine Mehrheit im Land unzufrieden ist. Er musste als einer der wenigen SPD-Ministerpräsidenten nicht demonstrativ ausschließen, als Parteichef anzutreten, weil keiner laut nach ihm fragte.

Dass beide, Kretschmer und Woidke, rutschten und rutschten und dass beide doch den Absturz kurz vor der Wahl gebremst zu haben scheinen, hat deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht nur mit ihnen selbst zu tun – so stolz Kretschmers Wahlkampfteam auch auf seine Zuhörtour verweist –, sondern auch viel mit den Umständen.

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Der eine Umstand ist die Tatsache, dass Wähler zwar oft das Neue fordern, aber dann doch ganz gern diejenigen wählen, die sie kennen, und dass sie ungern ihre Stimme wegwerfen: Wer hat, dem wird gegeben, so ist das auch bei Wahlen oft. Amtsinhaber haben es, wenn sie sich nichts Arges haben zuschulden kommen lassen, meist leichter als Herausforderer. Die größte Partei eines Lagers zieht Stimmen auch der anderen.

Eine neue Konkurrentin

Der andere, wichtigere Umstand hat mit der großen neuen Konkurrentin zu tun, der extrem rechten AfD. Darauf deuten zumindest die Bewegungen in den Meinungsumfragen hin. Die AfD steht in Umfragen in beiden Bundesländern da wie der Baum, um den herum das Herbstlaub fällt und wirbelt.

Sie kam in einer Umfrage in Sachsen im November 2016 zum ersten Mal auf 25 Prozent. In 19 Umfragen seitdem kam sie auf durchschnittlich 24,3 Prozent. Bei der Bundestagswahl 2017 holte sie 27 Prozent der Zweitstimmen und 25,4 Prozent der Erststimmen. Bei der Europawahl 2019 gewann sie 25,3 Prozent in Sachsen und landete damit vor der CDU.

In Brandenburg erreichte die AfD im Mai 2016 zum ersten Mal 20 Prozent in einer Umfrage. Bei der Bundestagswahl im September 2017 holte sie 20,2 Prozent der Zweitstimmen. Seitdem liegt sie in diesem Zeitraum in 14 Umfragen im Schnitt bei 20,6 Prozent. Bei der Europawahl holte sie 19,9 Prozent der Zweitstimmen.

Die AfD lag zum ersten Mal im Juni ganz vorn

Ähnlich unbewegt sind sonst nur die Werte der FDP. Man weiß aus solchen Umfragen nicht, wer da jeweils angibt, die AfD wählen zu wollen, aber die wahrscheinlichste Erklärung für so viel Stabilität ist, dass die Partei weder wirklich neue Wähler überzeugt noch wirklich Anhänger verliert. Weil zugleich Kretschmers CDU und Woidkes SPD Zustimmung verloren, hatte die AfD plötzlich in beiden Ländern die echte Chance, stärkste Kraft zu werden. Es sieht so aus, als hätte diese Aussicht etwas verändert. Denn von da an drehen die Werte der Regierungsparteien.

Am 13. Juni 2019 wurde zum ersten Mal eine Umfrage für Sachsen veröffentlicht, in der die AfD auf Platz eins lag. Sie stand wieder einmal bei 25 Prozent. Aber die CDU war auf 24 Prozent abgerutscht, den schlechtesten Wert in einer Umfrage in Sachsen seit der Wiedervereinigung. Zugleich erreichten die Grünen mit 18 Prozent zum zweiten Mal ihren historischen Sachsen-Bestwert.

Die Entwicklung in Brandenburg sieht ähnlich aus. Die AfD teilte sich zuvor mehrfach Platz eins, aber am 11. Juni war sie zum ersten Mal allein stärkste Kraft in einer Umfrage in Brandenburg: Mit 21 Prozent, vor der SPD mit 18 und CDU und Grünen mit 17 Prozent – für die Grünen war das der beste Wert in einer Umfrage in Brandenburg. Zwei Monate später lag die AfD noch einmal allein vorn, mit 21 Prozent, die CDU auf Platz zwei kam auf 18, die SPD auf 17, die Grünen kamen auf 16 Prozent.

Vor allem eine Partei verliert seit Juni in den Umfragen

Seit dem virtuellen Platz eins der AfD sind sechs weitere Umfragen aus Sachsen veröffentlicht worden. In ihnen kommt die AfD im Schnitt weiterhin auf 25 Prozent. Auch die FDP steht unverändert knapp über der Fünfprozenthürde. Aber die Werte der anderen haben sich verändert, vor allem von CDU und Grünen: Die CDU stieg im Schnitt auf fast 28 Prozent. Sie liegt sogar bei 31 Prozent in der aktuellsten Umfrage. Die Grünen kommen nur noch auf 12 Prozent (10 in der aktuellsten Umfrage), die SPD auf 8 Prozent im Schnitt (9 Prozent in der aktuellsten) und die Linke steht mit durchschnittlich 15,3 Prozent historisch schlecht da.

In den beiden Umfragen aus Brandenburg seit Mitte August liegt die AfD kaum verändert bei durchschnittlich 21 Prozent, die CDU weiter bei 18, aber die SPD jetzt wieder bei 21,5 Prozent, während die Grünen auf durchschnittlich 13 Prozent gefallen sind.


Nun lässt sich aus solchen Daten nicht ablesen, wer da wandert: Wenn die SPD drei Prozent gewinnt und die Grünen drei Prozent verlieren, heißt das nicht zwingend, dass die Grünen an die SPD verloren haben. Genauer wird man es erst nach der Wahl wissen, wenn Wählerwanderungen bekannt werden. Aber es deutet doch vieles darauf hin, dass sich die von der AfD Überzeugten nicht bewegen, dass aber links von der AfD potenzielle Wähler auf die Parteien umschwenken, die die besten Chancen haben, stärkste Partei zu werden. Besonders gilt das offenbar für diejenigen, die sich zuletzt mit der Idee getragen haben, diesmal Grün zu wählen.

In Sachsen profitiert die CDU, niemand sonst kommt als stärkste Partei infrage. In Brandenburg profitiert aktuell die SPD, die den potenziellen Grünen-Wählern ja auch immer noch näher steht als die CDU.

Verwendete Quellen
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