CDU-Beben nach Hessen-Wahl Merkel will sich ganz aus der Politik zurückziehen
Das Wahl-Debakel für die CDU in Hessen läutet eine bundespolitische Zäsur ein: Angela Merkel will den Parteivorsitz abgeben und sich nach der nächsten Wahl ganz aus der Politik zurückziehen.
Das ist der Anfang vom Ende der Ära Angela Merkel. Die Bundeskanzlerin zieht nach dem schlechten Abschneiden ihrer Partei bei der Landtagswahl in Hessen Konsequenzen und will beim Parteitag im Dezember nicht mehr für den CDU-Vorsitz kandidieren. Kanzlerin will sie vorerst bleiben, sich aber nach der nächsten Wahl komplett aus der Politik zurückziehen. Um ihre Nachfolge als Parteichefin wollen sich Friedrich Merz, Annegret Kramp-Karrenbauer und Jens Spahn bemühen.
"Diese Kanzlerschaft ist meine letzte", sagte Merkel vor der Hauptstadtpresse im Konrad-Adenauer-Haus. Sie werde nicht wieder für das Amt der Parteivorsitzenden kandidieren. "Für den Rest der Legislaturperiode bin ich bereit, weiter als Bundeskanzlerin zu arbeiten." Nach der Wahl 2021 werde sie nicht mehr für den Bundestag kandidieren und auch keine weiteren politischen Ämter anstreben.
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"Wir müssen innehalten. Ich tue das"
Es sei an der Zeit, ein neues Kapitel aufzuschlagen, sagte Merkel. Die Wahlen in Bayern und Hessen seien ein deutliches Signal gewesen, dass es so nicht weitergehen kann. Man könne nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. "Wir müssen innehalten. Ich tue das."
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Das Bild, das die Regierung abgebe, sei inakzeptabel. Die ordentliche Arbeit habe nicht durchdringen können. Merkel sagte, sie sehe darin nicht nur ein Vermittlungsproblem, sondern eine falsche Arbeitskultur. Als Bundeskanzlerin trage sie aber "qua Amt die Verantwortung für alles". Sie versuche mit ihrer Entscheidung einen Beitrag zu leisten, damit die Bundesregierung gute Arbeit leisten kann.
Zum Verzicht auf den Parteivorsitz habe sie sich schon vor der Sommerpause entschieden, sagte Merkel. Die Verkündung dieser Entscheidung habe sie jetzt nur eine Woche vorgezogen. Am nächsten Sonntag kommt die CDU zu einer länger geplanten Vorstandsklausur zusammen.
Standing Ovations für Merkel
Merkel hatte ihre Entscheidung zuvor in einer Sitzung des CDU-Bundesvorstands bekannt gegeben. Die Parteikollegen applaudierten mit Standing Ovations. Bis zum Ende der Legislaturperiode – regulär im Herbst 2021 – wäre Merkel dann Kanzlerin ohne Parteivorsitz. Bisher hatte sie sich immer klar gegen eine solche Ämtertrennung ausgesprochen und erklärt, Parteivorsitz und Kanzleramt gehörten zusammen.
Die CDU wählt bereits im Dezember in Hamburg ihre Parteispitze neu. Merkel ist seit 18 Jahren Vorsitzende. Wie t-online.de aus Parteikreisen erfuhr, kündigte CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer in der Vorstandssitzung ihre Kandidatur für die Nachfolge Merkels an.
Zuvor hatte bereits der ehemalige Unions-Fraktionsvorsitzende Friedrich Merz seine Bereitschaft zu einer Kandidatur erklärt. Demnach soll Merz gegenüber Vertrauten geäußert haben, er sei bereit, sich der Verantwortung zu stellen, wenn die Partei das möchte, berichteten dpa und "Bild". Auch Gesundheitsminister Jens Spahn will sich nach Angaben der Zeitung um das Amt bemühen.
Zwei Merkel-Gegner, eine Vertraute
Der 62-jährige Jurist und Finanzexperte Merz stand von 2000 bis 2002 an der Spitze der Bundestagsabgeordneten von CDU und CSU – bis Merkel ihn aus diesem Amt verdrängte. Er gilt nach wie vor als ein Kopf der Konservativen in der Partei. Die 56 Jahre alte Kramp-Karrenbauer gilt als Vertraute Merkels. Jens Spahn (38) trat in den vergangenen Monaten als einer der deutlichsten Kritiker Merkels in seiner Partei in Erscheinung.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Patrick Sensburg bezeichnete Merkels Entscheidung als richtig. "Die CDU leitet schrittweise den Übergang zur Nachfolge von Angela Merkel ein", sagte Sensburg t-online.de. "Dies macht sie in geordneter Weise und mit hohem Respekt vor den überragenden Leistungen der Bundeskanzlerin und Parteivorsitzenden."
Groko in Berlin für Absturz in Hessen verantwortlich gemacht
Wie zuvor schon in Bayern fuhr die Union am Sonntag in Hessen zweistellige Verluste ein. Die CDU mit Ministerpräsident Volker Bouffier an der Spitze verlor nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis 11,3 Punkte im Vergleich zur Wahl 2013 und kam auf 27,0 Prozent.
Für den Absturz wurde vor allem die Unzufriedenheit der Wähler mit der Bundespolitik und dem Streit in der großen Koalition verantwortlich gemacht. Beim Parteitag in Hamburg wollte sich Merkel ursprünglich um eine weitere und womöglich letzte Amtszeit bewerben. Angesichts der anhaltenden Wahlniederlagen entbrannte allerdings eine Personaldiskussion.
Debatte in der Union um Ämtertrennung
EU-Kommissar Günther Oettinger hatte sich am Montagmorgen für eine Wiederwahl Merkels mit dem Argument ausgesprochen, dass Europa eine starke deutsche Regierung brauche. Merkel hatte eine Ämtertrennung bisher mit der Begründung abgelehnt, dass der Verzicht des damaligen Kanzlers Gerhard Schröder auf den SPD-Vorsitz das Ende der rot-grünen Regierung eingeleitet habe.
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In der CDU selbst ist die Frage einer Ämtertrennung umstritten. Traditionell sind CDU-Kanzler ebenfalls Parteivorsitzende. CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer, die als mögliche Nachfolgerin Merkels gilt, hatte sich am Sonntagabend nicht klar zur Wiederwahl der Kanzlerin als Parteivorsitzende positioniert. Auf die Frage, ob sie die Kandidatur Merkels unterstütze, verwies Kramp-Karrenbauer im ZDF lediglich darauf, dass es in der CDU-Spitze eine gemeinsame Verantwortung gebe, die Partei programmatisch zu erneuern.
- dpa, AFP, Reuters
- Bericht der "Bild"