Zuwanderungskompromiss Bundesregierung will mehr ausländische Fachkräfte
Auch im Streit um den Wechsel zwischen Asylverfahren und Einwanderung in den Arbeitsmarkt gibt es einen Kompromiss. Das Kabinett hat das entsprechende Eckpunktepapier bereits beschlossen.
Heizungsbauer, Bäcker und andere nicht akademisch ausgebildete Fachkräfte sollen künftig unter bestimmten Bedingungen zur Arbeitssuche nach Deutschland kommen dürfen. Innenminister Horst Seehofer (CSU) sagte nach der Verabschiedung von Eckpunkten für ein Gesetz zur Fachkräfteeinwanderung aus Staaten außerhalb der Europäischen Union, dies sei eine "sehr lebensnahe Lösung". Sie trage den Interessen der Unternehmen Rechnung. Er sei deshalb sehr zufrieden mit der Einigung, die von der großen Koalition in einer Nachtsitzung vorbereitet worden war.
"Das ist heute ein wirklich guter und erfolgreicher Tag für Deutschland", fügte Peter Altmaier (CDU) hinzu. Das gelte für die Wirtschaft, den gesellschaftlichen Zusammenhalt sowie den Wohlstand im Land. Die Einigung ermögliche es, die wirtschaftliche Dynamik in Deutschland zu verlängern und Wachstumspotenziale auszuschöpfen.
Diese neue Möglichkeit soll zunächst auf fünf Jahre befristet gelten, wie Seehofer betonte. In Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit soll außerdem die Möglichkeit bestehen, die sogenannte Vorrangprüfung wieder in Kraft zu setzen. Diese Prüfung verpflichtet den Arbeitgeber nachzuweisen, dass für die Stelle kein einheimischer Arbeitssuchender infrage kommt.
Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sieht nach der nächtlichen Koalitionseinigung den ersten Schritt für ein "modernes Einwanderungsgesetz in Deutschland" gemacht. "Ich bin froh, dass wir nach Jahrzehnten der Debatte diesen Weg jetzt gehen können", sagte Heil in Berlin. Neben der Digitalisierung sei die Sicherung von Fachkräften die entscheidende Frage für Wohlstand und Arbeitssicherung in Deutschland, hob Heil hervor.
Konkrete Kriterien für abgelehnte Asylbewerber, die mit einem Duldungsstatus in Deutschland leben, fehlen in dem Eckpunktepapier, das am Vormittag vom Kabinett beschlossen wurde. Das soll aber später im Aufenthaltsrecht geregelt werden.
Streit um Spurwechsel
Mit dem Kompromiss der Bundesregierung soll Deutschland erstmals ein Einwanderungsgesetz bekommen, das sich an Vorbildern wie etwa in Kanada orientiert.
Im Streit um einen sogenannten Spurwechsel zwischen Asylverfahren und der Einwanderung in den Arbeitsmarkt gibt es einen Kompromiss. "Am Grundsatz der Trennung von Asyl und Erwerbsmigration halten wir fest", heißt es in dem Eckpunktepapier. Zugleich wird betont: "Wir werden im Aufenthaltsrecht klare Kriterien für einen verlässlichen Status Geduldeter definieren, die durch ihre Erwerbstätigkeit ihren Lebensunterhalt sichern und gut integriert sind."
Im Kern geht es bei dem geplanten Fachkräfteeinwanderungsgesetz darum, dass Deutschland für qualifizierte Fachkräfte jenseits der EU attraktiver wird. Das Gesetz soll deren Zuzug ordnen und steuern. Bedarf und Qualifikation sollen zentrale Kriterien sein. Abschlüsse sollen schneller anerkannt werden und das Deutschlernen bereits im Ausland erleichtert werden. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag hatte schon vor der Detaileinigung mit Blick auf die Pläne von einem positiven Signal gesprochen. "Schon heute fehlen 1,6 Millionen Arbeitskräfte, daher brauchen wir neben großem Engagement mit Blick auf inländische Potenziale dringend auch parallel bessere Zuwanderungsregeln", betonte DIHK-Präsident Eric Schweitzer.
Gewinnung qualifizierter Fachkräfte
"Fachkräfte aus dem Ausland leisten schon heute einen wichtigen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft", heißt es in dem Eckpunktepapier. Nachdem das hohe Wirtschaftswachstum auch durch die Zuwanderung aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union gestützt wurde, gehe diese Zuwanderung aber zurück. "Ergänzend müssen wir daher auch bei der Gewinnung qualifizierter Fachkräfte aus Drittstaaten deutlich erfolgreicher werden."
Streit gab es bis zuletzt um den von der SPD geforderten Spurwechsel für abgelehnte, aber gut integrierte Asylbewerber. Die Sozialdemokraten wollen, dass sie nach dem neuen Zuwanderungsrecht in Deutschland bleiben können. Vor allem die CSU lehnte das strikt ab, damit Wirtschaftsflüchtlinge nicht zur Einreise ermuntert werden.
CSU-Chef Seehofer hatte vor dem Treffen betont, er sei sich mit Minister Heil einig, dass es keinen Spurwechsel für alle abgelehnten Asylbewerber in den Arbeitsmarkt geben solle. Bei der mit Heil erarbeiteten Grundlage sei ein Spurwechsel in diesem Sinne daher nicht mit dabei. Aber "wenn nicht ausgewiesen werden kann aufgrund zwingender Gründe, und zwar von Gründen, die nicht in der Person des Asylbewerbers liegen, dann sagen doch die Menschen, bevor sie hier rumsitzen, lasst sie arbeiten". Das bezieht sich darauf, wenn zum Beispiel Folter im Herkunftsland droht.
"Nicht die Falschen abschieben"
Wer aber abgelehnt und ausreisepflichtig sei, sollte auch ausreisen, so Seehofer. Geduldete Asylbewerber dürfen unter bestimmten Bedingungen auch schon heute arbeiten. Heil betonte, es gehe um pragmatische Lösungen für Menschen mit unsicherem Aufenthaltsstatus, die die deutsche Sprache können und in den deutschen Arbeitsmarkt integriert sind. Diese Menschen müssten bleiben können. "Viele nennen das 'Spurwechsel'. Mir ist aber nicht wichtig, wie die CSU das nennt, sondern, dass wir das Richtige tun." Einig sei man sich, "dass wir nicht die Falschen abschieben dürfen", sagte Heil der dpa vor dem Treffen.
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Mit der nun gefundenen Regelung könnte es eine Art eingeschränkten Spurwechsel nur für geduldete Asylbewerber geben. "Wir wollen keine Zuwanderung unqualifizierter Drittstaatsangehöriger", betonen Union und SPD in dem Papier. Mit klaren Kriterien wolle man dafür sorgen, dass Vorschriften nicht missbraucht werden können.
Die Zuwanderung von Fachkräften werde sich am Bedarf der Volkswirtschaft ausrichten und berücksichtige "die Qualifikation, das Alter, Sprachkenntnisse, den Nachweis eines konkreten Arbeitsplatzangebotes und die Sicherung des Lebensunterhaltes in angemessener Weise". Der letzte Punkt soll verhindern, dass eine Einwanderung in die Sozialsysteme erfolgt.
Aus konjunkturellen Gründen können zudem per Verordnung der Bundesregierung bestimmte Berufsgruppen zeitweise ausgeschlossen werden. Mit der Wirtschaft sollen Anwerbemöglichkeiten im Ausland verbessert und das Angebot an Deutschkursen ausgeweitet werden, damit die Arbeitskräfte sich in Deutschland schneller integrieren können.
- dpa, AFP