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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Heiko Maas in Washington Es kommt immer schlimmer
Der Außenminister muss in Washington an sehr vielen Fronten kämpfen – und redet nichts schön. Während er mit seinem US-Amtskollegen spricht, kommt schon der nächste Einschlag.
Für den drohenden Handelskrieg hat der deutsche Außenminister keine Zeit. Bei seinen wichtigsten Terminen in Washington spielt der Konflikt, der zwischen den USA und Europa in wenigen Tagen zu eskalieren droht, so gut wie keine Rolle. „Am Schluss des Gesprächs“ mit seinem US-Amtskollegen Mike Pompeo „habe ich das kurz angesprochen“, sagt Heiko Maas vor dem Eingang des State Department.
Er kommt nur ganz kurz dazu, weil es an so vielen Fronten gleichzeitig brennt.
Als Maas das sagt, dröhnen über ihm die Flugzeuge, die vom nahen Reagan National Airport abheben. Der SPD-Politiker muss laut werden, um überhaupt noch verstanden zu werden. Eine passende Szene, denn das Motto unter dem Heiko Maas seine Reise absolviert, lautet: Wird die deutsche Regierung überhaupt noch in Washington gehört?
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In der amerikanischen Hauptstadt regiert mit Donald Trump die Haltung: Was ihr Deutschen und Europäer so denkt, ist uns ziemlich egal. Während Maas am Mittwochnachmittag (Ortszeit) noch bei Pompeo sitzt, kommen schon wieder Eilmeldungen: Trump erwägt Strafzölle auf die Einfuhr von Autos von bis zu 25 Prozent – der Prozess steht noch ganz am Anfang, wäre aber ein harter Schlag gegen die Auto- und Exportnation Deutschland. Als Maas schon wieder in der Luft ist, bestätigt das Weiße Haus die Pläne.
Auch ohne diese Pointe war Maas' Visite in Washington ein sehr schwieriger Besuch: Der deutsche Außenminister ist erst seit neun Wochen im Amt und in diesen neun Wochen hat Trump die Konflikte mit Europa auf vielen Spielfeldern noch einmal kräftig angefacht.
Trumps chronische Deutschen-Verärgerung
Vor allem mit der Aufkündigung des Iran-Abkommens hat er Europa vor den Kopf gestoßen – schließlich hatten etwa die deutschen Diplomaten in monatelangen Verhandlungen versucht, das Abkommen irgendwie doch noch zu retten.
Hinzu kommt die chronische Deutschen-Verärgerung bei Trump, der sich daran stört, dass so viele Amerikaner deutsche Autos fahren, aber die Deutschen so wenige amerikanische Schlitten. Trump sagt immer wieder, er fühle sich ausgenommen, weil die Deutschen so wenig für die Verteidigung ausgeben, und deshalb die USA innerhalb der Nato über Gebühr belastet seien. So war es etwa beim Besuch der Bundeskanzlerin vor einem Monat.
Es scheint für die Bundesregierung gerade aber auch rein gar nichts zu gewinnen zu geben in Washington. Die Iran-Nummer hat die Europäer so sehr entsetzt, dass Maas nun Respekt einfordert. „Ich respektiere die Haltung, die der amerikanische Präsident an den Tag legt“, sagt er. „Und ich erwarte genauso, dass man in den Vereinigten Staaten auch unsere Haltung respektiert.“
"Zwei völlig verschiedene Wege"
Iran ist dann auch „das Thema, das den Besuch überschattet“, so Maas. „Ich glaube, dass wir von einem Kompromiss noch weit entfernt sind. Wir schlagen zwei völlig verschiedene Wege ein.“ So lautet sein Fazit, bevor er wieder zum Flughafen abrauscht. Der Satz taugt zum Sinnbild für die deutsch-amerikanischen Beziehungen.
Maas redet auf seinem Besuch nichts schön.
Er hat sich, vielleicht aus Trotz, ein sehr volles Programm gegeben. Termine mit den Fraktionschefs und dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses im Repräsentantenhaus sowie mit den beiden wichtigsten Außenpolitikern im Senat. Er lässt dazu twittern, dass Amerika mehr sei als das Weiße Haus.
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Am Mittwochvormittag geht es dann aber doch dahin, wo die Entscheidungen getroffen werden. Im Weißen Haus trifft er John Bolton, Trumps neuen Sicherheitsberater, ein Hardliner unter Hardlinern. Der frischgebackene deutsche Außenminister gegen den alten Haudegen, der die Regime in Teheran und Pjöngjang am liebsten wegbomben lassen wollte. Da wäre man gern dabei gewesen. Maas spricht anschließend von einer sehr guten Gesprächsatmosphäre.
Für all jene in Washington, die von Deutschland höhere Verteidigungsausgaben fordern, hat der Außenminister allerdings kein gutes Argument im Gepäck. Seine eigene Partei, die SPD, ist ja dagegen.
Eine bittere Wahrheit verschweigt Maas
Maas spricht über seine „Sorgen um das transatlantische Verhältnis“ und davon, dass auch die USA ihren Teil dazu beitragen müssten, damit dieses nicht noch schlechter werde. Das ist eine deutliche Botschaft, viel deutlicher als sich etwa Vizekanzler Olaf Scholz kürzlich in Washington äußerte.
Aber es gibt noch eine weitere Wahrheit, die Heiko Maas nicht ausspricht. Deutschland und die Europäische Union zählen in Washington nicht mehr viel. Zuletzt hat das Pompeo in seiner Iran-Rede am Montag deutlich gemacht. Die EU rangiert irgendwo zwischen anderen Verbündeten wie Saudi-Arabien. Für die „Sorgen um das transatlantische Verhältnis“ ist es fast schon zu spät.
Trump kann mit der EU nichts anfangen, er will lieber mit einzelnen Regierungen eins gegen eins pokern. Auf seiner außenpolitischen Agenda stehen China und Nordkorea ganz oben sowie das Einlösen seiner Wahlversprechen, siehe Israel und Iran.
Der Besuch eines deutschen Außenministers ist da keine Schlagzeilen wert, ja noch nicht einmal Pompeos dringlichster Termin des Tages. Während Maas noch am Eingang des State Department spricht, hat drinnen bereits der wichtigere Besucher Platz genommen: Es ist Wang Yi, der Außenminister Chinas.
- eigene Beobachtungen vor Ort