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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Geheimdienst-Skandal in Wien Deutsche Geheimnisse in falsche Hände geraten?
Nach der Razzia beim österreichischen Geheimdienst BVT sorgt sich der deutsche Verfassungsschutz, dass seine Hinweise in falsche Hände gelangen. Österreich weist das zurück.
Der mögliche Griff der rechtspopulistischen FPÖ nach dem Verfassungsschutz schlägt Wellen über Österreich hinaus. Das Wiener Justizministerium wiegelt Überlegungen aus Deutschland ab, die Zusammenarbeit mit dem österreichischen Geheimdienst zu überprüfen. Es gebe keinen Anlass. Aber auch Bundeskanzlerin Angela Merkel soll bei ihrem österreichischen Amtskollegen Sebastian Kurz (ÖVP) Sorge geäußert haben, dass Geheimnisse in Österreich an die Falschen weitergegeben werden.
Am 28. Februar waren Staatsanwälte und Ermittler einer Einheit für Straßenkriminalität sehr lange im Büro der Referatsleiterin für Extremismus im österreichischen Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung. Als sie das Büro der Beamtin verließen, die nur als Zeugin in Ermittlungen um angeblichen Amtsmissbrauch geführt wird, nahmen sie auch brisante Daten über die extreme Rechte mit.
19,1 Terabyte aus dem Extremismusreferat
Laut Justizministerium waren es bei ihr alleine 19,1 Terabyte, die dort zum Teil besonders gesichert waren und bei denen jeder Zugriff protokolliert wurde. Auch Erkenntnisse, die der deutsche Verfassungsschutz geliefert hat? Geheimdienste tauschen sich aus, aber dabei gilt: Informationen dürfen nur weitergegeben werden, wenn der Urheber der Daten dieser Weitergabe zustimmt.
In Österreich gehen manche Befürchtungen der Opposition so weit, dass die mitregierende FPÖ Zugriff bekommen will auf das, was der österreichische Geheimdienst zusammengetragen hat über Neonazis, extrem rechte Burschenschaftler und die Identitäre Bewegung. In Österreich sind diese Verbindungen zur FPÖ noch deutlich enger als in Deutschland zur AfD. Die Extremismusexpertin des BVT hatte auch einen kritischen Lagebericht zur Hetzseite unzensuriert.at erstellt, deren Chefredakteur Kommunikationschef im FPÖ-geführten Innenministerium geworden ist.
Eine Justiziarin des BVT hatte dem Magazin "Profil" zufolge vergebens gefordert, sichergestellte Datenträger zu "versiegeln", weil sich "klassifizierte" Dokumente darunter befinden könnten (also ganz geheime), "die das BVT keinesfalls weitergeben dürfe".
Den laut Einsatzprotokoll "eher chaotischen" Einsatz begleitete nach dem Willen des FPÖ-geführten Innenministeriums eine eigentlich nicht zuständige Polizeieinheit, die von einem FPÖ-Politiker geleitet wird. Die Daten landeten aber bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Sie lagern in einem Raum, zu dem laut Justizministerium einzig eine zuständige Staatsanwältin und von ihr hinzugezogenes Fachpersonal Zutritt haben. Dort wurde nun laut Justizministerium geprüft und herausgefunden: Es sei "auszuschließen", dass in den Datenmassen auch deutsche Geheimdienstdaten mitgenommen wurden, sagte Justiz-Generalsekretär Christian Pilnacek der Agentur APA.
Deutsche Verfassungsschützer wollen Antwort
Im Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat man das in österreichischen Medien gelesen, dürfte aber weiter warten auf die Antwort des BVT selbst. Die deutschen Verfassungsschützer äußern sich gegenüber der Presse nicht zu Fragen, die ausländische Dienste betreffen. Das Bundesinnenministerium hatte aber dem Linken-Abgeordneten Andrej Hunko die Nachfrage des BfV bestätigt.
Von den Kollegen des österreichischen Geheimdiensts sei Auskunft verlangt worden, "ob und gegebenenfalls welche Daten des BfV betroffen sind". Das Bundesinnenministerium schrieb weiter: "Sollten tatsächlich Informationen des BfV abgeflossen sein, muss eine neue Prüfung erfolgen, wie die Kooperation mit dem BVT in Zukunft fortgesetzt werden kann", schrieb das Bundesinnenministerium. Hunko, europapolitischer Sprecher der Fraktion, forderte: "Die Geheimdienstzusammenarbeit mit Österreich muss gestoppt werden!"
Österreich zu unzuverlässig? Das Wiener Justizministerium wies das am Donnerstag zurück. "Die Antwort kann man glauben oder auch nicht", sagte Hunko dazu am Donnerstag zu t-online.de. "Natürlich möchte man das dort runterkochen. Ich warte auf die offizielle Antwort und hätte es schon sehr gerne vom BVT."
Ministerium baut BVT um
Zumindest auf eine Anfrage von t-online.de äußerte sich das BVT nicht. Antwort auf die Anfrage kam aus dem Innenministerium – sie verwies aber lediglich auf die Reaktion des Justizministeriums. Nachfragen blieben unbeantwortet.
Die Verfassungsschutzbehörde wird inzwischen kommissarisch von einem parteilosen Beamten des Innenministeriums geleitet, nachdem der bisherige Chef und andere hohe BVT-Beamte von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ)* vorläufig suspendiert worden sind.
Im BVT sind Führungspositionen neu ausgeschrieben, zudem ist eine Reform geplant. Kickl wies aber zurück, der Verfassungsschutz solle "umgefärbt" werden. Es habe auch keinerlei Einflussnahme des Ministeriums auf die aktuellen Ermittlungen gegeben, sagte er im Parlament. Die Opposition in Österreich hat dagegen Zweifel, dass die auf anonymen Anzeigen beruhenden Ermittlungen mehr waren als ein Vorwand für die Razzia. Es geht unter anderem um den Vorwurf, dass österreichische Verfassungsschützer in Österreich erstellte nordkoreanische Passrohlinge an den südkoreanischen Geheimdienst weitergegeben haben. Außerdem sollen Daten aus einem Verfahren nicht gelöscht worden sein.
Merkel soll Kurz gemahnt haben
Die Razzia war Teil von Ermittlungen, die Peter Goldgruber (FPÖ), zweiter Mann im Innenministerium, maßgeblich initiiert hatte: Er hatte anonyme Anzeigen und einen Zeugen an die Staatsanwaltschaft vermittelt, zwei Zeugen wurden von einem Kabinettsmitarbeiter zur Vernehmung begleitet, der als neuer Verfassungsschutz-Chef gehandelt wird, berichteten österreichische Medien. Ein von der oppositionellen SPÖ beantragter Untersuchungsausschuss soll die Vorgänge im BVT seit 2013 aufarbeiten – aber besonders die der vergangenen Wochen.
Schon von der Razzia in der Geheimdienstzentrale soll Bundeskanzlerin Angela Merkel diese Sorge bei ihrem österreichischem Amtskollegen Sebastian Kurz (ÖVP) angesprochen haben, berichtete die "FAZ". Merkel habe die Befürchtung geäußert, dass über die FPÖ Informationen nach Russland gelangen könnten, die Quellen westlicher Geheimdienste in Gefahr bringen könnten. Österreichs Bundeskanzleramt antwortete der Zeitung, eine solche Unterstellung bedeute den Vorwurf einer strafbaren Handlung und sei ohne Anlass nicht zulässig.
Ende Dezember 2017 kurz nach der Amtsübernahme durch ÖVP und FPÖ hatte aber ein renommierter ungarischer Enthüllungsjournalist berichtet, die Geheimdienste der USA, von Großbritannien und Frankreich würden die Kooperation mit Österreich zurückfahren. Auch hier ging es um die Sorge der FPÖ-Nähe zu Russland.
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Sein Tweet schlug große Wellen in der österreichischen Presse, Das BVT dementierte. Der Journalist blieb dabei, seine Quelle sei kein Österreicher und sehr vertrauenswürdig.
*Anm. d. Red.: An dieser Stelle hatten wir versehentlich zunächst ÖVP anstelle von FPÖ geschrieben. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.
- Eigene Recherche
- Bericht des Magazins "Profil" über das Protokoll der Razzia
- Chronologie des "Standards" zur Affäre
- "Standard"-Bericht zur angeblichen eingeschränkten Kooperation ausländischer Geheimdienste
- Antwort des Bundesinnenministeriums auf die Anfrage von Andrej Hunko