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Polizei und Organisierte Kriminalität: "Clans verbreiten Angst und Schrecken"


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Kriminalität in Berlin
"Clans verbreiten Angst und Schrecken"


10.11.2017Lesedauer: 4 Min.
Die Schauspieler der deutschen Serie "4 Blocks": Die Serie handelt im kriminellen Milieu Berlins.Vergrößern des Bildes
Die Schauspieler der deutschen Serie "4 Blocks": Die Serie handelt im kriminellen Milieu Berlins. (Quelle: 2017 Turner Broadcasting System Europe Limited & Wiedemann & Berg Television GmbH & Co./dpa)

Diese Warnung hat Berlin aufgeschreckt: Kriminelle Familienclans unterwandern die Polizei. Tatsächlich ist es allerdings bei Versuchen geblieben, sagt nun Bodo Pfalzgraf, Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft.


Ein Interview von Jonas Mueller-Töwe

Herr Pfalzgraf, Sie haben öffentlich gewarnt, es gebe Hinweise auf einen strategischen Ansatz arabischer Großfamilien, den öffentlichen Dienst und die Polizei zu unterwandern. Was sind das für Hinweise?

Bodo Pfalzgraf: Die stammen aus einem anonymen Schreiben, das im Rahmen der Debatte um die Polizeiakademie in Berlin öffentlich wurde. So schwerwiegenden Hinweisen muss man nachgehen. Das hat die Polizei getan und festgestellt, dass sich im Moment keine Clan-Mitglieder in der Ausbildung befinden.

Klingt, als wäre alles gar nicht so schlimm. Ziehen Sie also Ihre Warnung zurück?

Wir müssen wachsam bleiben. Es hat sehr wohl drei Bewerber aus diesem Bereich gegeben – die aber alle nicht zum Zuge kamen.

Ihre Äußerung zu den Clans hat für Aufregung gesorgt. Kontakte ins kriminelle Milieu von Polizeibeamten, auch ins Milieu organisierter Kriminalität gibt es durchaus auch in anderen Fällen. Am Mittwoch sind mehrere Polizeibeamte in Berlin verurteilt worden – wegen Korruption und Zusammenarbeit mit Kriminellen in hunderten Fällen.

Sie haben auch Straftaten begangen, ja.

Warum nennen Sie dann spezifisch diese kriminellen Großfamilien? Der nun verurteilte Haupttäter hat ja einen sehr deutschen Namen.

Kriminelle Großfamilien sind aufgrund ihrer Struktur besonders gefährlich. Sie sind allein in Berlin für zehntausende Straftaten verantwortlich. Das ist eine andere Hausnummer, als wenn eine Einzelperson eine Straftat begeht. Wir treffen da auf ein Schweigekartell.

Sind Kontakte ins Milieu organisierter Kriminalität denn ein ausschließliches Problem bei Polizisten mit Migrationshintergrund?

Nein, das hat mit Migranten bei der Polizei gar nichts zu tun. Das wird in der Diskussion um die Polizeiakademie nicht sauber getrennt. Die Probleme an der Polizeiakademie kann man besprechen – die Frage nach dem Umgang mit kriminellen Großclans ist aber eine andere. Der Staat stellt sich dumm und geht nicht effektiv gegen die Clans vor. Die verbreiten aber in manchen Stadtteilen Angst und Schrecken. Niemand traut sich bei der Polizei auszusagen. Das ist für einen Rechtsstaat nicht hinnehmbar.

Wie einflussreich sind diese Clans denn stadtweit oder bundesweit? Mit kriminellen Organisationen, wie den italienischen Mafien, sind sie ja eigentlich nicht vergleichbar.

Da haben Sie Recht. Die Clans sind trotzdem ganz dick im Geschäft. Mit Unterstützern können sie jeweils 300 bis 500 Personen umfassen. Der Patriarch steht an der Spitze der Nahrungskette, erteilt Aufträge und plant größere Coups. Dazu gehören auch Prostitution, Zwangsprostitution, Glücksspiel. Die verursachen in Berlin hohe Schäden – und nicht nur materiell. Und die Ermittlungen sind schwierig, weil die Strukturen nach außen hin so geschlossen sind.

Die Art der Delikte, die Hierarchie, die geschlossenen Strukturen: Das sind Dinge, die beispielsweise auch auf Rockergruppen zutreffen – nicht nur auf Familienclans.

Genau, zwischen denen gibt es auch Revierkämpfe. Die Rockerclubs sind momentan durch die Verbote ein wenig verunsichert, trotzdem aber natürlich weiter aktiv. Auch auf die haben wir ein Auge. Beide sind Gruppen der Organisierten Kriminalität, die erhebliche Straftaten begehen.

Zwischen Rockern und Polizisten gab und gibt es in einigen Regionen ja auch durchaus Berührungspunkte, sogar Ermittlungen und Prozesse. Manchmal sind Polizeibeamte in ihrer Freizeit auch etwas nah dran an diesen Leuten.

Vielleicht auch zu nah! Schnittstellen der organisierten Kriminalität zur Polizei gibt es überall dort, wo es organisierte Kriminalität gibt. Die sind natürlich daran hoch interessiert, was die Polizei gerade macht, gegen wen Ermittlungen laufen und wo Hausdurchsuchungen stattfinden.

Wie kann man verhindern, dass Menschen Polizisten werden, die schon gefestigte Kontakte zu diesen Kreisen haben? Sollte man das verhindern? Kann ja auch von Vorteil sein.

Man muss bestimmte Voraussetzungen erfüllen, um überhaupt Polizist werden zu können. Dazu gehört unter anderem, Deutscher oder EU-Europäer zu sein. Man muss die Tests bestehen, man muss den Anwärterdienst überstehen. Das ist nicht so leicht und es findet auch eine Leumundsprüfung statt. Das LKA fragt durchaus in den Heimatregionen nach. Wenn Bewerber zu enge Kontakte ins Milieu haben, kann das ein Ausschlussgrund sein.

Wir müssen uns also keine Sorgen machen?

Die Polizei ist für diese Clans der Feind. Wenn ein Familienmitglied Polizist wird, gibt es nur zwei Varianten: Es wird verstoßen oder ist weiterhin loyal zur Familie. Wenn einige Mitglieder dieser Familien schon im jugendlichen Alter Ansagen bekommen, straffrei zu bleiben - dann steckt da eine Absicht hinter.

Möglicherweise die Absicht, dem Nachwuchs eine bessere Zukunft zu ermöglichen.

Ich glaube auch an das Gute im Menschen. Aber ernsthaft: Solche Überlegungen spielen in diesen Clans keine Rolle. Höchstens von mütterlicher Seite.

Sie sagten, der Einzelfall werde immer geprüft. Der Leumund müsse einwandfrei sein. Wie kann die Polizei dann von Kriminellen unterwandert werden? Muss sich noch etwas ändern?

Wir müssen bei den Einstellungsverfahren wertfrei prüfen, ob wir alles richtig machen. Die Polizei hat die gleichen Probleme wie die Feuerwehr, der Zoll und die Bundeswehr: Wir haben Schwierigkeiten geeignete Bewerber zu finden. Die Frage ist: Welcher Köder hängt an der Angel? Der Köder der Berliner Polizei ist nicht besonders groß und nicht besonders attraktiv. Die Einkommen sind die niedrigsten in ganz Deutschland. Wir dürfen aber nicht nur auf die 16- und 17-Jährigen schielen, sondern auch auf die Mitte 20 oder Anfang 30. Das täte der Behörde gut.

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