"Schwarze Liste" beim G20-Gipfel Bundesregierung verteidigt Rauswurf von Journalisten
Hat der Bund Datenschutz und Pressefreiheit verletzt, als er 32 Journalisten vom G20-Gipfel ausschloss? Oder waren sie wirklich ein Risiko für die Sicherheit in Hamburg? Laut Regierung waren Straftäter darunter – und keinerlei ausländische Behörden im Spiel.
Die Bundesregierung hat den Vorwurf zurückgewiesen, ausländische Sicherheitsdienste könnten den Ausschluss von Journalisten vom Hamburger G20-Gipfel erwirkt haben. Für das Zulassungsverfahren seien Bundespresseamt und Bundeskriminalamt zuständig und keine Behörden im Ausland, sagte Regierungssprecher und Bundespresseamts-Chef Steffen Seibert in Berlin. Ein Sprecher des Innenministeriums ergänzte, bei einigen der Betroffenen sei es außerdem um "nicht unerhebliche Straftaten" gegangen. Einem Bericht des RBB-Inforadios zufolge kamen die ausschlaggebenden Informationen vom Bundesverfassungsschutz.
Hinweise deutscher Behörden
32 Journalisten, die bereits für die Berichterstattung in Hamburg zugelassen waren, hatten ihre Akkreditierung wieder verloren. Neun von ihnen waren vergangene Woche erst an der Tür zum Medienzentrum abgewiesen worden. Da mehrere der betroffenen Journalisten Berichten zufolge Schwierigkeiten mit der türkischen Regierung gehabt hatten, äußerten Medien und Opposition den Verdacht, dass unter anderem türkische Interessen hinter dem Ausschluss stehen könnten.
Er hätte es für "verantwortungslos" gehalten, Hinweise deutscher Sicherheitsbehörden kurz vor Beginn des Gipfel zu ignorieren, sagte Seibert. Zu dieser Einschätzung stehe er. Der Sprecher des Innenministeriums sagte, eine Neubewertung der allgemeinen Sicherheitslage kurz vor Gipfelbeginn sei der Hauptgrund dafür gewesen, die 32 Betroffenen kurzfristig auszuschließen – und nicht neu eingegangene Informationen über die Journalisten.
Opposition fordert Aufklärung
Das RBB-Inforadio berichtete unter Berufung auf Sicherheitskreise, die für den Ausschluss der 32 Personen entscheidenden Erkenntnisse seien vom Bundesamt für Verfassungsschutz gekommen. Im Vorfeld habe das Bundesamt die Landesverfassungsschutzbehörden um Hinweise gebeten. In nur vier Fällen habe es gravierende Bedenken gegen eine Akkreditierung gegeben. Die anderen 28 Journalisten hätte man nur ausgeschlossen, weil nicht auszuschließen gewesen sei, dass sie in die Nähe der Staats- und Regierungschefs gelangten.
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Die Opposition und die SPD forderten rasche Aufklärung. Es sei "schwierig nachzuvollziehen", dass 32 Journalisten "zunächst alle Sicherheitsüberprüfungen durchlaufen und dann plötzlich ein Sicherheitsrisiko darstellen sollen", sagte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. "Bei einem so schweren Eingriff in die Pressefreiheit und Grundrechte der Betroffenen müssen wir genau wissen: Worauf beruhten die Sicherheitsbedenken deutscher Behörden im Einzelnen?", sagte Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz der dpa. Der Austausch auch mit "zweifelhaften Regimen" sei "gang und gäbe".
"Maßnahme rechtswidrig"
Linke-Politikerin Ulla Jelpke kritisierte, die Versicherung, ausschließlich "eigene Erkenntnisse deutscher Behörden" hätten zum Ausschluss der Journalisten geführt, sei unzureichend: "Denn als eigene Erkenntnisse gelten auch Informationen, die deutsche Sicherheitsbehörden zuvor mit Hilfe ausländischer Geheimdienste in ihre Dateien eingespeist haben", sagte sie der dpa. Es sei "auffällig", dass viele der Betroffenen für linke Zeitungen arbeiteten oder sich kritisch mit der Türkei befassten.
Aus Sicht der Deutschen Journalisten-Union (DJU) ist der Entzug der Akkreditierung nicht akzeptabel: "Wir halten die Maßnahme für rechtswidrig und werden diese Frage notfalls auf dem Rechtsweg klären lassen", schrieb DJU-Bundesgeschäftsführerin Cornelia Haß an Seibert, die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff und den Präsidenten des Bundeskriminalamtes, Holger Münch. Der Deutschen Presse-Agentur sagte sie, dass neun Betroffene sich bei der DJU gemeldet hätten. Sie könne nicht ausschließen, dass es einen Zusammenhang mit deren Arbeit in der Türkei gebe. "Das trifft aber nicht für alle von ihnen zu."
Fakten präsentieren
Die DJU sieht außerdem einen Verstoß gegen den Datenschutz, da Listen mit den Namen der ausgeschlossenen Journalisten fotografiert und gefilmt worden seien. "Ich halte dieses Vorgehen nicht nur für einen ausgemachten Skandal, sondern ebenfalls für rechtswidrig", schreibt Haß. Auch die Datenschutzbeauftragte des Bunds äußerte über einen Sprecher Bedenken. Laut Innenministerium wird nun "sehr sorgfältig geprüft, ob die Polizisten die Namen nicht ausreichend abgeschirmt haben und ob Listen auf Papier der beste Weg waren.
Der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV), Frank Überall, sagte: "Journalisten wurde durch diesen nachträglichen Akkreditierungsentzug die Arbeit für Redaktionen und damit ihr Beruf unmöglich gemacht." Es sei nun an der Zeit, Fakten zu präsentieren: "Was war an diesen Informationen angeblich so gravierend, dass es den Eingriff in die Pressefreiheit und die Berufsausübung der Betroffenen rechtfertigte?"