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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Migranten aus Deutschland vertreiben In dieser Villa trafen sich Extremisten für ihren "Masterplan"
In einem Potsdamer Hotel sollen AfD-Politiker und andere rechte Akteure Pläne für massenhafte Vertreibungen besprochen haben. Der Ort wurde wohl nicht zufällig gewählt.
Viele opulente Villen finden sich an den Seen rund um Berlin und Potsdam. Doch es gibt wohl wenige Anwesen, die es in ihrer Größe und Lage mit diesem aufnehmen können: Im Potsdamer Ortsteil Neu Fahrland, direkt am Lehnitzsee, liegt das Landhaus Adlon. Das historische Gebäude wird seit 2012 restauriert und mittlerweile unter dem Namen "Gästehaus am Lehnitzsee" als Hotelbetrieb genutzt. "Potsdams bedeutendste Villa der 20er-Jahre" solle der brandenburgischen Hauptstadt "das Ambiente" jener Periode der deutschen Geschichte zurückbringen, heißt es auf der Internetseite.
Die "Goldenen Zwanziger" sind zwar eine wichtige Epoche für die deutsche Kunst und Kultur, brachten jedoch auch – begünstigt durch vielerlei Krisen – den Aufstieg der Nationalsozialisten mit sich. Wie nah diese Zeit manchmal erscheinen kann, macht ein Bericht des Recherchezentrums "Correctiv" über ein Treffen von AfD-Politikern und führenden Köpfen der rechtsextremen Szene im vergangenen November deutlich. Im Landhaus Adlon soll ein sogenannter "Masterplan" zur millionenfachen Vertreibung von Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland besprochen worden sein. Mehr dazu lesen Sie hier.
Führende Köpfe der Rechten gehen in der Villa Adlon wohl ein und aus
Zufällig gewählt wurde der Ort aller Wahrscheinlichkeit nach nicht. Laut einem Bericht der "Zeit" gingen auf dem Gelände in den vergangenen Jahren mehrfach AfD-Politiker und Rechtsextreme ein und aus. Die Jugendorganisation der Partei, Junge Alternative (JA), hielt dort demnach ein Treffen ab, ebenso wie die rechtskonservative Werteunion oder die rechte Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft. Möglich macht dies wohl die Co-Betreiberin des Hotels: Mathilda Martina Huss.
Huss betreibt das "Gästehaus am Lehnitzsee" gemeinsam mit ihrem Ex-Partner Wilhelm Wilderink. Einblicke in die Restaurierung des Anwesens gab das damalige Paar im Jahr 2014 sogar in der RBB-Serie "Mein Traumhaus mit Geschichte". Die Dreharbeiten dazu seien "großartig" gewesen, erklärte Mathilda Huss in der Sendung. So weit, so normal, so unpolitisch – scheint es.
Doch in den folgenden Jahren öffnete die Unternehmerin anscheinend immer wieder führenden Köpfen der rechten Szene in Deutschland und Umgebung Tür und Tor zu dem Prunkanwesen. Das bestätigten Augenzeugen der "Zeit" mit eidesstattlichen Versicherungen. Und das kommt wohl nicht von ungefähr. Denn Huss soll selbst eine glühende Verfechterin rechter Verschwörungserzählungen und der wissenschaftlich nicht haltbaren Rassentheorie sein, der auch die Nationalsozialisten anhingen.
Huss unterstützt die Rassentheorie
Zudem ist Huss dem Islam gegenüber wohl sehr kritisch eingestellt. Im Jahr 2017 unterstützte sie in Potsdam einen AfD-Protest gegen die Planung eines islamischen Gemeindezentrums in der brandenburgischen Hauptstadt. Die AfD behauptete damals, dass pro Gebet 1.500 Euro Kosten für die Stadt Potsdam entstehen würden. "Das will ich als Steuerzahlerin nicht ausgeben", zitierte der "Tagesspiegel" damals Mathilda Huss zu diesem Thema. In dem Bericht äußerte sich Huss besorgt über eine angeblich gewachsene Präsenz muslimischer Menschen nahe der "Biosphäre Potsdam".
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Laut Zeugenberichten, aus denen die "Zeit" zitiert, soll Mathilda Huss der Ansicht sein, dass sich die industrielle Revolution negativ auf den Genpool der Menschheit ausgewirkt habe. So sollen durch die gesunkene Kindersterblichkeit "zu viele schwache Kinder überleben". Zudem glaube Huss, wie die Nationalsozialisten auch, an die angebliche Überlegenheit einer "weißen Rasse" und dass "Globalisten" die Weltpolitik steuern würden. Linke Aktivisten seien nach Ansicht Huss' genetisch "degeneriert" – nur deshalb gebe es politische Strömungen, die sich für die LGBTQ-Rechte oder die Rechte Schwarzer einsetzten. Huss widerspricht dieser Darstellung der "Zeit".
Ein weiteres Indiz dafür, dass Huss Anhängerin solcher Thesen ist, sieht die Zeitung darin, dass im "Gästehaus am Lehnitzsee" seit Längerem der dänische Wissenschaftler Emil Kirkegaard beherbergt wird. Auch Kirkegaard ist Anhänger der Rassentheorie, veröffentlicht regelmäßig in wenig seriösen Fachjournalen entsprechende Schriften. Dass die Rassentheorie nichts mit Wissenschaft zu tun hat, ist von Biologen, Anthropologen und Soziologen allgemein anerkannt.
Hoteleigentümer weist Verantwortung von sich
Der Ex-Partner von Huss und Eigentümer der Villa Adlon, Wilhelm Wilderink, wies in der "Märkischen Allgemeinen Zeitung" (MAZ) die Verantwortung für ein mögliches Treffen der rechten Szene auf dem Anwesen von sich. "Alle AfD-Veranstaltungen und alle Veranstaltungen von Organisationen, die als verfassungsfeindlich eingestuft sind", seien vertraglich ausgeschlossen. Man habe bereits ein Sommerfest der AfD abgelehnt. Werden die Räumlichkeiten angemietet, gebe es jedoch keine Möglichkeit zu überprüfen, wer zu solchen Treffen erscheine.
"Bei der genannten Veranstaltung – wenn sie überhaupt so stattgefunden hat wie geschildert – hatte der Betreiber im Vorfeld ebenso wenig die Möglichkeit der Prüfung", erklärte Wilderink der "MAZ". "Das ist Sache der Person, die bucht." Für die Vermietung der Immobilie sei darüber hinaus eine Betreibergesellschaft zuständig. Auch Mathilda Huss habe mit der Vermietung nichts zu tun. Die Betreibergesellschaft "stellt die Immobilie samt Schlüssel zur Verfügung – das war's", wird Wilderink zitiert.
Dass es 2017 ein Treffen der Jungen Alternative auf dem Anwesen gegeben hat, gibt Wilderink jedoch zu. "Aufgrund dieser Erfahrung hat es keine weitere Veranstaltung mit der AfD gegeben", erklärte der Eigentümer der "MAZ" ohne weitere Angabe von Gründen. Im Gespräch mit der Zeitung distanzierte sich Wilderink, der CDU-Mitglied ist, von den Plänen, die auf dem Treffen geäußert worden sein sollen.
Seine Ex-Lebensgefährtin und Geschäftspartnerin Mathilda Huss plant derweil wohl die Eröffnung eines weiteren historischen Ortes, der zum Treffpunkt der neuen Rechten werden könnte. In Mittelsachsen hat die Unternehmerin das Schloss Reinsberg erworben. "Politische Veranstaltungen sind nicht geplant", widersprach Huss der "Zeit", lediglich ein "internationaler wissenschaftlicher Austausch" in dem Schloss. "Wir werden alle uns zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, damit das Schloss nicht von Rechtsextremen genutzt wird", erklärte der parteilose Bürgermeister der Gemeinde, Markus Buschkühl, der Zeitung.
- zeit.de: "Extrem rechtes Schlossgespenst" (kostenpflichtig)
- correctiv.org: "Geheimplan gegen Deutschland"
- maz-online.de: "Villa Adlon: Das sagt der Eigentümer zu den Rechtsextremismus-Vorwürfen" (kostenpflichtig)
- tagesspiegel.de: "Die Traumhäuslebauer"
- tagesspiegel.de: "Vergebliche Suche nach neuer Moschee in Potsdam"
- gaestehaus-lehnitzsee.de: "Das Landhaus"