Ukraine-Präsident mit umstrittener Forderung Sein größter Wunsch
Der ukrainische Präsident Selenskyj hat sich in Berlin mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Kanzler Olaf Scholz getroffen. Nächster Halt: Aachen.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj mit militärischen Ehren im Kanzleramt in Berlin empfangen. Nach einem Gespräch unter vier Augen und einer weiteren Unterredung in einem etwas größeren Kreis äußerten sich beide in einer Pressekonferenz.
Scholz sagte dem ukrainischen Präsidenten mit Blick auf das zuvor angekündigte Waffenpaket Unterstützung aus Deutschland zu – Selenskyj bedankte sich. Der ukrainische Präsident sagte zudem, an einer Koalition für die Lieferung von Kampfjets an die Ukraine zu arbeiten. "Ich denke, ich werde mich auch an die deutsche Seite wenden, um hier Unterstützung zu finden", sagt er.
Der Kanzler betonte jedoch, dass sich Deutschland auf die bisher gelieferten Waffensysteme konzentrieren werde. Auf die Frage, ob die Waffenlieferungen aus dem Westen für eine Offensive ausreichten, sagt er lächelnd: "Noch einige Besuche, dann ist es ausreichend."
Scholz bestätigt Reise nach Aachen
Der Kanzler verriet außerdem, dass er sich darauf freue, gemeinsam mit Selenskyj nach Aachen zu fliegen. Damit bestätigte Scholz, dass auch der ukrainische Präsident am Sonntag zur Verleihung des Karlspreises reisen wird.
Am Sonntagnachmittag sollen Selenskyj und das ukrainische Volk in Aachen mit dem Karlspreis für Verdienste um die Einheit Europas geehrt werden. Scholz wird die Laudatio halten. Als weitere Redner sind EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki dabei.
Selenskyj nannte Deutschland "wahren Freund"
Am Morgen hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Selenskyj in seinem Amtssitz Schloss Bellevue in Berlin empfangen. Der ukrainische Präsident trug sich auch in das Gästebuch ein. Darin nannte er Deutschland einen "wahren Freund und verlässlichen Verbündeten" in der herausforderndsten Zeit in der jüngeren Geschichte seines Landes. "Danke Deutschland!", schrieb er auf Deutsch.
Zum Abschluss des Besuches von Selenskyj in Berlin waren am Sonntag Beratungen im Rahmen des Sicherheitskabinetts geplant. Neben Scholz gehören dem Gremium unter anderen Verteidigungsminister Boris Pistorius, Innenministerin Nancy Faeser (beide SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) an.
Selenskyj landete in der Nacht zu Sonntag in Berlin
Der ukrainische Staatschef war in der Nacht zu Sonntag in Deutschland gelandet. "Schon in Berlin", schrieb der Präsident kurz nach Mitternacht auf Twitter. Auf Webseiten, die Flugverläufe anzeigen, war am späten Abend eine Bundeswehrmaschine angezeigt worden, die von Rom aus gestartet war. Dort war Selenskyj am Samstag zu Besuch. Über Berlin kreiste am späten Abend auch ein Polizeihubschrauber.
Regierungskreise in Berlin hatten zuvor der Deutschen Presse-Agentur am Samstag bestätigt, dass der Besuch am Sonntag stattfinden wird. Das genaue Programm des Präsidenten wurde zu diesem Zeitpunkt nicht bekanntgegeben.
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Leak gefährdete Besuch
Das Vorpreschen der Polizei gefährdete den Besuch, denn die Auslandsreisen Selenskyjs, von denen es inzwischen schon einige gegeben hat, werden aus Sicherheitsgründen in der Regel bis zur letzten Minute geheim gehalten. Das erklärt auch die Zurückhaltung der Bundesregierung bei der Bekanntgabe des Besuchsprogramms.
Am Samstag besuchte Selenskyj zunächst Rom, wo er Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni traf. Auch eine Audienz bei Papst Franziskus stand auf dem Programm.
Nach dem Treffen mit dem Oberhaupt der katholischen Kirche brachte Selenskyj zum Ausdruck, dass er die Bemühungen des Vatikans für einen Friedensdialog mit Russland für wenig erfolgversprechend halte. "Bei allem Respekt für den Papst: Die Sache ist die, dass wir keine Vermittler brauchen zwischen der Ukraine und dem Aggressor, der unsere Gebiete besetzt hat, sondern einen Aktionsplan für einen gerechten Frieden in der Ukraine", sagte er am Samstagabend in der TV-Show "Porta a Porta" des Senders Rai 1. Er war konkret nach einer möglicher Vermittlerrolle des Papstes gefragt worden, bezog in seine Antwort aber auch andere Akteure als mögliche Mediatoren ein.
Die Vergangenheit habe Selenskyj zufolge gezeigt, dass man mit Russlands Präsident Wladimir Putin nicht vermitteln könne. "Kein Land der Welt kann das tun", fügte Selenskyj hinzu. Er erinnerte an das sogenannte Minsker Abkommen von 2014 zum Ende der Gewalt in der Ostukraine. Dieses habe jahrelang nichts gebracht, sagte Selenskyj – und am Ende stand dann der Angriff von Moskau auf die Ukraine.
Auf die Frage, ob er derzeit überhaupt mit Putin reden würde, antwortete er: "Nein, worüber sollten wir denn reden?" Putin könnte zwar theoretisch diplomatische Zugeständnisse machen. "Aber nach einem Jahr würde er mit dem Töten neu anfangen", sagte Selenskyj.
Scholz hat sich gegen Lieferung von Kampfjets ausgesprochen
Zuletzt war Selenskyj wenige Tage vor der russischen Invasion im Februar 2022 als Teilnehmer der Münchner Sicherheitskonferenz in Deutschland. Nach Kriegsbeginn warf er der Bundesregierung lange Zeit Zögerlichkeit bei den Waffenlieferungen in die Ukraine vor. Spätestens seit der Zusage von Leopard-2-Kampfpanzern hat sich das aber gelegt.
Deutschland gehört zu den wichtigsten Unterstützern der Ukraine – sowohl militärisch als auch finanziell. Seit Kriegsbeginn genehmigte die Bundesregierung Waffenlieferungen für 2,75 Milliarden Euro. Am Samstag kündigte sie ein weiteres milliardenschweres Unterstützungspaket an.
Scholz hat der Ukraine Unterstützung zugesagt, solange sie nötig ist. Allerdings hat er sich auch gegen die Lieferung von Kampfjets westlicher Bauart ausgesprochen, die von der Ukraine seit Monaten gefordert wird.
In der deutschen Öffentlichkeit spielt der Krieg gegen die Ukraine inzwischen eine weitaus geringere Rolle, als noch vor einigen Monaten. Die Mehrheit der Deutschen wünscht sich Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland über eine Friedenslösung. Nach einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der dpa sind 55 Prozent für Gespräche mit dem Ziel der Beendigung des Krieges. Nur 28 Prozent sind dagegen. Die Ukraine schließt solche Verhandlungen dagegen derzeit kategorisch aus und fordert stattdessen zunächst einen vollständigen russischen Truppenabzug von ihrem Territorium – einschließlich der Halbinsel Krim.
- Nachrichtenagenturen dpa, AFP und Reuters
- bild.de: "Unsere Eurofighter schützen Selenskyj"