Rede in München Merkel: Frieden in Europa "nur unter Einbeziehung Russlands"
Die Altkanzlerin warnt davor, die russischen Drohungen auf die leichte Schulter zu nehmen. Auch ihre politischen Anfänge kommen zur Sprache.
Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) warnt davor, Drohungen im russischen Krieg gegen die Ukraine als Bluff abzutun. Der Angriff auf die Ukraine sei eine "tiefgreifende Zäsur" gewesen, sagte Merkel am Donnerstagabend bei einem Festakt zum 77-jährigen Bestehen der "Süddeutschen Zeitung" in München. Und zwar eine, "bei der wir alle gut beraten sind, Worte ernst zu nehmen und sich ernsthaft mit ihnen auseinanderzusetzen und sie nicht von vornherein als Bluff einzustufen".
Sie betonte erneut, dass ein dauerhafter Frieden in Europa "nur unter Einbeziehung Russlands" erfolgen könne. "Solange wir das nicht wirklich geschafft haben, ist auch der Kalte Krieg nicht wirklich zu Ende."
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In ihrer Rede sprach Merkel zudem über ihre politischen Anfänge: Mit der Bezeichnung "Kohls Mädchen" zu Beginn ihrer politischen Karriere habe sie sich nicht wohlgefühlt: "Es war für mich kaum möglich, als eigenständige Person wahrgenommen zu werden." Dabei habe sie damals nach 35 Jahren in der DDR endlich ihrer eigenen Meinung Gehör verschaffen wollen. "Das empfand ich als ziemlich deprimierend."
"Warum kennen wir Angela Merkel nicht?"
Einer der ersten Artikel, der in den Neunzigerjahren in der "Süddeutschen Zeitung" über sie erschienen sei, habe den Titel getragen: "Warum kennen wir Angela Merkel nicht?" Darin habe es geheißen: "Sie ist die jüngste Ministerin, die Deutschland je hatte – vielleicht auch die netteste", zitierte Merkel. "Wobei ich schnell merken sollte, dass es mit der Nettigkeit in der Politik so eine Sache ist."
Nach Angaben von "SZ"-Chefredakteur Wolfgang Krach finden sich inzwischen 40.000 Artikel über Merkel im Archiv seiner Zeitung – 2.000 mehr als über Kohl und über 10.000 mehr als über ihren direkten Vorgänger Gerhard Schröder (SPD).
In der "Süddeutschen Zeitung" habe sie in der Folgezeit vor allem viel über ihre Schwesterpartei gelernt – die CSU, sagte Merkel. Der wird ein eher schwieriges Verhältnis zur "SZ" nachgesagt, wie auch CSU-Chef Markus Söder in seinem bissigen Grußwort beim Festakt mehr als nur durchblicken ließ. "Alles, was von Bayern aus in Deutschland erfolgreich ist, ist zunächst per se mal super – auch wenn es die 'Süddeutsche Zeitung' ist", sagte der bayerische Ministerpräsident, der sich an diesem Abend als "Vorgruppe" von Merkel bezeichnete. "Ich bin seit über 30 Jahren 'SZ'-Leser und war auch ein paar Tage ein echter Fan davon."
Biografie geplant
Er würdigte die Zeitung allerdings – zum Unmut der ebenfalls anwesenden Grünen-Politikerin Claudia Roth – als "die einzige ernst zu nehmende Opposition in Bayern". Über Söder erschienen nach Angaben Krachs 8.000 Artikel in der "Süddeutschen" – bislang.
Die heute 68 Jahre alte Merkel war zur Bundestagswahl im vergangenen Jahr nach 16 Jahren Kanzlerschaft nicht mehr angetreten. Sie tritt inzwischen von Zeit zu Zeit als Rednerin auf – unter anderem im September beim Stadtjubiläum in Goslar – und will im Herbst 2024 ihre Memoiren veröffentlichen, wie ihr Verlag kürzlich mitteilte.
- Nachrichtenagentur dpa