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Markus Lanz | Ukraine-Krise: Grünen-Chef weicht bei Waffenlieferungen aus


"Die wollen Helme, die kriegen Helme"
Als Lanz nach Waffen fragt, weicht der Grünen-Chef aus


Aktualisiert am 02.02.2022Lesedauer: 4 Min.
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Omid Nouripour (Archivbild): In der jüngsten Lanz-Sendung kritisierte er die Kommunikation des ukrainischen Präsidenten.Vergrößern des Bildes
Omid Nouripour (Archivbild): In der jüngsten Lanz-Sendung kritisierte er die Kommunikation des ukrainischen Präsidenten. (Quelle: imago-images-bilder)

Grünen-Chef Nouripour verteidigt die Lieferung von Helmen an die Ukraine – und kritisiert Selenskyj. Bei Olympia lässt er keinen Zweifel aufkommen: Die Spiele werden von Deutschland "politisch boykottiert".

Vitali Klitschko war sprachlos, Omid Nouripour hingegen versteht offenbar die Aufregung nicht. Deutschland hat der von Russland bedrohten Ukraine 5.000 Schutzhelme geliefert. Klitschko, der Bürgermeister von Kiew, sprach von einem absoluten Witz und fühlt sich von seiner zweiten Heimat verraten.

Der designierte Co-Parteivorsitzende der Grünen gab am Dienstagabend bei "Markus Lanz" hingegen die Verantwortung an die Regierung von Präsident Wolodymyr Selenskyj zurück. "Die Ukraine muss offiziell sagen, was sie möchte. Bislang gibt es Anfragen für Schutzgüter. Die werden selbstverständlich gegeben", meinte Nouripour. Was das denn heiße, fragte der Gastgeber nach. "Die wollen Helme, kriegen Helme. Das ist das Thema", erwiderte Nouripour.

Die Gäste

  • Omid Nouripour, neuer Grünen-Chef und Außenpolitikexperte
  • Ulf Röller, Leiter des ZDF-Studios Ostasien
  • Elmar Theveßen, Leiter des ZDF-Studios Washington
  • Helene Bubrowski, FAZ-Redakteurin

"Der Präsident der Ukraine kommuniziert nicht einhellig, sag ich mal", warf Nouripour Selenskyj vor. Der habe kürzlich gesagt, der Westen solle keine Panik verbreiten. Tatsächlich hatte Selenskyj am vergangenen Freitag betont, es gebe keine größere Eskalation als noch vor einem Jahr: "Fahren bei uns etwa Panzer auf den Straßen herum? Nein!"

Helene Bubrowski von der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" wollte Nouripours Darstellung so nicht stehenlassen. "Die Forderungen liegen doch seit Monaten auf dem Tisch", warf sie ein. Selenskyj habe mehrfach auch Waffen von der Bundesregierung gefordert. Wie also halten es die Grünen mit Waffenlieferungen, wollte Lanz wissen.

Nouripour: Vorerst keine Waffen an die Ukraine

"Wir stehen an der Seite der Ukraine. Das ist überhaupt keine Frage", wies Nouripour den Verdacht der Neutralität von sich. Russland müsse klar gesagt werden, dass Deutschland nicht zugucken werde, wie die russische Aggression in der Ukraine weitergehe. Lanz witterte heiße Luft. "Ab wann liefern wir dann Waffen?", hakte er nach.

"Wir reden zurzeit nicht über Waffenlieferungen, sondern über die diplomatischen Stränge", räumte Nouripour ein, auch wenn das bei ihm nicht wie ein Eingeständnis klang. Denn zugleich lobte er das Arbeitspensum der grünen Außenministerin Annalena Baerbock (als dessen möglicher Nachfolger er übrigens immer wieder gern gehandelt wird): "Die reist wie verrückt durch die Gegend und redet und redet und redet, damit das nicht eskaliert."

Nicht reisen wird Baerbock jedoch zu den Olympischen Winterspielen nach Peking, ebenso wie wohl kein Vertreter der Bundesregierung. "Ist das dann politischer Boykott?", wollte Lanz wissen. "Es ist ein Boykott. Ein politischer", bestätigte der designierte Grünen-Chef. Dass es Baerbock aus Gründen der Diplomatie nicht als solchen bezeichnet, macht für ihn nichts. Das Signal komme trotzdem in China an: "Dass diese große Show, die da auch aus politischen Gründen abgezogen wird, nicht funktioniert."

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Da überschätzt Nouripour nach Ansicht des ZDF-China-Korrespondenten Ulf Röller die Signalwirkung nicht gebuchter Flugtickets. "Dass es eben keinen diplomatischen Boykott gibt, ist ein Beweis dafür, dass Europa nicht mehr die Kraft hat, da mit einer Stimme zu reden", kritisierte der Leiter des ZDF-Studios Ostasien, der aus Peking zugeschaltet war. Diese Schwäche Europas sei auch ein Ergebnis des massiven Einflusses und Druckes von Staatspräsident Xi Jinping auf europäische Regierungen und Unternehmen. Xi sei nun sehr zufrieden, dass er bei den Olympischen Spielen das Gesicht wahren könne.

Dass ausgerechnet der russische Präsident Wladimir Putin bei Olympia erwartet wird, ist für Röller "mit Sicherheit kein Zufall". Hier würden zwei Feinde und gesellschaftspolitische Gegenentwürfe zu den USA eine neue Achse zelebrieren und ihre strategische Partnerschaft stärken. Putin und Xi ergänzen sich nach seiner Darstellung auf fast schon perfide geopolitische Weise.

Die chinesische Führung werde sehr genau beobachten, wie weit Putin nach der Annexion der Krim nun bei der Ukraine weiter rote Linien verschieben könne. "Daraus werden sie dann ihre Schlussfolgerungen ziehen, wie stark der Westen noch ist in Verteidigung seiner Werte. Und das hat wiederum eine Auswirkung auf den Konflikt in Taiwan", warnte Röller.

China versus USA

Er und Elmar Theveßen, Leiter des ZDF-Studios Washington, haben in "Auslandsjournal – die Doku: Die Rivalen – China versus USA" untersucht, wie sich die Supermächte neu positionieren. Die Dokumentation wird am Donnerstag (2. Februar) direkt vor "Lanz" ausgestrahlt und ist schon jetzt in der ZDF-Mediathek abrufbar.

Theveßen berichtete, wie China Litauen erpresste, nur weil das europäische Land Taiwan angeboten hatte, eine offizielle Vertretung in der Hauptstadt zu eröffnen. Xi habe massiv aufgerüstet, seine Flotte sei im Indopazifik mittlerweile mächtiger als die der USA, weshalb China einen Krieg um Taiwan selbst laut US-Simulationen vermutlich gewinnen würde.

Die Gäste bei Lanz waren sich einig: Europa hat in den vergangenen Jahren wenig getan, um den Autokraten in Peking oder Moskau zu zeigen, dass für Menschenrechte immer eingetreten werde. Hier müsse stärker angeprangert werden, auch in der deutschen Wirtschaft, forderte Nouripour.

Er verwies auf die sogenannten Umerziehungslager für Uiguren in China: "Es gibt deutsche Unternehmen, die machen dort Geschäfte." "Wer?", fragte Lanz. "Siemens beispielsweise. Wir wissen, dass es dort Zwangsarbeit gibt", erwiderte der Grünen-Außenexperte. Auch deutschen Firmen müsse die Frage gestellt werden: "Wollt ihr auf Kosten von Sklaverei dort produzieren?"

Das Beispiel Hongkong macht Röller aber keine Hoffnung. "Im Grunde hat da auch Europa Hongkong verraten", urteilte er. Die ehemalige Kronkolonie, der bis 2047 ein Sonderstatus zugesichert worden war, sei heute "eine ganz normale chinesische Stadt": mit inhaftierten oder geflohenen Bürgerrechtlern.

Ein Menschenrechtsanwalt sei kurz nach dem Interview für die ZDF-Dokumentation erneut verhaftet und verschleppt worden. Als Journalist werde man in einer Diktatur schnell zum Täter, wenn man Menschen derart in Gefahr bringe.

Die ständige Gratwanderung hat aber auch zu einer positiven Erkenntnis geführt. "Wenn man in einer Diktatur lebt, merkt man erst, wie sexy Demokratie ist", sagte Röller. "Aber man merkt eben auch, dass es gar nicht selbstverständlich ist." Wenn Menschen trotz bitterster Konsequenzen nicht anders könnten, als für Freiheit und Gerechtigkeit zu kämpfen, "merkt man, dass das wohl etwas ganz Besonderes sein muss".

Verwendete Quellen
  • "Markus Lanz" vom 1. Februar 2022
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