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Gab Friedrich Merz einem Obdachlosem ein Buch als Finderlohn?


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Nur ein Buch als Finderlohn?
Ein verlorenes Laptop verfolgt Friedrich Merz


Aktualisiert am 24.11.2018Lesedauer: 4 Min.
Friedrich Merz: Eine alte Geschichte um ein verlorenes Laptop und einen lächerlichen Finderlohn für einen Obdachlosen ist an Journalisten verschickt worden.Vergrößern des Bildes
Friedrich Merz: Eine alte Geschichte um ein verlorenes Laptop und einen lächerlichen Finderlohn für einen Obdachlosen ist an Journalisten verschickt worden. (Quelle: IMago/Montage: t-online.de/imago-images-bilder)
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Eine launig geschriebene Glosse in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" lässt Friedrich Merz als Knauser dastehen, der einen Obdachlosen um den Finderlohn prellt. Er schweigt dazu.

Ein Erlebnis eines Obdachlosen mit Friedrich Merz wird mindestens 14 Jahre später zu einem öffentlichen Thema. Enrico J. ist der Mann, der den Kandidaten für den CDU-Parteivorsitz in einem Text der "FAZ" als hartherzig dastehen lässt.

Es geht um ein Laptop, das Merz damals verloren hatte, und den Finderlohn, der in der Erzählung wie ein Hohn wirkt: Ein mit Widmung verschicktes Buch aus Merzens Feder mit dem schönen Titel "Nur wer sich ändert, bleibt bestehen". Die alte Geschichte ist gezielt an mehrere Medien gestreut worden, die "FAZ" hat sie öffentlich gemacht.

Was sich demnach im Jahr 2004 oder 2005 ereignet hatte, war fünf Jahre später, im August 2010, auf Seite 14 in der Obdachlosenzeitung "Straßenfeger" zu lesen. Als Autorin wird "Jutta H." genannt, die sich die Geschichte hatte erzählen lassen. Ein paar Tage später war der Text auch noch in einem Blog zu lesen.

Alter Artikel wurde an Redaktionen verschickt

Nachdem Friedrich Merz nun zurück in die Politik drängt und die CDU zu alter Stärke führen will, erinnerte sich jemand des alten Textes. Verschiedene Redaktionen bekamen den Artikel zugeschickt, so auch Edo Reents, Leiter des Feuilletons der "FAZ". "Ich nenne die Quelle nicht, aber es war eine Karte daran, aus dem Berliner Kulturleben, nicht aus der Politik."

Die Geschichte, die das Potenzial hat, nachhaltig am Image von Merz zu kratzen, fand sich dann in einer wunderbar leicht zu lesenden Glosse wieder, geheimnisvoll war von einem zugespielten "Dokument" die Rede. Das war der Text in der Obdachlosenzeitung. Doch Leser würdigten in sozialen Netzwerken weniger den feinen Stil des Autors: Der Text wurde geteilt, weil Merz dem Bericht zufolge so hartherzig mit dem Obdachlosen umsprang.

Denn als Lohn für das zurückgegebene Laptop erhielt der ehrliche Finder ein Buch, das im Handel 19,99 Euro kostete. Autor: Friedrich Merz höchstpersönlich. Titel: "Nur wer sich ändert, wird bestehen". Untertitel: "Vom Ende der Wohlstandsillusion." Darin gehe es Merz darum, nicht jede Debatte zuerst mit der Frage nach sozialer Gerechtigkeit zu beginnen, fasste die "FAZ" den Inhalt damals in ihrer Rezension zusammen. Sein Werk versah der Autor mit der Widmung "Dem ehrlichen Finder". Enrico hatte laut Schilderung auf etwas anderes gehofft. Das Buch landete deshalb ziemlich schnell in der Spree.

"Was für einen unfassbar schäbigen Charakter Friedrich Merz da an den Tag legte!", schrieb die Linken-Bundestagsabgeordnete Anke Domscheit-Berg deshalb am Donnerstag auf Twitter. "So jemand darf niemals Merkels Nachfolger werden, in keinem Amt."

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Merz ist jetzt wieder auf der großen Bühne, anders als 2010, als der Artikel erschien. Da war er gerade beauftragt worden, den Verkaufsprozess der WestLB an einen privaten Investor zu leiten – laut "Stern" für einen stattlichen Lohn von 5000 Euro brutto. Pro Tag. Merz hatte sich in die Wirtschaft zurückgezogen, nachdem er bereits 2004 vom Amt des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Union zurückgetreten war.

Enrico will damals, als er das Laptop gefunden hatte, ein bisschen darauf herumgetippt haben – und dabei die Namen und Telefonnummern von Edmund Stoiber, Gerhard Schröder und Angela Merkel gesehen haben. Das hätte sich zu Geld machen lassen, aber Enrico und sein Freund entschieden sich, das Laptop bei der Bundespolizei abzugeben. So schrieb es der im Sommer 2018 eingestellte "Straßenfeger".

Für Finderlohn Adresse der Obdachlosenhilfe angegeben

Doch stimmt die Geschichte? Gut recherchierte Artikel in Obdachlosenzeitungen sind nicht ungewöhnlich, aber von einer Nachfrage bei Merz ist dort nichts zu lesen, eine journalistische Grundregel. Auch die "FAZ" hat nicht angefragt.

Den "Straßenfeger" als Magazin gibt es nicht mehr, eine Antwort des Vereins auf t-online.de-Anfrage steht aus. Die Bundespolizei hat noch einige Zeit, um nach einer am Freitag auf fragdenstaat.de gestellten Informationsfreiheitanfrage nach alten Unterlagen zu stöbern.

Doch die "taz" hat Enrico J. ausfindig gemacht – und er wiederholt in einem Interview die Geschichte. Es sei ihm nicht ums Geld gegangen. "Er hätte einfach mal vorbeikommen und sich ordentlich bedanken können." In der Zeitung nennt er Merz' Verhalten "Abzockaktion": "Mir und meinem Kumpel kann er nichts gönnen, und jetzt macht er wieder auf dicke Hose."


Der Finderlohn habe ihn über die "Treberhilfe" erreicht, die er als Adresse beim Abgeben des Funds angegeben habe. Beim Grillfest sei ihm dort von einer Sozialarbeiterin namens Heike das per Post eingegangene Buch überreicht worden. Die Treberhilfe ging in die Insolvenz, kurz nachdem bekannt wurde, dass der Chef der Obdachlosenhilfe einen Maserati als Dienstwagen mit Fahrer hatte. Viele Mitarbeiter konnten in der Neuen Treberhilfe arbeiten, heute die Milaa gGmbH. Die hat eine Anfrage von t-online.de, ob sich jemand an die Sozialarbeiterin Heike oder Enrico erinnert, noch nicht beantwortet.

t-online.de hat bei Friedrich Merz angefragt, ob die Anekdote stimmt und ob er etwas dazu sagen möchte, dass sie nun verbreitet wird. Sein Büro teilte t-online.de nur mit, man wolle den Fall nicht kommentieren.

Zumindest ein gutes Ende hat die Geschichte genommen: Enrico J. hat es nach eigener Schilderung aus der Obdachlosigkeit geschafft – ganz ohne das Merz-Buch.

Anm. d. Red.: Dieser Text wurde mit Informationen aus dem Interview der "taz" aktualisiert

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