"Nur die Spitze des Eisbergs" Deutlich mehr antisemitische Straftaten gemeldet
Körperliche Angriffe, persönliche Beschimpfungen, hasserfüllte Parolen: Antisemitismus hat viele Gesichter. Und die Zahl gemeldeter Taten steigt. Der Antisemitismus-Beauftragte ist besorgt.
Die Zahl gemeldeter antisemitischer Straftaten hat im ersten Halbjahr deutlich zugenommen. Gegenüber dem Vorjahreszeitraum stieg sie von 362 auf 401 – ein Anstieg um 10,7 Prozent.
Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf die quartalsweise Abfrage der Linken-Abgeordneten Petra Pau hervor. Die Zahlen sind vorläufig, weil noch Taten nachgemeldet werden können. Der Zentralrat der Juden und der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, reagierten bestürzt.
Vor allem die Zahl der rechts motivierten Taten nahm zu
Der Anstieg ist maßgeblich durch eine Zunahme in der mit Abstand größten Untergruppe verursacht, der rechts motivierten Täter. Sie verübten 349 Taten (erstes Halbjahr 2017: 334). Aber auch in allen anderen Untergruppen wuchs die Zahl der antisemitischen Taten: bei links motivierten Tätern (6) ebenso wie bei solchen mit ausländischer Ideologie (12) und religiöser Ideologie (9).
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Die mit Abstand meisten antisemitischen Straftaten registrierte im laufenden Jahr bislang Berlin (80), gefolgt von Bayern (43), wie zuerst der Berliner "Tagesspiegel" berichtet hatte. Auf Platz drei folgt Niedersachsen (41).
Der Antisemitismus-Beauftrage ist alarmiert
Die hohe Zahl bereite ihm große Sorge, sagte der Antisemitismus-Beauftragte Klein. "Sie zeigt ja nur die Spitze eines Eisbergs. Antisemitische Übergriffe und judenfeindliche Einstellungen haben sich in völlig unakzeptabler Weise in Deutschland ausgebreitet." Er rufe alle Teile der Gesellschaft auf, "der zunehmenden Verrohung und jeder Form von Hass entgegenzutreten", sagte Klein. "Antisemitismus darf in unserem Land keinen Platz haben, gleichgültig woher er kommt." Polizei und Justiz müssen mit aller Härte dagegen vorgehen.
Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, nannte die Zahl "bestürzend". Überrascht habe sie ihn aber nicht. "Sie spiegelt die Ereignisse der vergangenen Monate wider – eine Zeit, in der immer neue antisemitische Übergriffe bekannt wurden. Der Anstieg antisemitischer Straftaten bestätigt auch die Berichte unserer Gemeindemitglieder über zunehmenden Judenhass im Alltag."
Schuster fordert ein bundesweites Meldesystem für die Vorfälle
Politik und Behörden müssten konsequent handeln, außerdem müsse die Gesellschaft bereit sein, Antisemitismus entgegenzutreten, forderte Schuster. "Ich kann nur erneut unterstreichen, wie wichtig dabei ein bundesweites, niedrigschwelliges Meldesystem für antisemitische Vorfälle ist", sagte Schuster. Zudem müssten Maßnahmen zur Prävention und Bekämpfung von Judenhass verstärkt werden.
- dpa