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Möglicher Unionsbruch: CSU-Mitglieder in Bayern bereit für CDU-Gründung


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Möglicher Unionsbruch
CSU-Mitglieder in Bayern bereit für CDU-Gründung


Aktualisiert am 01.07.2018Lesedauer: 6 Min.
Horst Seehofer und Angela Merkel: Wird die Union am Streit zwischen ihnen zerbrechen?Vergrößern des Bildes
Horst Seehofer und Angela Merkel: Wird die Union am Streit zwischen ihnen zerbrechen? (Quelle: Markus Schreiber/ap)

Es ist das Undenkbare und kann nun doch eintreten: Kommt die CDU nach Bayern und die CSU in den Rest der Republik? Was dafür und dagegen spricht.

Physiker Heinz Drobe aus München hatte sich schon 2016 bereit gemacht: "Wir warten auf ein Signal aus Berlin zur Gründung der BAYERN-CDU", hatte er der Bundeskanzlerin auf deren Seite geschrieben. Jetzt treibt die Frage viele Menschen um, und Internetadressen werden schon registriert. Ein CDU-Urgestein sagt, innerhalb von Stunden seien in Bayern Ortsvereine gegründet. Und ein CDU-Politiker träumt schon öffentlich von CSU-Verbänden in ganz Deutschland. Theoretisch könnte die CDU noch zu den bayerischen Landtagswahlen antreten – mit möglicherweise katastrophalen Folgen für die CSU.

Wie ist die politische Stimmung in Bayern?

Die CSU sprach von breiter Unterstützung für ihren Kurs in der Asylpolitik. Doch Umfragen zeigten schon vor Merkels Regierungserklärung und dem EU-Gipfel zum Teil ein ganz anderes Bild. Am Donnerstag berichtete die "Zeit" von einer Forsa-Umfrage, wonach die CDU der CSU mehr als die Hälfte der bisherigen Wähler (54 Prozent) abjagen würde, wenn sie dort zu einer Bundestagswahl antreten würde. Die CDU käme demnach in Bayern auf 33 Prozent. In einer weiteren Forsa-Umfrage hatten CSU-Mitglieder höhere Zufriedenheit mit Merkel (61 Prozent) als mit Söder (56 Prozent) ausgedrückt.

Will in der CDU jemand eine CDU Bayern?

Es gibt zumindest in Bayern Menschen, die sich bereit machen. CDU-Urgestein Bernhard Vogel, früherer Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und Thüringen, berichtete dem Deutschlandfunk, ihn würden viele Freunde aus der CSU anrufen, ob sie "losschlagen" sollen. Er kämpfe dafür, dass diese Situation nicht eintritt. Aber bei einer Trennung der Fraktionsgemeinschaft in Berlin sei es eine Frage von Stunden, bis es in Bayern zur Gründung von CDU-Kreisverbänden käme.

CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer erklärt, es gebe keinen Plan dafür in der Schublade. Gefordert hatte das Christian Bäumler, Vizevorsitzender des CDU-Arbeitnehmerflügels. Vorbereitungen zur Gründung eines CDU-Landesverbandes "könnten der CSU näherbringen, dass Wahlen auch in Bayern nicht am rechten Rand, sondern in der Mitte der Gesellschaft gewonnen werden", sagte er dem "Handelsblatt".

Die Drohkulisse hat in der CDU aber noch mehr Anhänger. Ruprecht Polenz, 2000 kurzzeitig Generalsekretär der CDU, schrieb schon 2016 nach Seehofer-Provokationen: "CDU-Bundesgeschäftsstelle sucht Büroimmobilie in München. Vorzugsweise in der Nähe des Bayerischen Landtags."

1976 hatte Helmut Kohl genau diese Suche gestartet, die Strauß-CSU kehrte reumütig in die Fraktionsgemeinschaft zurück. Und auch CDU-Bundesvize Armin Laschet erklärte gerade: "Wenn es erforderlich ist, kann die CDU natürlich in Bayern antreten, das war schon 1976 so." Man tue aber alles, "damit es nicht so weit kommt". 2016 zog die CDU sogar vor Gericht, als ein Ex-CSU-Mitglied eine CDU Bayern gründen wollte. Per einstweiliger Verfügung wurde Michael Kosmala der Plan untersagt.

Gibt es Anhänger für eine Ausdehnung der CSU?

Für die CSU würde es deutlich schwieriger, sich bundesweit aufzustellen. Es gibt aber auch in der CDU Politiker, die nur darauf warten, beim Aufbau einzusteigen. Der CDU-Politiker Frank Oesterhelweg aus Niedersachsen hat CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer in einem Telefonat gesagt, bei einer Trennung werde er eines der ersten CSU-Mitglieder in Niedersachsen sein. Er ist Landtagsvizepräsident.

Das Meinungsforschungsinstitut INSA sah bei einer Umfrage im Auftrag von "Cicero" für die CSU bundesweit aktuell ein Potenzial von 16 Prozent. Für Wähler gibt es eine Alternative rechts der CDU, die nicht AfD heißt. Die CSU dürfte auch viele Stimmen von bisherigen AfD-Wählern holen. Ein CSU-Problem dürfte aber auch sein, dass sie bisher als die "Bayernpartei" wahrgenommen wird und bei bundesweitem Auftreten diesen Markenkern in ihrer Heimat verlieren würde.

Was wären die Risiken?

Es würde es nach vielen Wahlen noch schwieriger machen, in Deutschland Mehrheiten für Koalitionen zu finden. Der Schritt würde auch beide Parteien erschüttern. Orts- und Kreisverbände würden zerbrechen, wenn Funktionäre in die jeweils andere Partei wechseln – mit dem Risiko von Streit und dem Verlust von Kompetenz.

Eine Anekdote des CDU-Bundestagsabgeordneten Roderich Kiesewetter zeigt, wie weit der Konflikt innerhalb der CDU bereits gehen kann. Wegen seiner Haltung sei ihm gedroht worden, ihn bei der nächsten Bundestagswahl auszubooten.

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Es würden aber auch schlechtere Ergebnisse für die CDU auf Bundesebene drohen, weil ihr die CSU Stimmen abnimmt, dazu schlechtere Ergebnisse für die CSU in Bayern.

Was wären mögliche Vorteile?

Der Wähler hätte mehr Auswahl, die CSU würde dann ja auch bundesweit antreten. Beide Parteien würden ihr Profil schärfen und könnten gezielter Mitglieder und Wähler ansprechen. Die CDU hatte zum Jahresende 2017 etwa 426.000 Mitglieder, die CSU etwa 141.000. Beide könnten Mitglieder an das andere Lager verlieren, aber auch ganz neue Mitglieder gewinnen.

Was hat es mit der Internetadresse cdu-bayern.de auf sich?

Seit ein paar Tagen gibt es die Internetadresse cdu-bayern.de, ohne dass dort bisher Inhalte hinterlegt sind. Registrieren kann zunächst einmal jeder eine Seite. Bei der Adresse cdu-bayern.de gibt es Verbindungen, die zum Münchner Flüchtlingshelfer und Kulturveranstalter Till Hofmann führen. Eine Antwort auf eine Anfrage von t-online.de steht noch aus.

Auf dem gleichen Server wie cdu-bayern.de wurden auch die Seite der Münchner Lach- und Schießgesellschaft eingerichtet, die des Münchner"Lustspielhauses", sowie eine Seite von Hofmanns Agentur Eulenspiegel-Concerts und eine seiner Gastronomiebetriebe. Dem Deutschlandfunk hatte er erklärt, Söder sei ein "Machtmensch", der inzwischen jede Haltung aufgegeben habe.

Und Adressen für Landesverbände der CSU?

Gibt es umgekehrt auch schon, sie wurden am Mittwoch reihenweise registriert. Eine konzertierte Aktion war das Reservieren dieser Adressen offenbar nicht. Diverse unterschiedliche Dienstleister wurden zur Registrierung genutzt.

Immerhin: csu-bw.de, csu-thueringen.de, csu-hamburg,de, csu-saar.de, csu-sachsen-anhalt.de liegen bei einem Anbieter in Bayern, bei Hetzner im fränkischen Gunzenhausen. Die csu-sachsen.de ist bei einem US-Anbieter registriert worden, die Adresse csu-bremen.de in Dänemark. Lediglich für Mecklenburg-Vorpommern war am Mittwoch noch keine CSU-Adresse gesichert. Wer die Seiten registriert hat, ist nicht mehr öffentlich zu sehen, weil diese Angabe als Folge der Datenschutzgrundverordnung verborgen wird.

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Und in sozialen Netzwerken gibt es auch schon Accounts?

Ja, das Twitter-Konto "CDU Bayern" gibt es schon lange. In den vergangenen Tagen sind noch weitere ähnliche Konten angelegt worden. Der älteste Account gehört nach eigenen Angaben einem Unternehmer aus dem Raum Mainz, passives CDU-Mitglied, aber oft in Kontakt mit politisch Verantwortlichen und Politikberatern. Er hatte den Account schon im Dezember 2015 eingerichtet, als Reaktion auf Seehofers unerbittliche Haltung zur Obergrenze.

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Als der Streit anhielt, erklärte er im September 2016 in einem Interview: "Merkel und ihre Unterstützer müssten in der Kommunikation stärker in die Offensive gehen und die CSU nach deren Antworten fragen. Eine mögliche Parteigründung wäre ein probates Mittel zur Disziplinierung."

Auf Facebook gibt es bereits seit vier Jahren die "CDU Bayern in Gründung", damals in erster Linie aus Ärger über die von der CSU geforderte Pkw-Maut entstanden. Dort wird aber die Flüchtlingspolitik und die Haltung der Kanzlerin regelmäßig verteidigt und die der CSU kritisiert.

Ist eine CDU-Teilnahme an der bayerischen Landtagswahl noch möglich?

Sehr unwahrscheinlich, sehr schwierig, aber noch möglich. Weil die CDU im Bundestag vertreten ist, gilt für sie die erste Frist 16. Juli nicht. Sie müsste bis zum 2. August, 18 Uhr, Wahlvorschläge beim Landeswahlleiter einreichen. Dazu müssten Listen- und zumindest einige Direktkandidaten gefunden und von noch zu gründenden Parteigliederungen bei Versammlungen gewählt werden. Christian Bäumler, Vizevorsitzender des CDU-Arbeitnehmerflügels, sieht in der Kandidatenkür kein Problem: "Die CDU hat genug personelles Potenzial." Auch ein Landesverband müsste gebildet werden. Die kleinste Hürde: Es müssten je nach Regierungsbezirk zwischen 850 und 2.000 Unterstützerunterschriften gesammelt werden. Das Szenario ist insgesamt aber sehr unrealistisch.

Dieser Text wurde am 1. Juli aktualisiert.

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