TV-Kritik zu Maischberger Bei einem Thema platzte Julia Klöckner der Kragen
Mit dem TV-Film "Unterwerfung" nach dem Roman von Michel Houellebecq hat Das Erste am Mittwochabend mal wieder die Islam-Debatte aufgemacht. Bei Sandra Maischberger ging es im Anschluss hitzig weiter.
Die Gäste
- Julia Klöckner (CDU), stellvertretende Bundesvorsitzende
- Bettina Gaus, Journalistin
- Necla Kelek, Autorin
- Haluk Yildiz, Vorsitzender der BIG-Partei
- Jan Fleischhauer, Journalist
Die Fronten
Ausgangspunkt des Talks war – wie Maischberger es nannte – Houellebecqs "verstörende Vision" von einer westlichen Gesellschaft, die sich durch einen muslimischen Staatspräsidenten schleichend islamisiert. Maischberger stellte die Ausgangsfrage, ob diese Fiktion in Deutschland Realität werden könne. "Ich habe keine Angst vor Islamisierung in Deutschland", betonte Klöckner. Fundamentalistischen Tendenzen müsse man mit Integration in der Mitte begegnen. Dazu passe weder die Angst vor dem Untergang des christlichen Abendlandes, noch die Islamophobie-Keule.
Allerdings zog die Unionspolitikerin eine rote Linie: Ein intolerantes Frauenbild unter Rücksicht auf kulturelle Vielfalt zu akzeptieren, sei ignorant. Dafür bekam sie Applaus von Necla Kelek. Die Islam-Kritikerin betonte, der Islam sei eine Religion der Unterwerfung der Frau. Der aus Zuschauersicht links im Studio platzierten Journalistenbank mit Bettina Gaus und Jan Fleischhauer kam indes eine eher eine vermittelnde Rolle zu.
Schlechte Schulen nicht Schuld von Muslimen
Fleischauer beruhigte, er sehe keine schleichende Islamisierung in Deutschland. Die Angst in Teilen der Gesellschaft sei durch das schwindende Interesse am Christentum bedingt. Man sei eben erstaunt, dass Muslime "noch an was glauben". Gaus meinte, jedes Gespräch über Weltanschauung und Religion könne Angst und Schrecken erzeugen. Man dürfe den Islam nicht pauschal verurteilen.
Beide versuchten immer wieder, die Diskussion mit sozialpolitischen Argumenten zu prägen. Etwa, als Gaus mit Blick auf Schulen mit hohem Anteil an Migranten daran erinnerte, dass die Zustände dort nicht die Schuld der Muslime seien, sondern einer verfehlten Schulpolitik.
Die wahre Konfrontation des Abends lief jedoch zwischen Klöckner und Kelek auf der einen Seite und Haluk Yildiz auf der anderen ab.
Der Aufreger des Abends
Der muslimische Politiker neigte nämlich zur aggressiven Verteidigung seiner Positionen und zum trotzigen Rückzug in die Opferrolle – was er aber beharrlich abstritt. Beispiele gefällig? Kelek betonte, es sei soziale Realität, dass in Afrika oder Indonesien der Islam durch Diktatoren politische Macht bekomme. Die Entwicklungen in diesen Ländern beeinflussten auch die Muslime, die hier lebten.
Das sei Stigmatisierung, wetterte dagegen Yildiz. Der Islamexperte manövrierte sich aber ins Abseits. So warf Fleischhauer Yildiz vor, bewusst mit der Tatsache zu spielen, dass Minderheitenschutz in Deutschland ein sensibles Thema ist. Da falle schnell das Argument der Stigmatisierung. Zudem würden Islam-Verbände gerne auf die religiösen Gefühle von 4,5 Millionen Muslimen in Deutschland verweisen – die sie aber gar nicht alle repräsentierten, so Fleischhauer.
Klöckner platzt der Kragen
Heftig wurde es, als Yildiz Klöckner das muslimische Frauenbild erklären wollte. Ein Imam hatte im Vorfeld eines Besuchs der Politikerin betont, er werde ihr nicht die Hand geben. Statt mit Respektlosigkeit habe das vielmehr mit Anstand vor der Frau und innerer ritueller Einkehr zu tun. Man müsse die Dinge erst verstehen, bevor man sie verurteile. Da platzte Klöckner der Kragen: "Ich kann das nicht mehr hören."
Wenn Yildiz' Ansatz sei, "wir müssen erst einmal verstehen", dann werde Integration nicht gelingen. Gleichberechtigung sei ein wesentliches Grundrecht. Yildiz konterte, Klöckner bewege sich nicht "auf dem Boden des Grundgesetzes". Die Religionsfreiheit sei ein Grundrecht, über das sie nicht die Deutungshoheit habe. Das sei "eine steile These" so Klöckner.
Der Faktencheck
Indifferenter war die Haltung der Runde bei der Diskussion über die Streichung von Schweinefleisch von Schulspeiseplänen oder der Umbenennung von St. Martin oder Weihnachten aus religiösen Gründen. So meinte Fleischhauer, ihm sei noch nie ein Muslim begegnet, der verstört gewesen sei, wenn er ihm Frohe Weihnachten gewünscht habe. Gaus dagegen meinte, man dürfe aus der Überlegung zum Schweinefleisch keine Ideologie machen.
In der Tat haben aber manche Kitas St. Martin aus religiösen Erwägungen heraus in "Laternen"- oder "Sonne, Mond und Sterne"-Fest umbenannt. Die Betreiber der Einrichtungen wollten religiöse Neutralität wahren, hieß es. Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime konterte diese Erwägungen seinerzeit mit dem Hinweis, auch für Muslime sei der Gerechtigkeitssinn von St. Martin ein Leitmotiv.
Religiöse Gründe können auch ausschlaggebend sein, in Kindergärten und Schulen kein Schweinefleisch mehr zu servieren. Ein anderer Grund: Der wachsende Wunsch nach vegetarischer Ernährung. Daher sei die Entscheidung der Anbieter, Schweinefleisch von der Karte zu nehmen, häufig pragmatisch motiviert, wie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) festgestellt hat. Die Hersteller wollten schlicht nicht auf ihren Mahlzeiten sitzen bleiben.
- Artikel im "Stern": Linke will Sankt Martin an den Kragen
- Artikel bei "Welt": Die Angst vor der Diskriminierung durch Sankt Martin
- Artikel bei "Telepolis": Zentralrat der Muslime verteidigt Sankt Martin
- Artikel beim "Hamburger Abendblatt": Darum verschwinden in vielen Schulen Schnitzel vom Teller