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Zum journalistischen Leitbild von t-online.DDR-Dissident nach Äußerungen entlassen Stasi-Gedenkstätte: Kein Ort für AfD-Sympathien
In der DDR saß Siegmar Faust im Gefängnis, danach gab er Führungen im ehemaligen Stasi-Knast in Hohenschönhausen. Nachdem er sich der AfD zuwendet und einen Holocaust-Leugner verteidigt, reagiert die Gedenkstätte.
Die Gedenkstätte im ehemaligen Stasi-Gefängnis in Berlin-Hohenschönhausen trennt sich von dem DDR-Dissidenten und früheren politischen Gefangenen Siegmar Faust. Wie der Direktor der Einrichtung, Hubertus Knabe t-online.de bestätigte, werde Faust bis auf Weiteres nicht mehr mit Führungen in der Gedenkstätte betraut.
"In der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen arbeiten mehr als 150 Mitarbeiter. Da kann es auch mal vorkommen, dass jemand Unsinn redet – vor allem, wenn er jahrelang in der DDR im Gefängnis saß", so Knabe weiter. "Es ist jedoch ganz klar, dass man nur dann glaubhaft über eine Diktatur aufklären kann, wenn man für die Werte des Grundgesetzes einsteht."
Keine "Relativierung von Diktaturen"
Hintergrund der Trennung sind AfD-nahe und den Holocaust leugnende Aussagen des 73-Jährigen. Faust hatte in einem Gespräch mit der "Berliner Zeitung" Partei für Ex-RAF-Anwalt Horst Mahler ergriffen, der wegen Holocaust-Leugnung im Gefängnis sitzt. Er habe keine Sympathie für Horst Mahler, sagte Faust. Doch er finde es "unerträglich, was die Justiz da macht" und frage sich mit Blick auf die sechs Millionen von den Nationalsozialisten ermordeten Juden: "Ist die Zahl sechs Millionen heilig?"
Knabe distanzierte sich entschieden von Fausts Äußerungen: "Für eine Relativierung von Diktaturen jedweder Art gibt es hier keinen Platz. Das gilt auch für sonstige Äußerungen, die die Würde des Menschen missachten", so der Gedenkstättendirektor. "Sympathien für Parteien, die wie die AfD die Aufarbeitung von Diktaturen ablehnen, verbieten sich an diesem Ort."
Nach dem Vorfall und der schnellen Trennung von Faust ist die Gedenkstätte bemüht, den Schaden zu begrenzen. "Die zitierten Äußerungen sind nach Auffassung der Stiftung geeignet, das Anliegen der Aufarbeitung der SED-Diktatur insgesamt und damit auch die Arbeit der Gedenkstätte und ihrer Mitarbeiter massiv zu beschädigen", sagte Knabe der "Berliner Zeitung".
14 Monate in unmenschlicher Einzelhaft
Der im sächsischen Dohna geborene Faust saß vor der Wende wegen regimekritischer Äußerungen mehrfach in der DDR im Gefängnis. Unter anderem musste er mehr als 400 Tage im berüchtigten Zuchthaus von Cottbus in einer Einzelzelle verbringen, dem "Tigerkäfig". Während der Haft verbreitete er die handgeschriebene Zeitung "Armes Deutschland" – als Antwort auf das SED-Zentralorgan "Neues Deutschland". 1976 wurde er von der Bundesrepublik freigekauft.
Gegenüber der "Berliner Zeitung" hatte sich Faust den flüchtlingsfeindlichen Positionen der AfD angeschlossen. Angesprochen auf den für seine rassistischen und geschichtsrevisionistischen Äußerungen bekannten Partei-Rechtsaußen Björn Höcke, sagte Faust: "Bei der AfD finde ich niemanden, den ich als Nazi bezeichnen würde."
- Bericht der "Berliner Zeitung"
- Eigene Recherchen