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"Wunschträume der Industrie" | Kurz plant leise Einführung des 12-Stunden-Tages


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"Wunschträume der Industrie"
Kurz plant leise Einführung des 12-Stunden-Tages


Aktualisiert am 26.04.2018Lesedauer: 3 Min.
Sebastian Kurz (ÖVP) und Heinz-Christian Strache (FPÖ): Die österreichische Regierung will offenbar bis zum Sommer das umstrittene Arbeitszeitgesetz auf den Weg bringen.Vergrößern des Bildes
Sebastian Kurz (ÖVP) und Heinz-Christian Strache (FPÖ): Die österreichische Regierung will offenbar bis zum Sommer das umstrittene Arbeitszeitgesetz auf den Weg bringen. (Quelle: dpa)

Arbeitnehmer in Österreich sollen bald täglich 12 Stunden arbeiten dürfen – droht damit eine 60-Stunden-Woche? Kanzler Kurz fordert einen flexiblen Arbeitsmarkt. Gewerkschaften befürchten einen Flächenbrand in Europa.

In der zweiten Hälfte des Jahres übernimmt Österreich die EU-Ratspräsidentschaft. Um in dieser Zeit große gesellschaftliche Debatten zu vermeiden, will Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bis zum Sommer noch einige unpopuläre Maßnahmen auf den Weg bringen. Darunter ist wohl auch ein Gesetz zur Arbeitszeitflexibilisierung.

Die österreichische Koalition plant, den 12-Stunden-Tag und die 60-Stunden-Woche gesetzlich zu ermöglichen. "Der Staat darf den Unternehmen nicht im Weg stehen", sagte Kurz bereits bei den Koalitionsverhandlungen im Dezember. "Es soll gearbeitet werden, wenn Arbeit anfällt und gleichzeitig mehr Zeit für die Familie geben." Auch Vizekanzler Heinz-Christian Strache spricht sich für die Arbeitszeitreform aus: "Österreich ist in vielen Bereichen vom Spitzenfeld ins Mittelfeld abgerutscht", kritisiert der Chef der rechtspopulistischen FPÖ.

Aber was plant die österreichische Regierung eigentlich? Laut Regierungsprogramm von ÖVP und FPÖ soll die tägliche Höchstarbeitszeit in Österreich auf 12 Stunden erhöht werden – maximal sollen 60 Stunden erlaubt sein. Die grundsätzliche Wochenarbeitszeit soll allerdings bei 40 Stunden bleiben, langfristig darf sie im Schnitt auch weiterhin 48 Stunden nicht überschreiten. Voraussetzung für eine längere Arbeitszeit ist, dass sich Unternehmensführung und Betriebsrat darauf einigen – gibt es keinen Betriebsrat, müssen die Mitarbeiter selbst zustimmen.

"Wunschträume der Industrie"

Das Problem: In Österreich gibt es besonders bei kleineren und mittleren Unternehmen wenig Betriebsräte. "Die Regierung hat immer betont, es solle "Freiwilligkeit" herrschen. Für den einzelnen Beschäftigten wäre es in der Realität eher schwierig, den 12-Stunden-Tag abzulehnen", kritisiert Alexa Jirez, Pressesprecherin vom Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB), gegenüber t-online.de. "Hier sollen Wunschträume von Industrie und Großunternehmern erfüllt werden, die am liebsten Arbeit auf Abruf hätten."

Obwohl die Regierung in Österreich die öffentliche Debatte scheut, wächst der Druck auf ÖVP und FPÖ. Besonders die FPÖ fürchtet um Wähler, die dem Arbeitermilieu zuzuordnen sind. Deshalb wird Strache mittlerweile auch persönlich in den sozialen Netzwerken von FPÖ-Wählern angefeindet. Er konterte auf Facebook mit einem "Fake-News"-Vorwurf: "Eine von den Medien bewusst fälschlich behauptete 60 Stunden-Woche wird es mit der FPÖ nie geben."

"Super Leistung! Ihr Verbrecher!", kontert ein Leser auf Twitter. Auch die österreichischen Gewerkschaften sehen die Darstellung der Regierung skeptisch. "Es ist nicht glaubhaft, dass die Regierung die 40-Stunden-Woche unangetastet lässt. Dadurch könnten Zuschläge entfallen, die Belastung für Arbeitnehmer wäre außerdem viel zu hoch", meint Jirez.

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Ein konkretes Gesetz hat die österreichische Regierung noch nicht auf den Tisch gelegt. Es ist die Ruhe vor einem möglichen Sturm in Österreich. "Es gibt noch kein konkretes Gesetz. Sollten sich unsere Befürchtungen bewahrheiten und die Regierung eine 60-Stunden-Woche einführen, wird das auf Widerstand stoßen", kündigt Jirez an. "Die allerletzte mögliche Eskalationsstufe, wenn alle anderen Mittel ausgeschöpft sind, wären Streiks."

Die Angst ist auch im Ausland groß. Eine größere Arbeitsmarktflexibilität in Österreich könnte andere europäische Partner dazu zwingen, nachzuziehen. Ein Flächenbrand mit möglichen Arbeitskämpfen droht. Wie der ÖGB bestätigt, stünde die Gewerkschaft in engem internationalen Austausch, auch mit deutschen Gewerkschaften. Aktionen sind von Gewerkschaftsseite bislang aber noch nicht geplant. Man warte bis ein Gesetzesentwurf steht. Aber: "Die österreichische Regierung produziert momentan vor allem nur Überschriften", kritisiert Jirez.

*In einer früheren Version des Artikels hatten wir geschrieben, dass es in Österreich wenig Betriebsräte gibt. Dies trifft aber vor allem auf kleine und mittlere Unternehmen zu. Wir bitte um Entschuldigung.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Regierungsprogramm von ÖVP und FPÖ
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