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Dresdens Ex-Bürgermeister Ingolf Roßberg beklagt zunehmende Ignoranz


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Dresdens Ex-Bürgermeister
"Man schreit sich an, beschimpft sich in den sozialen Medien"

MeinungEin Gastbeitrag von Ingolf Roßberg

03.02.2018Lesedauer: 3 Min.
Dresdens früherer Oberbürgermeister Ingolf Roßberg: Der FDP-Politiker sieht Deutschland noch längst nicht vereint.Vergrößern des Bildes
Dresdens früherer Oberbürgermeister Ingolf Roßberg: Der FDP-Politiker sieht Deutschland noch längst nicht vereint. (Quelle: Ralf Hirschberger/dpa-bilder)

In der DDR studierte er, wurde Vater. Nach der Wende stieg Ingolf Roßberg zum Dresdner Oberbürgermeister auf. In seinem Gastbeitrag beklagt er zunehmende Ignoranz zwischen Ost und West.

Es macht mich schon etwas traurig, dass uns über 28 Jahren nach dem Mauerfall die Frage nach der Überwindung der Teilung noch immer umtreibt. Als ich vor über 15 Jahren in Wuppertal in der Kommunalpolitik an verantwortlicher Stelle arbeitete, war ich erschreckt zu hören, dass damals nur knapp ein Drittel der Westdeutschen jemals den Osten besucht hatte. Und bis heute sind es nicht wesentlich mehr als 50 Prozent – in über 28 Jahren.

Westdeutsche reden sehr oft über Ostdeutschland, ohne die neuen Länder jemals besucht zu haben. Umgekehrt gibt es auch bei vielen Ostdeutschen Vorbehalte gegenüber Westdeutschen, was vielfach mit ihren Biografien zu tun hat, mit der massiven Deindustrialisierung nach der Wende. Viele Ostdeutsche fühlen sich noch immer gegängelt. Auch in der Politik gibt es noch diesen belehrenden Ton.

Die Bildung hat versagt

Hier hat auch die Bildung versagt: Wie man den Ostdeutschen nach der Wende den Westen näher bringen musste, so hätte man den Osten den Westlern nähern bringen müssen. Wenn ich heute auf die DDR zurückblicke, so sehe ich manches Böse, aber auch einiges Gute.

Ich habe in der DDR meine Frau kennengelernt, mit der ich seit über drei Jahrzehnten verheiratet bin. Unser erstes gemeinsames Kind ist ein DDR-Kind, unser zweites wurde in der DDR gezeugt und im wiedervereinigten Deutschland geboren, das dritte ist ein Vereinigungskind. Ich habe eine hervorragende Ingenieurausbildung genossen. Dann aber verbaute mir die DDR meine Karriere bei der Reichsbahn, weil ich mich strikt geweigert habe, in die SED einzutreten. Es war eine der bittersten Erfahrungen meines Lebens.

Dramatische Wendezeit

In der Wendezeit habe ich dramatische Tage erlebt. Wir wohnten damals in der Dresdner Innenstadt. Vom Wohnzimmer aus sah ich die Polizei aufmarschieren. Meine Frau war an einem Abend bei einer Feier und nur unter Polizeibewachung konnte sie damals in unsere Wohnung zurückkehren. Das ging unter die Haut.

Ich war damals in der LDPD und Mitglied der Dresdner Stadtverordnetenversammlung. Nach dem politischen Umbruch gründeten wir als erste unsere Fraktion neu.

Ich wurde Dezernent für Stadtentwicklung und hatte die dankbare Aufgabe, meine Heimatstadt in die Neuzeit zu führen. Ich habe damals das Ziel ausgegeben: Dresden muss wieder eine der schönsten Städte in Deutschland werden. Ich bin dafür belächelt worden, man hielt es nicht für möglich. Und wenn man sich vor Augen führt, wie die Stadt damals aussah, hatten die Leute allen Grund, sich an den Kopf zu fassen.

Aber ich habe recht behalten. Auch das ist die Bilanz der vergangenen 28 Jahre.

Einmal wurde riesige Solidarität sichtbar

Was Ost und West gemeinsam schaffen können, habe ich 2002 bei der Hochwasserkatastrophe an der Elbe gesehen. Ich war damals Oberbürgermeister in Dresden. Dieser Zusammenhalt von Alt und Jung, von Ost und West. Dieses Unterhaken, diese Haltung: da müssen wir jetzt durch und anschließend bauen wir wieder auf.

Wir standen als Stadt unter einem gewaltigen Spardruck. Und dann kam diese unglaubliche Welle der Solidarität. Aus Hamburg bekamen wir allein 50 Millionen Euro, auch aus Stuttgart kam ein Millionenbetrag, dazu Einzelspenden und die Hilfsprogramme des Bundes. Leute im Westen haben sich Urlaub genommen, um uns zu helfen. Da sage ich noch heute: Danke.

Das war ein Geist, der uns heute gut täte. Nur leider ist die Bereitschaft, Verständnis füreinander aufzubringen, ein ganzes Stück verloren gegangen. Man schreit sich an, beschimpft sich in den sozialen Medien. Unser ganzes Gemeinwesen nimmt daran Schaden.

Wir sollten stattdessen einander mehr zuhören um einander zu verstehen. Das gilt auch für das Verhältnis von Ost und West. Es geht doch um unser gemeinsames Land, das wir gemeinsam voranbringen sollten.

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