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Pfefferspray ist eine unterschätzte Waffe


Verkauf im Drogeriemarkt
Pfefferspray ist eine unterschätzte Waffe

23.08.2016Lesedauer: 4 Min.
"Animal Stop" - ein sogenanntes "Tierabwehrspray" kann man jetzt auch im Drogeriemarkt kaufen.Vergrößern des Bildes
"Animal Stop" - ein sogenanntes "Tierabwehrspray" kann man jetzt auch im Drogeriemarkt kaufen. (Quelle: dpa-bilder)

Pfefferspray als Mitnahme-Artikel im Drogeriemarkt: Für die einen ein "Geschäft mit der Angst", das für eine Schein-Sicherheit sorgt. Für die anderen sind die Sprays ein effektives Mittel der Selbstverteidigung.

Was bringt der Kauf eines Pfeffersprays im dm-Laden? Wir haben über das Für und Wider mit der Gewerkschaft der Polizei (GdP) und dem Sprecher des Verbands Deutscher Büchsenmacher und Waffenfachhändler (VDB) gesprochen.

Spray kann Selbstbewusstsein steigern

"Wenn sich der Käufer eines Sprays sicher fühlt, ist das Ziel bereits erreicht", sagt Ingo Meinhard vom VDB. Denn der psychologische Effekt sei nicht zu unterschätzen: Wenn jemand in einer bedrohlichen Situation sein Spray umklammert und eine "Ich-wehre-mich"-Körperhaltung einnimmt, wird das der potenzielle Angreifer wahrnehmen und möglicherweise von einem Überfall absehen.

Und der Fachmann weiß: Im Notfall sind Pfeffersprays äußerst effektiv. "Wenn man das richtige Spray einsetzt, hat das Opfer bei einem Überfall zumindest die Möglichkeit, die Flucht zu ergreifen und die Polizei zu verständigen", sagt Meinhard.

Große Unterschiede bei Anwendung

Die Bedienung ist eigentlich einfach: "Die Spraydosen sind ergonomisch sicher - ich kann nur von mir wegsprühen", erläutert der Mann vom VDB. Doch es gibt diverse Arten von Sprays für ganz unterschiedliche Einsatzzwecke - ein Beratungsgespräch im Fachgeschäft ist für Meinhard daher unerlässlich.

Bestimmte Pfeffersprays versprühen das Gas in einer Wolke. Wenn der Angreifer im Freien in zwei, drei Metern Entfernung steht, bleibt das Spray wirkungslos - "es erreicht den Aggressor schlichtweg nicht". In geschlossenen Räumen ergibt der Einsatz nur Sinn, wenn man sich sofort nach dem Versprühen entfernen kann, sonst wird man selbst in Mitleidenschaft gezogen. Etwas anderes sind Sprays, die ein wasser- oder gelhaltiges Treibgas verwenden. Damit lässt sich auch gegen den Wind sprühen, sie treffen punktgenau und zielsicher das Gegenüber.

Einsatz gegen Menschen strafbar

Das Gefährlichste an einem Pfefferspray ist für Meinhard jedoch der Einsatz in einer falschen Situation. Pfefferspray enthält den Wirkstoff Oleoresin Capsium, ein Extrakt aus Paprika, Chilis oder Cayenne-Pfeffer, in Alkohol gelöst und anschließend mit Wasser vermischt. Der Wirkstoff ist in Deutschland nicht zugelassen. Es handelt sich um eine klassische Waffe im Sinne des Waffengesetzes. Für den Kauf ist daher der "Kleine Waffenschein" erforderlich, das Mindestalter beträgt 14 Jahre.

Die Drogeriekette dm schreibt daher von einem "Tierabwehrspray". Damit umgeht der Anbieter die Zulassung, das heißt, jeder darf ein Spray zur Abwehr aggressiver Tiere kaufen, besitzen und bei sich tragen - bei einer Polizeikontrolle sollte man also auf die Angst vor Tieren beim Joggen im Wald verweisen, sonst gibt es Ärger. Bei Großveranstaltungen, Konzerten und dergleichen ist Pfefferspray natürlich verboten.

Der Einsatz von Pfefferspray gegen Menschen erfüllt den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung und ist strafbar - wenn nicht Notwehr vorliegt. Ob es sich um eine Notwehr-Situation gehandelt hat, entscheidet der Richter.

Objektive contra subjektive Sicherheit

Kein Wunder, dass die Polizei dem Kauf eines Pfeffersprays im Drogeriemarkt ziemlich skeptisch gegenübersteht. "Wir sind gegen diesen Trend zur Selbstbewaffnung", heißt es. "Wer glaubt, er oder sie sei sicher, weil Pfefferspray in der Tasche ist, der irrt", sagt Wolfgang Schönwald von der Gewerkschaft der Polizei. Überfälle verlaufen oft sehr schnell, berichtet Schönwald. Ob dann das Pfefferspray in der Handtasche wirklich sofort griff- und einsetzbar ist, sei fraglich.

Der Angreifer nutzt den Überraschungsmoment und die aufsteigende Panik des Opfers aus. Bis die Situation richtig erfasst ist, ist der Täter dann schon am Opfer dran und spielt häufig seine körperliche Überlegenheit aus. Wer in dieser Situation die Sprühdose nicht bereits in der Hand hat, wird es kaum noch einsetzen können.

Falls der Angriff bereits erfolgt ist, das Opfer nichts mehr zu verlieren hat und irgendwie doch noch an das Pfefferspray kommt, kann der Einsatz eines Sprays ein Mittel der allerletzten Wahl darstellen, so Schönwald. Allerdings muss das Opfer damit rechnen, selbst durch das Spray verletzt zu werden.

Besser: Gefahrensituationen meiden

Doch bisweilen schätzen die Überfallenen die Situation auch einfach nur falsch ein. So kann durch den Einsatz von Pfefferspray ein ursprünglich geplanter Handy- oder Handtaschenraub schnell eskalieren und zum Einsatz von Gewalt führen, warnt der Beamte.

Viel besser sei es aber, Gefahrensituationen - wenn möglich - aus dem Weg zu gehen. Das bedeutet etwa, in den Abendstunden dunkle Bereiche zu meiden und dafür lieber einen Umweg in Kauf zu nehmen. In öffentlichen Verkehrsmitteln ist ein Sitzplatz in der Nähe von anderen Fahrgästen vielleicht die bessere Wahl.

Sollte es dennoch zu einer Bedrohung kommen, rät Schönwald dazu, lauthals zu schreien und so viel Aufmerksamkeit wie möglich zu erzeugen. Eventuell könnten dann auch Kenntnisse aus einem Selbstverteidigungskurs weiterhelfen.

"Vieles ist einfach nur Kommerz"

Neben Pfeffersprays werden noch eine Reihe weiterer Notfall-Helfer angeboten: Etwa der sogenannte Schrill-Alarm, der einen bis zu 140 Dezibel lauten, ohrenbetäubenden Lärm erzeugt, spezielle Taschenlampen mit extrem hellem und nervigem Flackerlicht oder Farbsprays, die den Täter mit hellroter, wasserfester Farbe markieren sollen.

Ob man diese Utensilien im Falle eines Falles dann auch schnell genug einsatzbereit hat und in der Aufregung richtig bedient, ist - wie schon beim Pfefferspray - fraglich. Die Polizei hält daher auch von diesen Hilfsmitteln nur wenig. "Nicht alles, was angeboten wird, ist tatsächlich auch hilfreich", sagt Schönwald. "Vieles ist einfach nur Kommerz."

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