Drosten platzt der Kragen "Ihr Verhalten ist hinterhältig": Virologen-Streit eskaliert
Der Umgang mit dem Coronavirus ist ein hochumstrittenes Thema. Zwist herrscht dabei auch zwischen manchen Virologen. Ein Streit auf X ist jetzt eskaliert.
Knapp vier Jahre sind nun vergangen, seitdem Deutschland am 16. Dezember 2020 in den zweiten Lockdown der Corona-Pandemie gegangen ist. Das öffentliche Leben lag über Weihnachten und Neujahr weitgehend still. Auch Kitas und Schulen wurden bis zum 10. Januar 2021 geschlossen.
Die Aufarbeitung der Corona-Politik und einzelner Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie sind noch immer ein großer Streitpunkt in der Politik und unter Fachleuten. Die Debatte ist nun um ein Kapitel reicher: Die beiden Virologen Christian Drosten und Jonas Schmidt-Chanasit haben sich auf X ein hitziges Wortgefecht über die Rolle Drostens während der Pandemie geliefert.
Schmidt-Chanasit fordert Drosten heraus
"'Wir meinten, es besser als andere zu wissen, lagen aber dramatisch falsch.' Die Frage ist: Warum wurden diejenigen Stimmen, die richtig lagen, nicht gehört?", schrieb Schmidt-Chanasit am vergangenen Montag auf der Plattform und setzte dazu das Schlagwort "#Drosten".
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Schmidt-Chanasit zitierte in dem Beitrag offenbar aus einer Stellungnahme, die der FDP-Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki am selben Tag auf seiner Website veröffentlicht hatte. Kubicki hatte sich darin zu einem Streit geäußert, den er zuvor mit dem ehemaligen Vorsitzenden des deutschen Ethikrats, Peter Dabrock, zum Wirken des Gremiums während der Corona-Pandemie geführt hatte. "Das 'Wir wussten es nicht besser' (oder: 'unterschiedliche Governance-Einschätzungen in unterschiedlichen Pandemie-Phasen'), muss daher eigentlich lauten: 'Wir meinten, es besser als andere zu wissen, lagen aber dramatisch falsch'", schrieb Kubicki darin.
"Gerne, lieber Christian"
Christian Drosten fühlte sich von Schmidt-Chanasits Beitrag offenbar herausgefordert und fragte ihn am vergangenen Mittwoch, wo er konkret glaube, richtig gelegen zu haben, und wo er meine, nicht gehört worden zu sein.
"Gerne, lieber Christian", schrieb Schmidt-Chanasit daraufhin an Drosten, der ihn zuvor gesiezt hatte. "Während Du z. B. 2020 in einem Preprint vor der Öffnung der Schulen gewarnt hast und später für Impfungen bei gesunden Kindern unter 12 Jahren gegen die STIKO-Empfehlung (Ständige Impf-Kommission, Anm. der Red.) plädiert hast, habe ich von Anfang an für offene Schulen, besseren Schutz der Vulnerablen & gegen gesellschaftliche Spaltung plädiert." Dafür aber habe er "massive Kritik" einstecken müssen. Heute hingegen würden seine Vorschläge als richtig gelten – "leider zu spät".
Schmidt-Chanasit kritisiert Drosten für TV-Beitrag
Drosten aber ließ das nicht auf sich sitzen. "Herr Schmidt-Chanasit hatte also zum Schulthema eine unterdrückte Meinung", antwortete der Virologe und verlinkte dazu eine Stellungnahme der Gesellschaft für Virologie aus dem August 2020. Diese hatte auch Schmidt-Chanasit unterzeichnet. Darin sprachen sich die Experten für eine Offenhaltung der Schulen im kommenden Winter aus. Die Argumentation: Eine Covid-Erkrankung bei Kindern verlaufe zumeist glimpflicher als bei Erwachsenen. Zudem sei es wichtiger, Neuinfektionen im privaten Umfeld zu verhindern, um die Eintragung des Virus in Schulen zu stoppen.
Ferner forderte Drosten einen Beleg dafür, dass er "gegen eine bestehende Stiko-Empfehlung zur Impfung gesunder Kinder unter 12 Jahren geraten" habe. Den lieferte Schmidt-Chanasit seiner Ansicht nach direkt.
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Dazu teilte letzterer einen "Tagesthemen"-Beitrag vom Dezember 2021. Darin äußerte sich Drosten "froh" über die Stiko-Empfehlung zur Impfung von Kindern mit Vorerkrankungen zwischen fünf und elf Jahren. Die Entscheidung lasse weiter Interpretationsspielraum und eröffne denjenigen Kindern und ihren Eltern, die es wollen, sich impfen zu lassen. "Ich kann wirklich nur raten, die Kinder impfen zu lassen", hatte Drosten damals mit Blick auf den Schulbetrieb und Vorerkrankungen gesagt.
"Ihr Verhalten ist hinterhältig"
Dann platzte Drosten offenbar der Kragen. Der Virologe antwortete seinem Kollegen mit einem umfangreichen Beitrag. Er warf Schmidt-Chanasit darin "privaten Belastungseifer" und eine Täuschung der Öffentlichkeit vor. "Sie scheinen zudem die Stiko zu einer Verbotsinstanz stilisieren zu wollen, die bestimmt, was Ärzte dürfen und nicht dürfen." Dabei hätten die Empfehlungen der Kommission stets Ermessensspielraum gelassen. "Natürlich" dürften sich Experten jeder Art dazu im Fernsehen äußern.
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Doch damit nicht genug: "Sie konstruieren hier am Schreibtisch mit drei Jahren Zeitabstand einen Vorwurf, der keinerlei Grundlage hat", so Drosten weiter. Er vermutete, dass Schmidt-Chanasits "Claqueure" auf X, die dieser "dank der jahrelangen Stichelei und den Algorithmen auf dieser Plattform um sich versammelt" habe, ihm dazu auch noch Beifall spendeten.
"Aber machen auch Sie sich klar: diese Plattform ist nicht die Wirklichkeit", schrieb Drosten. Und weiter: "Ihr Verhalten ist hinterhältig, nicht nur den Kolleginnen, sondern insbesondere auch der Öffentlichkeit gegenüber." Schmidt-Chanasit reagierte darauf bislang noch nicht.
Zwei Virologen, zwei Meinungen
Christian Drosten leitet das Institut für Virologie an der Berliner Charité. Der 52-Jährige war während der Pandemie wohl eine der medial präsentesten Figuren der Bundesrepublik. Er beriet Politik und Behörden zum Umgang mit der Pandemie, gehörte zwischen Dezember 2021 und April 2023 dem Corona-Expertenrat der Bundesregierung an. Drosten plädierte stets für einen vorsichtigen Umgang mit dem Coronavirus und einen breiten Schutz der Bevölkerung durch Impfungen.
Auch Jonas Schmidt-Chanasit war während der Pandemie ein in den Medien gefragter Mann. Der Leiter des Lehrstuhls für Arbovirologie an der Universität Hamburg hob dabei stets den Schutz besonders gefährdeter Menschen hervor, zweifelte jedoch auch den Sinn einer flächendeckenden Maskenpflicht an.
- x.com: Beiträge von @c_drosten und @ChanasitJonas
- wkubicki.abgeordnete.fdpbtg.de: "Meine Antwort an Professor Dabrock"