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Panzermuseum in der Heide: Bundeswehr zeigt Panzer-Modelle aus Ukraine-Krieg


"Das sind Gewaltmaschinen"
Dieses Museum will kein Panzerquartett mehr sein


23.12.2024Lesedauer: 7 Min.
Ralf Raths im Deutschen Panzermuseum: Die Geschichte des Panzers ist auch eine Geschichte der Gewalt.Vergrößern des Bildes
Ralf Raths im Deutschen Panzermuseum: Die Geschichte des Panzers ist auch eine Geschichte der Gewalt. (Quelle: Reto Klar/Funke Foto Services/imago-images-bilder)
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Der Krieg ist zurück in Europa, allerlei Panzertypen sind den Deutschen mittlerweile ein Begriff. Wer die Kriegsmaschinen aus der Nähe sehen will, sollte ins Deutsche Panzermuseum fahren – und sich dort herausfordern lassen.

Niedlich sind ihre Namen ja: "Brummbär", "Hummel" oder auch "Ratsch-Bumm". Wäre da nur nicht die Tatsache, dass es sich bei den Trägern dieser Namen um Instrumente der Zerstörung handelt. Beim "Brummbären" handelt es sich um den Sturmpanzer IV, bei der "Hummel" um eine Panzerhaubitze und beim "Ratsch-Bumm" um eine ursprünglich sowjetische Feldkanone vom Kaliber 76,2 mm. Allesamt Waffen, die das nationalsozialistische Deutschland in seinem Feldzug gegen Europa und die Welt eingesetzt hatte.

Ralf Raths, 47 Jahre alt, lange Haare, zum Zopf gebunden, kann eine Menge erzählen über diese Waffen – und viele weitere. Denn Raths, Wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Panzermuseums im niedersächsischen Munster beherbergt in seinem Haus zudem all die Panzertypen, über die die Deutschen seit dem russischen Überfall auf die Ukraine so viel gehört haben: die Kampfpanzer Leopard 1 und Leopard 2, den Flugabwehrpanzer Gepard oder den Schützenpanzer Marder.

Auch die Panzerhaubitze 2.000 – genaugenommen ein selbstfahrendes Artilleriegeschütz – kann in Munster besichtigt werden. Und vieles mehr: vom Nachbau des Sturmpanzerwagen A7V aus dem Ersten Weltkrieg über Tiger und Königstiger aus dem Zweiten Weltkrieg bis zum israelischen Merkava und einem Panzer-Prototypen, der der Bundeswehr zur Erprobung von Stealth-Technologie diente.

Es sind allerdings vor allem die Panzertypen aus dem Zweiten Weltkrieg, die Neugierige in großer Zahl anziehen. Denn diese Waffensysteme genießen bis heute einen geradezu legendären Ruf, auch wenn manches Detail ihrer Geschichte eben nur das ist: Legende. Ralf Raths ist gut darin, sie zu hinterfragen und zu erschüttern. "Nehmen wir den Tiger", sagt Raths. "Er gilt in gewisser Weise als Inbegriff des effektiven Kampfpanzers, doch in der Realität hatte der Tiger eine Reihe von Problemen." Warum? "Der Tiger war unheimlich kompliziert und teuer zu bauen, die Wartung war extrem aufwendig und ein Bergen von kaputten Exemplaren aufgrund des hohen Gewichts sehr schwierig." Nicht zu vergessen: Der oft bewunderte Panzer diente als Waffe, um Krieg, Zerstörung und Holocaust über Europa zu bringen.

"Panzer sind Gewaltmaschinen"

Es ist der Zweite Weltkrieg, der Deutschland und seine Einstellung zu bewaffneten Konflikten bis heute prägt. Als Macht des Friedens verstand sich die alte und neue Bundesrepublik hauptsächlich, das Phänomen Krieg war lange Zeit eher weit entfernt und betraf vor allem andere. Bis zum 24. Februar 2022: Seit die russische Armee in die Ukraine einmarschiert ist, und der Nato unverhohlen mit Nuklearschlägen droht, ist der Krieg den Deutschen sehr, sehr nahe gerückt. Dringend Zeit, sich mit Krieg und seinen Folgen zu beschäftigen. Wladimir Putin und andere Autokraten rütteln an der wertebasierten Ordnung, die Deutschen müssen in irgendeiner Form Stellung beziehen. Ob ihnen das gefällt oder nicht.

Das Deutsche Panzermuseum ist ein Ort, um sich mit den Themen Krieg und Gewalt auseinanderzusetzen. "Wir drängen den Leuten hier die Gewalt geradezu auf", sagt Ralf Raths. "Das ist unser Job." Wie bitte? "Viele Menschen kommen hierher, um große Maschinen zu sehen", erklärt Raths. "Es ist so, als wenn sie eine Ausstellung von Lastern, Traktoren oder anderem schweren Gerät besichtigen." Groß und schwer sind auch Panzer in der Regel. "Ihr Sinn und Zweck ist aber ein ganz anderer", führt der Historiker aus: "Panzer sind Gewaltmaschinen, es handelt sich auch bei ikonischen Modellen um Gewaltobjekte, das wird viel zu oft vergessen." Einen Vorwurf will Raths, hemdsärmelig und eindringlich zugleich, mit diesen Worten niemanden machen. Es sei ja die ureigene Aufgabe eines Museums, seine Besucher herauszufordern und nachdenklich zu stimmen.

Info

Das Deutsche Panzermuseum (DPM) im niedersächsischen Munster thematisiert in einer neu gestalteten Ausstellung Krieg und Gewalt. Zu den Exponaten gehören zahlreiche Panzer, Fahrzeuge und Bordwaffen aus den deutschen Armeen des 20. Jahrhunderts. Ralf Raths, Wissenschaftlicher Direktor des Museums, informiert auf dem YouTube-Kanal @Das Panzermuseum regelmäßig über Aspekte der Militärgeschichte.

Beides gelingt dem Panzermuseum wesentlich besser, seit 2023 eine neue Dauerausstellung die tonnenschweren Exponate ergänzt. "Unser zentraler Vermittlungsstrang ist stets das Leiden und Sterben, das Töten und Verwunden", betont Raths. Ob die Besucher Bilder betrachten wollen, die derartigen Schrecken zeigen, müssen sie selbst entscheiden: Falls ja, müssen sie einen Sichtschutz beiseitenehmen. Darunter offenbart sich die Wirklichkeit des Krieges, ungeschminkt und brutal.

Eines der betreffenden Bilder stammt aus dem Jahr 2022. Es zeigt einen russischen Panzer in der Ukraine, der in ein Flussbett fiel – kopfüber. Der Besatzung gelang es noch, die Bodenluke zu öffnen, heraus kam allerdings niemand, die Soldaten ertranken. "Als das Bild damals die Runde machte, rissen manche Witze darüber", erinnert sich Raths. "Die Russen können nicht mal über eine Brücke fahren, hieß es da." Zum Lachen ist Raths allerdings nicht zumute. "In diesem Panzer kamen drei junge Männer um, und ja, sie waren Mittäter im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine", betont Raths. "Aber sie starben auf schrecklichste Weise, was für uns eher Mahnung sein sollte."

Mehr als Technik

An diesem Beispiel zeigt sich, dass die "Geschichte der Panzerei" (O-Ton Raths) weit mehr als nur eine technische Dimension besetzt. Der Panzer hat auch eine Sozial- und Kulturgeschichte. Das Panzermuseum will allen diesen Ansprüchen und Bedürfnissen der Besucher gerecht werden. Wer "Heavy Metal" ("Schweres Metall") sehen und einmal anfassen möchte, hat in Munster ebenso dazu die Gelegenheit, wie Menschen, die sich für andere Aspekte interessieren. Wie entsteht eine Kampfgemeinschaft innerhalb der Panzerbesatzung? Wie gehen die Männer und heute auch Frauen in den Panzern mit der Angst vor dem Tod um? Fragen über Fragen, das Panzermuseum gibt Antworten.

Die Neuausrichtung des Panzermuseums erfreut allerdings nicht jeden. Vom "Schuldkult", einem rechten Kampfbegriff, sprachen manche Kritiker, sie warfen dem Panzermuseum vor, sich in eine linke Gedenk- und Anklagestätte verwandelt zu haben. Weshalb? Weil die neue Dauerausstellung an Tabus rüttelt. Die Rolle des Panzers im Nationalsozialismus wird insbesondere beleuchtet. Ein verhängtes Foto zeigt etwa, wie deutsche Panzerbesatzungen mit ihren Fahrzeugen kriegsgefangene französische Soldaten aus den Kolonien ermorden. Dass das nationalsozialistische Deutschland wiederum derart viele Panzer bauen konnte, lag auch daran, dass es unzählige Menschen als Zwangsarbeiter missbrauchte.

Diese Wahrheiten tun manchem weh, mancher ignoriert sie, andere leugnen und relativieren. Raths ist einerseits ungeduldig, andererseits hat er auch ein gewisses Verständnis, dass es eine gewisse Zeit braucht, bis die thematische Neuausrichtung des Museums auch beim Großteil der Besucher angekommen ist. "Mehr als dreißig Jahre gab es hier ausschließlich Panzer zum Anschauen", sagt Raths. "Wir betrieben hier eine Art Panzerquartett im Großformat." Mit der Kritik zielt Raths auch auf sich selbst, er ist schon lange im Haus tätig.

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1983 war das Deutsche Panzermuseum entstanden, basierend auf der Lehrsammlung der in der Lüneburger Heide ansässigen Panzertruppenschule. Die Stadt Munster und die Bundeswehr betreiben das Museum gemeinsam. Raths und seine Mitarbeiter sind Angestellte der Stadt, praktisch alle der 130 riesigen Exponate gehören der Bundeswehr. Viele davon sind dank des Einsatzes von ehrenamtlichen Helfern, den "Hobbykommandanten", bis heute fahrbereit.

Keine Tabus mehr

Die Kooperation der Kleinstadt Munster und der Bundeswehr ist für beide Seiten von Vorteil. Rund 120.000 Besucher begrüßt das Deutsche Panzermuseum jedes Jahr – zahlreiche andere Museen wären hoch beglückt über derartige Zahlen. Dabei ist Munster in der Heide abgelegen und außerhalb von Bundeswehrkreisen im Lande eher unbekannt. So verschlägt es neben Bundeswehrangehörigen vor allem zahlreiche Zivilisten aus dem In- und Ausland nach Munster und ins Panzermuseum.

Zur Popularität trägt auch Ralf Raths bei. Seit Jahren versorgt der Historiker den dazugehörigen YouTube-Channel "DasPanzermuseum" mit Videos, mal kürzer, mal länger, aber immer informativ. Mal geht es um "Blitzkrieg", mal um "Panzermotoren", dann um Lob für und Kritik an neuen Büchern über Panzer, Militär und Kriege. "Geschichte(n) aus Stahl" heißt eines von Raths Formaten. Mehr als 120.000 Menschen haben den Kanal abonniert. Zum Vergleich: Das Deutsche Museum in München bringt es als eines der größten Technikmuseen der Welt bei YouTube auf rund 39.000 Abonnenten.

Raths vollbringt das "Kunststück", aus der rechten, revisionistischen Ecke Anfeindungen zu erhalten, wegen der thematischen Neuausrichtung des Museums, zugleich aber mit Unmut aus der linken, pazifistischen Ecke bedacht zu werden, wo das Thema Krieg mit Tabus belegt wird. Raths scheint damit zufrieden, denn immerhin setzen sich rechts und links mit den Themen auseinander. Dazwischen gibt es eine große Menge an Besuchern, die sowohl Panzer bestaunen in ihrer Mächtigkeit, als auch die Ausstellung aufmerksam aufnehmen.

Im analogen Panzermuseum haben die Mitarbeiter während der Öffnungszeiten ein waches Auge. Aus gutem Grund: Zwar ist jeder Besucher willkommen, wer aber offen eine rechte Gesinnung zur Schau trägt, muss damit rechnen, darauf angesprochen und konfrontiert zu werden. Entweder werden die sichtbaren Symbole verdeckt oder entfernt – oder die Besucher müssen das Haus verlassen. So läuft auch Raths persönlich bisweilen Besuchern hinterher, deren T-Shirt-Beschriftung in die rechte Richtung weist. Manchmal erhärtet sich der Verdacht, manchmal nicht.

Ein Zitat, das manche provoziert

Raths ist ein Energiebündel, sehr belesen, ein wandelndes Lexikon, er will etwas bewegen. Die Lust an der Provokation durch das Infragestellen liebgewonnener Mythen ist ihm anzumerken. Bereits auf dem Weg ins Museum ist eine solche in großen Buchstaben an der Wand zu lesen: "Wer aber den Frieden will, der rede vom Krieg." Es stammt vom deutschen Philosophen Walter Benjamin, 1940 beging der Exilierte in Spanien Suizid, weil er die Auslieferung an die Nationalsozialisten fürchtete.

In diesen Tagen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und die regelbasierte Weltordnung ist das Benjamin-Zitat höchst aktuell. "Wir reden vom Krieg, weil wir den Frieden wollen", sagt Raths. Nur wer sich mit dem einen beschäftigt hat, kann über das andere sprechen. Raths sagt aber auch, dass es Frieden nicht umsonst gibt, wenn aggressive Autokraten ihn als Unterwerfung interpretieren.

Im Shop des Panzermuseums gibt es T-Shirts zu erwerben, die Raths viel Hass eingetragen haben. "Woke & Wehrhaft" steht darauf. Es ist ein verkürzter Ausspruch des Politologen Carlo Masala, der sich die Bundeswehr so wünscht: Als schlagkräftige Truppe, die so divers beschaffen ist wie die Gesellschaft, die sie zu verteidigen hat. "In den Ausstellungstexten wird übrigens gegendert", sagt Raths. Der Historiker weiß genau, dass das für manche Menschen eine Provokation ist. "Wir stehen hier als Museum für die Freiheitlich Demokratische Grundordnung", betont der Historiker. "Wir zwingen niemand zu etwas, wir bieten die Möglichkeit zur kritischen Einordnung und Hinterfragung."

Dieser Ansatz kommt an, wie Raths betont. Mehr und mehr Leute kommen wegen der Panzer und der neuen Dauerausstellung. Allerdings wartet noch viel Arbeit, vor allem an der Bewahrung des Museums. Durch die alten maroden Dächer läuft der Regen bei schlechtem Wetter in die Hallen mit den Panzern, Marder sind ebenfalls dort unterwegs. Seit Jahren wartet Raths auf längst zugesagte Gelder. Auch im Deutschen Panzermuseum in Munster lahmt die "Zeitenwende".

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Besuch im Deutschen Panzermuseum
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