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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Das regt mich wirklich auf" Maischberger setzt den Finanzminister unter Druck
Christian Lindner diskutierte bei "Maischberger", wie er Deutschland auf den wirtschaftlichen Erfolgspfad bringen möchte. Die Moderatorin lenkte die Sprache jedoch immer wieder auf Radwege in Peru.
Im Haushalt klafft ein Milliardenloch, wie groß es genau ist, ist jedoch nicht bekannt. Berichten zufolge beträgt die Finanzierungslücke um die 25 Milliarden Euro – doch auch von bis zu 40 Milliarden Euro war bereits die Rede, wie Moderatorin Sandra Maischberger am Mittwochabend darlegte. Den Besuch von Finanzminister Christian Lindner versuchte sie zu nutzen, um Licht ins Dunkel zu bringen. "Wie groß ist das Loch im Haushalt?", wollte sie vom FDP-Chef wissen. Es handele sich um einen zweistelligen Milliardenbetrag, bestätigte der jedoch lediglich. Eine "amtliche Zahl" wollte er auch nach mehrfacher Nachfrage nicht nennen.
Die Gäste
- Christian Lindner (FDP), Bundesfinanzminister
- Daniel Cohn-Bendit (Bündnis 90/Die Grünen), Ex-Europa-Abgeordneter
- Markus Preiß, Leiter des ARD-Hauptstadtstudios
- Hubertus Meyer-Burckhardt, ARD-Moderator
- Julia Löhr, "FAZ"-Wirtschaftskorrespondentin
- Ulrike Herrmann, "Die Tageszeitung"-Wirtschaftskorrespondentin
Seine Zurückhaltung begründete Linder damit, dass man sich noch in "regierungsinternen Gesprächen" befinde. Es gebe "eine Spekulation in den Medien" und "die interne Zahl, mit der wir arbeiten", erklärte der Finanzminister. Auf Nachfrage Maischbergers versicherte er, dass er selbst natürlich den Überblick über die Größe der Finanzierungslücke habe. Das Entscheidende sei aus seiner Sicht, dass man am Ende einen "zukunftsweisenden Haushalt" habe, so Lindner.
Maischberger gibt Lindner Spar-Tipps
Mit Blick auf die fehlenden Milliarden gab Maischberger dem Finanzminister gleich mehrere Geldspar-Tipps. Studien hätten gezeigt, dass sich durch das Streichen eines Feiertages in Deutschland ganze acht Milliarden Euro Mehreinnahmen generieren ließen, erklärte die Moderatorin. Ob er über derartige Maßnahmen nachdenke, wollte sie von Lindner wissen. "Daran glaube ich nicht!", wehrte der ab. Es handele sich um eine Symbolmaßnahme.
Der Grund: Der Wachstumseffekt, der an einem zusätzlichen Arbeitstag erzielt werde, müsse noch versteuert werden. Der Bundesanteil davon belaufe sich dann auf einen dreistelligen Millionenbetrag, nicht aber auf Milliarden, so Lindner. Aus seiner Sicht sei es wichtig, dass es in Deutschland ein stärkeres Wirtschaftswachstum gebe, damit die Bundesrepublik wieder auf den "Erfolgspfad" komme. Wirtschaftsförderung gehe jedoch auch mit anderen Maßnahmen, so der Finanzminister. Als Beispiele nannte er den Abbau von Bürokratie sowie das Ziel, mehr Bürgergeldempfänger in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
Vor dem Hintergrund des Geldsparens ging es bei Maischberger auch um eine Aussage über Entwicklungshilfeprojekte, die Lindner Mitte Mai gegenüber dem "Heute Journal" gemacht hatte. "Bundeswehr und Ukraine ja, aber wir können nicht mehr jeden Radweg in Peru mit dem Geld der deutschen Steuerzahler bezahlen", hatte der Finanzminister dort erklärt. "Die Tageszeitung"-Wirtschaftskorrespondentin Ulrike Herrmann erkannte in dieser Position eine klassisch konservative Haltung.
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Lindner reagiert auf Kühnert-Kritik
Weltweit führten Konservative einen Kampf gegen Radfahrer, erklärte die Journalistin. Lindner sei mit seiner Aussage Teil einer großen Bewegung, die einen "Kulturkampf für das Auto" führe, weil sie einen "grünen Lebensstil" ablehne. "Das ist einfach rückständig", kritisierte die Journalistin. Gegenwind bekam Herrmann von ARD-Moderator Hubertus Meyer-Burckhardt, der überzeugt war, es habe sich bei der Aussage des Finanzministers wohl eher um eine legitime Zuspitzung gehandelt.
"Warum Radwege?", hakte Maischberger bei Lindner direkt nach. Natürlich habe es sich bei den Radwegen in Lima um ein Beispiel gehandelt, erklärte der. "Wir können nicht überall in gleicher Weise auf der Welt mitmischen, sondern müssen das mit neuen Prioritäten organisieren", so der Finanzminister mit Blick auf deutsche Entwicklungshilfe. Auf die Kritik von Journalistin Herrmann erklärte der FDP-Chef, das Beispiel aus Peru habe er auch gewählt, weil es sich bei den Radwegen um ein Projekt handele, das von einem CSU-Entwicklungsminister auf den Weg gebracht worden sei. Angesichts der Vorbehalte gegen Konservative habe er es interessant gefunden, mit seinem Beispiel zu zeigen: Das war kein grünes Projekt.
Bei "Maischberger" reagierte Lindner auch auf die Kritik, die SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert in einem Interview mit t-online geäußert hatte. Dort hatte der SPD-Generalsekretär Lindner davor gewarnt, "seine Sparziele mit solch einem in letzter Konsequenz nationalistischen Zungenschlag zu begründen." Bei solchen "pointierten, kritischen Äußerungen" könnten Bürgerinnen und Bürger wohl auch ohne seinen Kommentar einordnen, ob sie "differenziert und seriös genug sind", entgegnete der FDP-Chef bei "Maischberger" knapp auf die Kritik.
Maischberger echauffiert sich
Und dann war da noch ein Sparvorschlag, bei dem die Moderatorin plötzlich besonders leidenschaftlich wurde: Das Thema Angleichung der Mehrwertsteuer, durch das sich laut Bundesrechnungshof jährlich rund 35 Milliarden Euro einnehmen ließe. Zur Erinnerung: In Deutschland ist eigentlich ein Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent fällig, für ausgewählte Produkte liegt die Mehrwertsteuer jedoch bei ermäßigten sieben Prozent. Zu diesen begünstigten Produkten zählen beispielsweise Grundnahrungsmittel. Nicht immer ist jedoch nachvollziehbar, wieso auf eine Ware eine ermäßigte Mehrwertsteuer fällig wird.
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"Das regt mich wirklich auf!", echauffierte sich Maischberger über diese Tatsache. "Babynahrung 19 Prozent, Tierfutter sieben Prozent, warum?", fragte sie und erntete Applaus im Studio. Sie fragte Lindner nach den unterschiedlichen Steuersätzen, je nachdem, ob man seinen Kaffee im Restaurant trinke oder mitnehme oder ob ein Latte macchiato Sojamilch habe oder nicht.
Er arbeite derzeit mit den G7-Staaten daran, wie man die Ukraine besser schützen könne, diskutiere auf EU-Ebene, wie man Technologie und Klimaschutz finanzieren könne und sei national damit beschäftigt, den Haushalt generationengerecht zu gestalten, holte Lindner aus. "Ich bemüh‘ mich wirklich", so der Finanzminister. "Aber eine Mehrwertsteuerreform schaffe ich jetzt nicht auch noch."
Maischberger ließ das nicht gelten: "Es bleibt viel Geld zu holen", erklärte sie. Er habe doch so viele Leute in seinem Ministerium, die sich darum kümmern könnten, so die Moderatorin. "Frau Maischberger, akzeptieren Sie es. Die Bürgerinnen und Bürger müssen es auch akzeptieren", wehrte Lindner ab und fügte hinzu: "In meiner zweiten Amtszeit muss es auch noch Aufgaben geben." Ob es dazu komme, hätten die Wähler zu entscheiden, erinnerte Maischberger. Er stehe für das Amt des Finanzministers erneut bereit, erklärte Lindner.
- ard.de: "Maischberger" vom 5. Juni 2024