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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Attackierte Kommunalpolitikerin bei Lanz "Ich habe das tatsächlich falsch eingeschätzt"
Ist politisches Engagement gefährlich? Bei "Markus Lanz" wurde diskutiert, warum selbst eine Kamera keinen Schutz bietet.
Markus Lanz bescheinigte am Mittwochabend dem SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert, die jüngsten Attacken auf Politiker bei einem Gespräch hinter den Kulissen bereits vor etwa einem halben Jahr vorhergesagt zu haben. Kühnert habe die gegenwärtige Situation "sehr klar auf sich zukommen sehen", erklärte der Moderator in seiner Talkshow zum Thema Unversöhnlichkeit und Hass im politischen Diskurs.
"Ich hätte gerne Unrecht gehabt", entgegnete der Sozialdemokrat. Nur die wenigsten Fälle würden überhaupt an die breite Öffentlichkeit gelangen. Es lande nicht immer gleich jemand im Krankenhaus, aber selbst gestandene Wahlkämpfer würden ihm zurückmelden, dass die Schwere der Taten enorm zunehme. Diese reichten von immer aggressiveren Beschmierungen der Wahlplakate über verbale Angriffe hin zu körperlichen Bedrohungsszenarien.
Die Gäste
- Kevin Kühnert, SPD-Generalsekretär
- Kerstin Münstermann, Journalistin
- Yvonne Mosler, Grünen-Kommunalpolitikerin
- Elmar Theveßen, USA-Korrespondent des ZDF
"Es muss auch niemand so tun, als wäre das alles vom Himmel gefallen", gab Kühnert mit Blick auf die Mitte-Studie der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung zu bedenken. Die Untersuchung sei etwa zu dem Ergebnis gekommen, dass jeder Siebte bis Achte in Deutschland es okay finde, wenn physische Gewalt gegenüber politischen Vertretern eingesetzt werde, um der eigenen Meinung Nachdruck zu verleihen.
Kamerateam hielt Übergriff fest
Wie es sich anfühlt, im Wahlkampf gewaltsam angegangen zu werden, konnte Yvonne Mosler aus eigener Erfahrung schildern. Die grüne Kommunalpolitikerin aus Dresden war Anfang des Monats beim Aufhängen von Wahlplakaten beschimpft, bedroht und bespuckt worden. Auch die Anwesenheit eines Kamerateams, das den Übergriff festhielt, bot davor offensichtlich keinen Schutz.
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"Das ist ja sicherer als Security", habe sie ursprünglich gedacht, schilderte Mosler. Mit einem Übergriff habe sie auch deshalb nicht gerechnet, weil sie davon ausgegangen sei, als unauffällige, nicht offen antifaschistisch auftretende Person keine besondere Angriffsfläche zu bieten. "Ich habe das tatsächlich falsch eingeschätzt", musste sich die Grünen-Politikerin rückblickend eingestehen. Es gebe bei den Tätern schlicht kein Unrechtsbewusstsein.
Attackierte Politikerin kritisiert CDU-Ministerpräsident
Mosler ging zudem auf die spezielle Situation in Sachsen ein, wo im September ein neuer Landtag gewählt wird. Zwar könne man nicht alle der zahlreichen AfD-Wähler dort als rechtsextrem und gewaltbereit einordnen, aber bei den meisten sei eine tiefe Abneigung gegen demokratische Parteien und besonders gegen die Grünen spürbar. Dass ihre eigene Partei noch mehr Hass ernte als andere, versuchte Mosler mit dem starken Einsatz der Grünen für massive Veränderung zu erklären. Als Beispiele nannte sie die Mobilitätswende, die Ehe für alle und die Flüchtlingshilfe.
Veränderung sei immer etwas, was vielen Menschen Angst mache, erläuterte die Grünen-Politikerin. In Sachsen komme hinzu, dass der CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer Öl ins Feuer gieße, indem er die Grünen als Übel und Feindbild markiere. "Die CDU hat in Sachsen keine Brandmauer", sagte sie.
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Obwohl sie Moslers Analyse in großen Teilen zustimmte, versuchte die Journalistin Kerstin Münstermann den sächsischen Landesvater vor diesem Vorwurf in Schutz zu nehmen. "Das finde ich etwas verkürzt", warf die Redakteurin der "Rheinischen Post" ein. Auch Kretschmer werde bedroht und wenn man mit ihm spreche, merke man, dass ihm das alles ebenfalls nicht geheuer sei.
Journalistin erkennt neue Qualität der Verrohung
Stattdessen benannte Münstermann einen anderen Punkt, der für sie eine neue Qualität in der Verrohung der politischen Auseinandersetzung verdeutliche. "Man hat offenbar keine Angst vor Konsequenzen", so die Medienvertreterin mit Blick auf die geschilderten Übergriffe oder das sogenannte Sylt-Video mit rassistischem Gegröle leicht zu identifizierender Partygäste.
Den Grünen wiederum werde unterstellt, sie wollten den Menschen etwas wegnehmen. Das sei zwar angesichts der unglücklichen Kommunikation beispielsweise beim Heizungsgesetz in Teilen selbst verschuldet, könne aber nie einen Angriff rechtfertigen, erläuterte Münstermann. Was man da außer Weggehen überhaupt noch tun könne, fragte die Journalistin resigniert in die Runde.
Grünen-Politikerin Mosler machte allerdings deutlich, dass ein Rückzug für sie nicht infrage komme. "Wir haben ja auch viel Rückhalt bekommen", berichtete sie und kündigte an, auch noch für den Landtag anzutreten.
- zdf.de: "Sendung "Markus Lanz" vom 29. Mai 2024