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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Berliner hatte Landwirte bejubelt Nach Bauernprotest – Feuerwehren wollen laut werden
Bei den Bauernprotesten war es eine Randnotiz: Ein Feuerwehrmann feierte die ankommenden Traktoren. Wegen möglicher Folgen für ihn sollen bundesweit Martinshörner dröhnen.
Die Blaulichter blitzten und die Martinshörner sowie Signalanlagen auf den Einsatzfahrzeugen der Feuerwache Wittenau dröhnten, als die Traktoren auf der Bundesstraße vor der Wache stadteinwärts rollten – zur Großdemo am Brandenburger Tor. Genau das soll sich am Sonntag bundesweit bei Hunderten Feuerwehren wiederholen – ohne Traktoren, aber mit Bauern aus Freiwilligen-Wehren. Landwirte spielen für viele Einheiten eine wichtige Rolle. Bauern mit Feuerwehr-Bezug haben sich in den vergangenen Tagen vernetzt.
In weiten Teilen Deutschlands planen Feuerwehren am Sonntag, dem 11.2., um 11.02 Uhr ihre Martinshörner und Blaulichter für 1 Minute und 12 Sekunden an den Fahrzeugen auf den Wachen und Gerätehäusern anzustellen. Die Zahlen stehen jeweils für die Feuerwehr-Notrufnummer 112 – und dahinter steckt eine Solidaritätsaktion für einen Feuerwehrkameraden aus Berlin. Im Zuge der Bauernproteste ist gegen den Mann eine disziplinarrechtliche Prüfung eingeleitet worden.
Er war vor der Großdemo am 15. Januar aus der Wache im Ortsteil Wittenau des nördlichen Berliner Bezirks Reinickendorf gekommen, um die ankommenden Bauern zu begrüßen. Nun ging es um die Frage, ob seine Begeisterung für die Bauern dienstrechtliche Folgen für ihn hat. Thema wurde aber auch, welcher neue Ärger mit der Solidarisierung droht.
"Der Kamerad gehört unterstützt", sagt Gerd Neidlinger. Der Landwirt mit Schweinemastbetrieb und großer Biogas- und Nahwärmeanlage hatte die Idee für die geplante Aktion. Er ist im baden-württembergischen Landesverbands "Land schafft Verbindung" (LsV) in der Organisation von Bauernprotesten beteiligt*. Sein Vorstoß findet deutschlandweit Unterstützer. "Dreistellig im oberen Bereich" wollten sich Wehren an der Solidaritätsaktion beteiligen, sagt er t-online. Die Schätzung lässt sich nicht überprüfen. In Wehren könnte auch wegen Gegenwinds ein Nachdenken einsetzen.
Feuerwehr-Präsident: "Betrifft Innenverhältnis"
Der Deutsche Feuerwehrverband äußert sich zurückhaltend: "Es hat zum aktuellen Thema Gespräche mit der Führung der Berliner Feuerwehr gegeben", sagt Präsident Karl-Heinz Banse t-online, "der Vorgang selbst betrifft jedoch das Innenverhältnis."
Der Ideengeber Neidlinger ist auch einer der rund 30 Aktiven in der Freiwilligen Feuerwehr Orsenhausen im Landkreis Biberach. In dieser Rolle sei er verantwortlich für die Idee. In einer WhatsApp-Gruppe mit Bauern, die in der Landwirtschaft sind, hätten andere das aufgegriffen. WhatsApp ist das zentrale Mittel bei der Vernetzung und Mobilisierung der Landwirte. Aus seinem Vorstoß entstand eine eigene WhatsApp-Community mit Untergruppen für einzelne Bundesländer, in die nur aktive Feuerwehrleute aufgenommen würden – "auch, aber nicht nur aus der Landwirtschaft."
Ein Bericht in der lokalen "Schwäbischen Zeitung" hat offenbar schon kommunale Verantwortliche auf den Plan gerufen. Im Zeitungstext war die Rede vom gemeinsamen Protest der Feuerwehren mit den Bauern, von Infoständen gegen die Sparpläne und Traktoren vor den Feuerwachen. "So etwas ist nicht geplant, ein Missverständnis", sagt Neidlinger. "Es ist eine Solidarisierung von Feuerwehrleuten mit dem Feuerwehrkameraden, keine Demonstration für die Landwirtschaft." Jetzt gehe es um "Überzeugungsarbeit" bei Entscheidungsträgern: Beteiligte Feuerwehrleute sollen keinen Ärger bekommen.
Erste Kommunen haben nach Informationen von t-online ihren Feuerwehrleuten bereits mitgeteilt, dass sie privat gerne demonstrieren könnten. Eine Teilnahme in Uniformen und die Nutzung von kommunalen Fahrzeugen sei aber nicht statthaft. Mit Blick auf den 11. Februar heißt es in einem Schreiben: "Bitte nehmen Sie von politischen Protestaktionen Abstand."
"Äußerungen und Verhaltensweisen (...) sind zu unterlassen"
Neidlinger sagt, vielleicht solle die Idee auch falsch verstanden werden, um Argumente gegen sie zu haben. In seinen Augen und denen anderer beteiligter Feuerwehrleute sei die Parteinahme für den Berliner Kameraden keine politische Protestaktion, man sei völlig überparteilich. Ob diese Argumentation verfängt, ist eher fraglich.
Feuerwehrverbands-Präsident Banse drückt sich so aus: Weil die Feuerwehren ohne Ansehen der Person helfen, bedeute das "auch, dass sich die Angehörigen der Feuerwehr – im Ehrenamt wie im Hauptamt – in Ausübung ihres Amtes neutral verhalten. (...) Äußerungen und Verhaltensweisen, die als politische Bekundungen oder Einflussnahme im Amt verstanden werden können, sind zu unterlassen." Nach Unterstützung für die Solidaritätsaktion hört sich das nicht an. Schleswig-Holsteins Verband betont "aus gegebenem Anlass" die politische Neutralität. Verbandschef Frank Homrich: "Wir sind keine politische Plattform. Die Neutralität ist ein Eckpfeiler unserer Professionalität und Integrität."
Den Funktionären ist auch klar, dass es in den Feuerwehren viele Sympathien mit und Verbindungen zu den Bauern gibt. "Landwirte sind – insbesondere in den ländlichen Gebieten – oft aktive Mitglieder der Einsatzabteilungen und stehen hier mit ihren Fachkenntnissen und Möglichkeiten für Einsätze zur Verfügung", so Banse. Und auch Landwirte, die keine Feuerwehrangehörigen sind, leisteten mit schwerem Gerät oder Wasserfässern einen wichtigen Beitrag.
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Landwirt und Feuerwehrmann Neidlinger zufolge gab es bisher "leider" keinen Kontakt zu dem Berliner Feuerwehrmann. Der Mann hat nach Informationen aus Feuerwehrkreisen einen Rechtsanwalt hinzugezogen, um nach dem Vorfall die geforderte Stellungnahme abzugeben. Es geht um die Neutralitätspflicht und die Frage, ob er sie verletzt hat. Nachdem seine Beifallsbekundung öffentlich geworden war, kündigte die Berliner Feuerwehr an: Die Fachabteilung kläre, inwieweit hier ein Verstoß gegen beamtenrechtliche Regelungen vorliegt.
Innensenatorin will Gespräch mit Feuerwehrmann
Das sei nach Vorgabe des Disziplinarrechts deren Pflicht, erklärte Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD). Im Innenausschuss sagte sie halb im Scherz, eine Strafe gebe es ihrer Ansicht nach nur, wenn man ein Gespräch mit ihr als Strafe verstehe. Die Politikerin möchte sich mit dem Feuerwehrmann "auf Augenhöhe" zu einem Gespräch treffen. Den Termin gibt es bisher noch nicht.
An die 4.500 Mitarbeiter schrieb sie: "Auf das Gebot zur Mäßigung und Zurückhaltung bei der politischen Betätigung noch einmal hinzuweisen, sollte im nun in Rede stehenden Fall meines Erachtens ausreichen …". Es sei als Konsequenz "angemessen", sich "über die Werte, für die wir gemeinsam stehen, und die Normen, die wir uns gegeben haben, auszutauschen". In Berlin ist deshalb schon die Rede davon, die Luft sei raus aus dem Thema.
Neidlinger und die Gleichgesinnten sehen dennoch Anlass, Pressluft auf die Martinshörner zu geben: "Die Kuh ist noch nicht vom Eis, solang das Disziplinarverfahren nicht abgeschlossen ist."
Update, 8. Februar: Die Feuerwehr Berlin hat t-online mitgeteilt, dass die Prüfung abgeschlossen ist. Es werde kein Disziplinarverfahren eingeleitet.
*Wir hatten an dieser Stelle die Formulierung aus der "Schwäbischen Zeitung" übernommen, Gerd Neidlinger sei ein "Sprecher" des LsV. Das ist er aber nach seinen Angaben nicht.
- Eigene Recherchen
- Telefonat mit Gerd Neidlinger
- Anfragen an Deutschen Feuerwehrverband und Senatsverwaltung für Inneres und Sport
- schwaebische.de: "Wird eine richtig große Sache": Feuerwehr solidarisiert sich mit Bauern
- tagesspiegel.de: Berlins Innensenatorin sieht von Strafe für jubelnden Feuerwehrmann ab