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"Illner": Carsten Linnemann fordert Scholz zur Vertrauensfrage auf


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Scholz-Talk bei "Illner"
"Man hat das Gefühl, er steht unter Schock"


Aktualisiert am 08.12.2023Lesedauer: 4 Min.
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Olaf Scholz bei einer Kabinettssitzung (Archivbild): Aus der CDU kommen Rufe, er solle die Vertrauensfrage stellen. (Quelle: IMAGO/Christian Spicker/imago-images-bilder)
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Olaf Scholz soll laut Carsten Linnemann seine Macht zur Disposition stellen. Der CDU-Generalsekretär forderte bei "Illner" die Vertrauensfrage.

Ist Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) noch ein echter Regierungschef? CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann bezweifelte das bei "Maybrit Illner" und appellierte an das Verantwortungsbewusstsein des Hamburgers. "Es wäre besser, dass der Bundeskanzler die Vertrauensfrage im Deutschen Bundestag stellt", sagte Linnemann am Donnerstag. "Zwei Jahre so weitermachen, kann sich dieses Land nicht leisten."

Die Gäste

  • Kevin Kühnert, SPD-Generalsekretär
  • Carsten Linnemann, CDU-Generalsekretär
  • Sahra Wagenknecht, "Bündnis Sahra Wagenknecht"
  • Jens Südekum, Ökonom
  • Melanie Amann, "Spiegel"

Sollte Scholz die Vertrauensfrage gewinnen, müsse es einen Plan für einen Neuanfang geben, forderte der Christdemokrat. Würde das Parlament dem Kanzler das Vertrauen hingegen verweigern, müsse es Neuwahlen geben – für Linnemann durchaus vorstellbar: "Diese Ampel hat kein gemeinsames Fundament."

Linnemann: "Scholz duckt sich weg"

Der CDU-Generalsekretär erhöhte angesichts der weiterhin ausstehenden Einigung der Ampelkoalition auf einen Haushalt 2024 den Druck. "Es kann irgendwann einen Kipppunkt geben. Und wenn wir den überschreiten, kommen wir danach nicht mehr zurück", sagte er bei "Illner" unter Verweis auf die Verunsicherung in der Wirtschaft und der Bevölkerung. "Das Kernproblem bleibt: Der Kanzler muss sich die Frage stellen, ob er es kann. Ich bin nicht mehr der Überzeugung, dass er es kann – weil er sich wegduckt."

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert betonte bei "Illner" selbstverständlich: "Ich bin mir absolut sicher, dass der Bundeskanzler das Vertrauen aller Teile der Koalition genießt." Er teilte zwar die Einschätzung seines Amtskollegen, dass die Bevölkerung angesichts der unklaren Haushaltslage verunsichert ist.

"Aber die Antwort darauf, um jetzt mehr Halt und Sicherheit zu geben, kann doch nicht sein, dass wir aus dem Bundestag jetzt eine Fußballarena machen", sagte Kühnert für den Fall einer vorgezogenen Bundestagswahl. "Dann wird ja monatelang weiter gar nichts gemacht", sagte Kühnert, hatte das Wörtchen "weiter" aber möglicherweise so gar nicht aussprechen wollen.

"Dann könnte vielleicht mal eine andere Politik gemacht werden in Deutschland", schaltete sich Sahra Wagenknecht in die Diskussion ein. Sie warf aber auch CDU-Chef Friedrich Merz vor, das Haushaltsloch durch Kürzungen bei den Schwächeren, namentlich Rentnern und Kindern, stopfen zu wollen.

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Das Aushängeschild des nach ihr benannten Bündnisses verwahrte sich gegen Versuche, jeden Empfänger von Bürgergeld unter Faulheitsverdacht zu stellen. Aber tue es Wagenknecht nicht selbst mit ukrainischen Beziehern von Bürgergeld?, fragte Illner. Ihr Gast wiederholte daraufhin Vorwürfe, viele dieser Menschen würden nicht arbeiten wollen oder in Wahrheit sehr viel Zeit in ihrer Heimat verbringen.

Sie verwies erneut darauf, dass weniger als jeder fünfte Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland arbeitet, in den Niederlanden aber mehr als 70 Prozent. Das sei kein Generalverdacht, es müsse aber stärker geprüft werden, ob tatsächlich Anspruch auf Bürgergeld bestehe, sagte Wagenknecht.

Kurzer Fakteneinschub: Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit hat in einer Umfrage unter ukrainischen Geflüchteten im Frühjahr 2023 festgestellt:

  • 18 Prozent der Menschen zwischen 18 und 64 Jahren waren erwerbstätig
  • zwölf Monate nach der Ankunft in Deutschland stieg die Quote auf 28 Prozent
  • nur ein Prozent der Menschen waren in ihrem ursprünglichen Beruf tätig
  • 80 Prozent der Geflüchteten zwischen 18 und 64 Jahren waren Frauen, etwa die Hälfte mit Kindern (meist im Vorschul- oder Grundschulalter)

Amann warf Wagenknecht "Nationalismus" vor

Wagenknechts Forderung, beispielsweise stärker die Vermögensverhältnisse von Geflüchteten aus der Ukraine zu untersuchen, stieß in der Runde insbesondere bei der stellvertretenden "Spiegel"-Chefredakteurin Melanie Amann auf Widerstand. Sie warf Wagenknecht "Nationalismus" und eine "Zweiklassengesellschaft" vor, wenn ukrainische Bezieher strenger kontrolliert werden sollen. "Das finde ich schon etwas verlogen", warf sie Wagenknecht vor.

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Sowohl Amann als auch der Ökonom Jens Südekum widersprachen Linnemanns Vorwurf, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts hätte erwartet werden müssen. "Nein, das war nicht absehbar", sagte das Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. In dieser Härte habe niemand mit einem solchen Urteil rechnen können.

Insofern forderte Südekum, der SPD-Mitglied ist, Verständnis dafür, dass sich die Ampelkoalition bislang nicht einigen konnte, wo die nun fehlenden Milliarden gespart werden sollen. "Aus meiner Sicht geht das gar nicht", sagte der Professor für Internationale Volkswirtschaftslehre an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf zu dem Zeitplan vor Weihnachten.

Südekum warnte davor, wegen einer aktuell "maximal scharfgestellten Schuldenbremse" auf einen Schlag 30 Milliarden Euro einzusparen oder bei Investitionen wegzukürzen. Dies würde die Rezession verschärfen und verlängern und Investitionen generell deutlich sinken lassen.

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Ruf nach Erklärungen von Scholz

Sollten sich Scholz, Vizekanzler Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) irgendwann einigen, ist das laut Amann aber erst der Anfang. Da Scholz und Habeck nicht Vorsitzende ihrer Parteien seien, hätten dort noch mehr Entscheidungsträger mitzureden. Soll Scholz die Vertrauensfrage stellen?, wollte Illner von ihrer Kollegin wissen. "Mir würde es reichen, wenn er sich überhaupt erst mal erklären würde", sagte Amann.

"Wo war er jetzt die ganze Zeit?", fragte die "Spiegel"-Journalistin und meinte damit vielleicht nicht nur die physische Präsenz des Kanzlers. "Die Regierungserklärung war denkbar blass. Man hat das Gefühl, er steht unter Schock."

Laut Amann hat das vernichtende Urteil aus Karlsruhe das Selbstbild des ehemaligen Bundesfinanzministers als bestem Kenner der Staatsfinanzen zerstört. "Und ausgerechnet er ist jetzt der Regelbrecher. Und ich glaube, dieser Schock hat auch dazu geführt, dass er so verstummt ist."

Verwendete Quellen
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