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"Jüdische Allgemeine" in neutralen Umschlägen – Angst vor Antisemitismus


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"Das hat eine neue Qualität"
"Jüdische Allgemeine": Abonnenten haben Angst


08.11.2023Lesedauer: 3 Min.
imago images 0308956191Vergrößern des Bildes
Polizisten vor der Ohel-Jakob-Synagoge in München: "Das hat eine neue Qualität." (Quelle: IMAGO)

Seit dem Massaker der Hamas in Israel wird auch in Deutschland Antisemitismus wieder sichtbarer. Die größte jüdische Gemeinde zieht jetzt Konsequenzen.

Es ist eine Bitte, die zeigt, wie bedroht sich jüdische Menschen in Deutschland gerade fühlen: Die Mitglieder der Israelitischen Kultusgemeinde München möchten die "Jüdische Allgemeine" künftig in neutralen Umschlägen nach Hause geliefert bekommen. Die Abonnenten der Wochenzeitung hätten Angst, als Juden identifiziert und Opfer von Gewalt zu werden, berichtet Chefredakteur Philipp Peyman Engel.

"In der Vergangenheit ist es immer wieder vorgekommen, dass einzelne Leser um einen neutralen Umschlag bei der Auslieferung gebeten haben", sagte der Journalist t-online. "Jedes Mal, wenn Israel militärisch auf Angriffe aus Gaza reagiert, häufen sich auch in Deutschland die antisemitischen Übergriffe. Aber wenn die größte jüdische Gemeinde Deutschlands geschlossen darum bittet, hat das eine neue Qualität." Die Anfrage der Münchner Gemeinde sei in Rücksprache mit den Mitgliedern erfolgt, so Engel. Die "Jüdische Allgemeine" nehme den Wunsch sehr ernst und kläre nun die Modalitäten.

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"Meiden Sie Pro-Palästina-Demos"

Die Gemeindevertreter hätten ihm berichtet, dass zuletzt häufiger sogenannte Mesusot ihrer Mitglieder entwendet oder geschändet worden seien. Mesusot sind verzierte kleine Kapseln, die ein Pergament enthalten und an der Haustür angebracht werden, um eine Wohnung zu segnen. Für Außenstehende sind die Bewohner dann aber leicht als jüdisch zu identifizieren. In diesem Klima kann auch eine "Jüdische Allgemeine" im Briefkasten verräterisch wirken, so die Sorge: "Nachbarn und Zusteller sollen nicht wissen, dass es sich um Juden handelt. Aus Sicherheitsgründen", schrieb Engel auf X (früher Twitter).

Die Israelitische Kultusgemeinde München rief ihre Mitglieder schon kurz nach dem Massaker der Terrorgruppe Hamas in Israel mit mindestens 1.400 Todesopfern dazu auf, sich in der Öffentlichkeit nicht als Juden zu erkennen zu geben. "Seien Sie aufmerksam, verhalten Sie sich unauffällig und meiden Sie Pro-Palästina-Demos", appellierte die Leitung der Gemeinde an die etwa 9.500 Gläubigen.

"Sehr aggressiver muslimischer Antisemitismus"

"Ich kann die Sorgen gut verstehen", sagt Engel. "Natürlich ist es richtig, dass wir als jüdische Deutsche auch kämpferisch für uns einstehen. Das kann aber nicht heißen, dass wir uns in Gefahr begeben. Und mit einer Kippa über die Sonnenallee in Berlin-Neukölln zu laufen, ist brandgefährlich." Es gebe in Deutschland auch Antisemitismus im rechten und linken politischen Spektrum. "Was wir gerade erleben, ist aber ein sehr aggressiver muslimischer Antisemitismus", so Engel. "Das muss man so klar benennen, um das Problem angehen zu können."

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Seit dem Überfall der Hamas und der folgenden israelischen Militäraktion im Gazastreifen ist es weltweit zu antisemitischen Übergriffen und Ausschreitungen gekommen. In Tunesien zerstörte eine aufgebrachte Menge eine Synagoge, in der russischen Teilrepublik Dagestan stürmten Hunderte wütender Männer einen Flughafenauf der Jagd nach jüdischen Passagieren aus einem Flugzeug aus Tel Aviv. Auch in Berlin kam es zu Ausschreitungen, dort verübten unbekannte Täter einen Brandanschlag auf eine Synagoge. Besonders bedrohlich wirkte auch die Markierung von Häusern mit jüdischen Bewohnern mit einem Davidstern, dem Symbol des Judentums und des Staates Israel.

Lässt Moskau Häuser mit Davidsternen markieren?

Bei diesem Phänomen verdichteten sich zuletzt die Hinweise, dass Russland dahinterstecken könnte. Auch in Paris waren Wohnhäuser mit Davidsternen markiert worden, nach Polizeiangaben in mehr als 60 Fällen. Ende Oktober fasste die französische Polizei dann ein Paar aus Moldau auf frischer Tat. Der Mann und die Frau sagten aus, sie hätten im Auftrag eines Russen gehandelt.

Inzwischen verdächtigt die Polizei ein zweites aus Moldau stammendes Paar, die hetzerischen Graffiti angebracht zu haben. Nach jüngsten Erkenntnissen stehen beide mutmaßlichen Täter-Paare in Verbindung mit einem pro-russischen moldawischen Geschäftsmann, der zu einem russischen Propagandanetzwerk gehören soll, berichtet die Zeitung "Le Monde".

Die Pariser Staatsanwaltschaft teilte mit, dass "zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Markierung der blauen Davidsterne im Raum Paris auf ausdrücklichen Wunsch einer im Ausland lebenden Person erfolgte".

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Philipp Peyman Engel am 8. November
  • lemonde.fr: Etoiles de David taguées à Paris : la piste d’une opération d’ingérence russe privilégiée (französisch)
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