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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Politikerin gegen Supermärkte "Frau Wagenknecht, wann würden Sie Edeka zerschlagen?"
Sahra Wagenknecht will großen Supermarktketten an den Kragen. "Wann würden Sie Edeka zerschlagen?", fragt Markus Lanz daraufhin.
Sahra Wagenknecht will die Marktmacht einiger großer Konzerne brechen und nimmt dabei auch Discounter in den Blick. "An wen denken Sie da, wen würden Sie 'entflechten'?", fragte Markus Lanz am Dienstagabend und übernahm dabei Wagenknechts Wortwahl. "Zum Beispiel die Supermarktketten", erwiderte die Noch-Linken-Politikerin.
Die Gäste
- Sahra Wagenknecht, Politikerin
- Timo Lehmann, "Spiegel"-Journalist
- Florence Gaub, Politologin
"Wir haben ungefähr fünf Lebensmittelgroßketten, die natürlich eine enorme Macht haben, Preise zu setzen", erklärte Wagenknecht. Darunter würden sowohl die Konsumenten als auch Landwirte leiden. "Wann würden Sie Edeka zerschlagen?", fragte Lanz.
Wagenknecht kontra Edeka & Lidl
Wen genau könnte sie bei der "Entflechtung" im Blick haben? Die Edeka-Gruppe (inklusive Netto Marken-Discount) war laut dem Datendienst Statista 2021 gemessen am Nettoumsatz der größte Einzelhändler im Lebensmittelbereich, gefolgt von der Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland), der Rewe-Gruppe und der Aldi-Gruppe.
Apropos "Gruppe": Edeka sei ja "nicht mehr Edeka", sondern einem Verbund beigetreten; das sei ein Fehler gewesen, sagte Wagenknecht. An anderer Stelle bei "Lanz" nutzte sie günstige Preise beim Discounter Aldi, um ihre Kritik an einer angeblichen grünen Anpranger-Kultur zu verdeutlichen. "Wenn jemand sein Schnitzel bei Aldi kauft, dann wird er öffentlich als jemand hingestellt, dem das Tierwohl egal ist, der ignorant ist gegenüber dem Klimaschutz, der einfach sich über alles hinwegsetzt", sagte Wagenknecht.
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Diese vor allem von den Grünen vorangetriebene "Arroganz" in der öffentlichen Diskussion dränge Andersdenkende ins gesellschaftliche Aus und damit auch in die Arme der AfD. "Worauf warten Sie, Frau Wagenknecht?", fragte Lanz da mit Blick auf die Entscheidung seines Gastes für oder gegen die Gründung einer eigenen Partei.
"Ich kann nicht alleine eine Partei gründen", vertröstete die Politikerin den Moderator. Sie brauche Strukturen, Organisatoren, ein verlässliches Team. "Es müssen Bedingungen da sein, damit man so etwas starten kann. Sonst wird das ein Flop, sonst bricht das nach kurzer Zeit zusammen." Die Bundestagsabgeordnete räumt mit Blick auf ihre gescheiterte Bewegung "Aufstehen" ein: "Mein größter Fehler damals war, dass ich das eben nicht ordentlich vorbereitet habe."
Wagenknecht lobt Palmer
Gehörte zur ordentlichen Vorbereitung etwa auch das kürzliche Treffen mit dem Ex-Grünen Boris Palmer?, fragte Lanz. "Er hat in Tübingen gezeigt, dass er sehr vernünftige Politik macht", attestierte Wagenknecht dem nun parteilosen Oberbürgermeister.
Es gebe zwischen ihr und Palmer aber auch strittige Themen, beispielsweise der Umgang mit der Pandemie. "Würden Sie sich freuen, wenn er mitmacht?", fragte Lanz. "Sollten wir eine Partei gründen, freue ich mich, wenn Leute mitmachen, die vernünftig sind und die solide Ansicht haben", erwiderte Wagenknecht.
In der selbst für Lanz'sche Verhältnisse extrem unruhigen Sendung, in der gefühlt höchstens zwei von drei Sätzen zu Ende gesprochen werden durften, ging es dem Moderator vor allem um eines: Klare, überprüfbare Aussagen Wagenknechts. "Ich habe ein Problem mit diesem Geraune, mit diesem Insinuieren", monierte er.
"Wer genau, wer konkret?", fragte Lanz beispielsweise, als Wagenknecht behauptete, Wissenschaftler mit anderer Meinung "als die Regierung" würden an Universitäten geradezu mundtot gemacht. Die Politikerin verwies daraufhin auf einen "Wissenschaftler" von der Uni Hamburg oder Bremen, der nach einer "halbwegs objektiven Reportage" über den Donbass entlassen worden sei und sich seine Stelle vor Gericht habe zurückholen müssen.
Meinte Wagenknecht etwa ihn?
Schnell wurde klar: So ganz genau wusste Wagenknecht nicht, worum es bei dem Fall eigentlich ging. t-online Investigativreporter Lars Wienand ahnte, auf wen sie sich bezog: den umstrittenen Publizisten Patrik Baab.
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Wagenknecht blieb dennoch bei ihrem Vorwurf: "Wir haben zunehmend in Deutschland eine Debatte, wo Menschen ausgegrenzt und unter Druck gesetzt werden." An Lanz gewandt unterstrich die Politikerin: "Wenn Sie das in Abrede stellen, dann leben Sie nicht in diesem Land."
Für Florence Gaub von der Militärakademie der Nato lebt Wagenknecht hingegen nicht in der Gegenwart. "Sie wollen ewig 1995", warf ihr die Zukunftsforscherin eine Sehnsucht nach vergangenen Tagen und "Angstschürerei" vor. "Es ist noch heftiger", urteilte Timo Lehmann vom "Spiegel": Wagenknecht wolle in Teilen gar zurück in die 60er-Jahre.
Der Journalist schätzte, dass rund ein Viertel der Linken-Bundestagsfraktion einer Wagenknecht-Partei beitreten könnte. Das Wählerpotenzial liege laut Umfragen bei 20 Prozent. Allerdings müsse sich zeigen, wie stark die neue Partei diesen theoretischen Rahmen ausschöpfen könnte.
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