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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Weltglückstag Forscherin erklärt: Drei Dinge braucht es, um glücklich zu sein
Am Montag ist Weltglückstag. Im Gespräch mit t-online erklärt Forscherin Hilke Brockmann, wo die glücklichsten Menschen leben – und was die Gemüter bewegt.
Fast 43 Prozent der Deutschen fühlen sich einer Umfrage zufolge häufig glücklich. Und zwar mindestens viermal pro Woche, wie eine aktuelle Umfrage des Marktforschungsinstituts Appinio zeigt.
Doch was macht die Menschen in Deutschland zu glücklichen Menschen? Im Gespräch mit t-online erklärt Glücksforscherin Hilke Brockmann, worauf es ankommt – und warum wir uns nicht zu sehr vergleichen sollten.
t-online: Liebe Frau Brockmann, was macht Sie heute glücklich?
Hilke Brockmann: Das Wetter. Heute Morgen habe ich etwas über Licht gelesen und wie man damit Innenräume schön zur Geltung bringen kann. Aber auch draußen scheint jetzt gutes Licht – das hat mich sehr erfreut.
Beeinflussen also Licht oder Wetter, wo in Deutschland die glücklichsten Menschen leben?
Man ist ja überrascht: Die glücklichsten Menschen leben dem Glücksatlas zufolge in Schleswig-Holstein, wobei die regionalen Unterschiede nicht gravierend sind. Und es ist in der Tat nicht nur das Licht. Das kann es ja nicht sein.
Warum nicht?
Man hat auch vermutet, dass im sonnigen US-Bundesstaat Kalifornien die glücklichsten Menschen leben. Aber das stimmt gar nicht. Vor allem global betrachtet rückt das Licht beziehungsweise Wetter in den Hintergrund: Die meisten Sonnenstunden gibt es um den Äquator herum – und dennoch ist das Leid in den Ländern oft groß. Licht ist deshalb nur eine Dimension von verschiedenen Zutaten, die es für das Glücklichsein braucht.
Welche Zutaten braucht es denn noch?
Es kommt vor allem auf drei Dinge an: erstens auf eine gewisse Form von Sicherheit, auch materiell. Wir müssen nicht viel besitzen, aber wir müssen uns fortpflanzen können. Wir müssen essen können. Wir brauchen eine Möglichkeit, geschützt zu schlafen. Die zweite Zutat sind die sozialen Beziehungen.
Was genau ist daran wichtig fürs Glück?
Es ist wichtig, dass wir in einem Umfeld leben, das förderlich ist. In dem wir Anerkennung finden, geliebt und eben auch geschützt werden. Deshalb sind Freundschafts- oder Liebesbeziehungen wichtig. Es sind verlässliche soziale Kontakte, auf die man sich immer wieder beziehen kann.
Zur Person
Hilke Brockmann ist seit 2006 Professorin für Soziologie an der Jacobs University Bremen. In ihrer Tätigkeit widmet sie sich insbesondere dem Feld der Glücksforschung.
Und was ist die dritte Zutat?
Dass wir einen Sinn in dem sehen, was wir tun. Dass wir Dinge tun, die uns interessieren und begeistern. Bei denen wir denken, dass es über das unmittelbar positive Erleben hinaus auch eine Bedeutung hat.
Die unglücklichsten Deutschen leben in Mecklenburg-Vorpommern. Haben die Menschen dort also allesamt zu wenig Geld, zu schlechte Beziehungen und langweilige Jobs?
In diesem Bundesland leben tatsächlich mehr Menschen, die materiell schlechter gestellt sind und sich im Vergleich zu Menschen in anderen Bundesländern abgehängt fühlen.
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Was ist an diesen Vergleichen so entscheidend?
Der einzelne Mensch möchte nicht gerne schlechter dastehen als andere. Das erklärt auch, warum Reichere immer etwas glücklicher sind als weniger Reiche. Aber es kommt auch immer darauf an, mit wem wir uns vergleichen. Die Ostdeutschen sind also unglücklicher als die Westdeutschen, weil Erstere sich mit Letzteren vergleichen. Vor allem die Wendegeneration steht im Vergleich ungünstiger da und das frustriert sie. Auch Arbeitslosigkeit ist ein wahnsinnig frustrierendes Erlebnis, weil man aus einer sozialen Gemeinschaft herausgebrochen wird. Daher sind Zahlen zur Arbeitslosigkeit auch ein gutes Indiz dafür, warum es Menschen in bestimmten Regionen nicht gut geht.
In den vergangenen Monaten und Jahren dominierten in der Gesellschaft vor allem Themen wie der Krieg in der Ukraine und die Corona-Pandemie. Wie sehr schlug das den Deutschen aufs Gemüt?
Die Pandemie hat das Glücksgefühl ganz klar gedämpft: Sie hat die sozialen Beziehungen auf einmal als ansteckend und gefährdend dargestellt. Auch Angst ist frustrierend – die Unsicherheit darüber, ob ich angesteckt oder an Long Covid leiden werde. Das war ein Schlag ins Kontor mit allen Auswirkungen. Das Leben wurde durcheinandergewirbelt und viele Menschen verloren die Kontrolle. Gut war dann die Impfung, die einen Weg raus aus der Pandemie gewiesen hat.
Und wie ist es jetzt mit dem Krieg in der Ukraine?
Der Krieg wirkt sich noch einmal anders aus. Mich persönlich frustriert er unglaublich. Er hat meine Lebenszufriedenheit maßgeblich beeinträchtigt. Ich sehe aber auch, dass Leute das unterschiedlich wahrnehmen.
Warum ist das so?
Ich bin durch soziale Medien eng in den Krieg eingestiegen. Über diese Plattformen ist man quasi an der Front – und zwar in Realzeit. Es ist ganz entscheidend, wie nah man den Krieg an sich heranlässt. Hinzu kommt, dass Krieg im Gegensatz dazu steht, materiell und sozial abgesichert zu sein. Und man sieht, wie staatliche Strukturen auf individuelles Leben zugreifen.
Können Sie das genauer erklären?
Es wird über die Köpfe der Einzelnen hinweg entschieden. Sie müssen wissen, die Glücksforschung ist in der Tat eine hochdemokratische Forschung. Im Fokus steht, das größtmögliche Glück der Menschen zu erreichen. Dafür müssen wir die einzelnen Leute wahrnehmen. Ich frage mich durchaus, ob nicht ein Bruttonationalglück, wie es im buddhistischen Bhutan eingeführt wurde, besser ist als das Bruttosozialprodukt.
Bhutan: "Gross National Happiness Index" (GHI)
Als einziges Land der Welt hat Bhutan einen Index fürs Glücklichsein eingeführt. Dieser berücksichtigt nicht nur die wirtschaftliche Entwicklung, sondern auch gutes Regieren, nachhaltige soziale Entwicklung, Kulturförderung und Umweltschutz.
Würden Sie eine Art Bruttonationalglück auch für Deutschland fordern?
Ja, die verschiedenen Parameter sind für mich absolut sinnvoll. Auch in der Sozialforschung wird diskutiert, ob wir nicht Maße brauchen, die näher dran sind an den Bürgern. Eigentlich geht es beim Glück um eine positive Bewertung von Zuständen. Das können Gedanken sein, Erlebnisse, Ziele. Es ist ein wichtiges, der Lebensrealität viel näheres Abbild von Erstrebenswertem, das man in der Tat in der Ausrichtung von Politiken und Steuerungsregeln systematisch berücksichtigen sollte. Aber es sollte eben auch nicht das einzige Maß sein.
Zum Schluss noch einmal zurück in den Alltag: Was kann ich jeden Tag tun, um glücklicher zu werden?
Schauen Sie sich nach glücklichen Leuten um und probieren Sie aus, was sie glücklich gemacht hat. Vergleichen Sie sich auch nach unten und nicht nur nach oben. Schaffen Sie sich Höhepunkte im Alltag, auf die Sie sich freuen und zufrieden zurückblicken können. Ich glaube, zum Glück gehört auch, sich ehrlich einzugestehen, was nicht so gut war.
Also aus dem Unglück zu lernen?
Ja, es braucht eine gewisse Fehlerkultur und eine Toleranz mit sich selbst. Auch das Konzentrieren auf sich selbst, kurzes Meditieren und Yoga helfen, sich mal aus allem herauszunehmen und auf den eigenen Atem zu achten. Das hat im Alltag positive Auswirkungen.
Vielen Dank für das Gespräch!
- Interview mit Hilke Brockmann am 17. März 2023
- Onlineerhebung des Marktforschungsinstituts Appinio im Auftrag von Eurojackpot