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AfD-Demo gegen Olaf Scholz: Ist das schon der "heiße Herbst"?


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AfD-Demo gegen Scholz
Ist das schon der "heiße Herbst"?


26.08.2022Lesedauer: 5 Min.
Demonstrant vor einem Kamerateam: "Ordentlich Druck im Kessel."Vergrößern des Bildes
Demonstrant vor einem Kamerateam: "Ordentlich Druck im Kessel." (Quelle: Lando Derouaux )
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Die AfD hat zum "heißen Herbst" aufgerufen. Die erste Kostprobe sollte Olaf Scholz beim Bürgerdialog in Magdeburg bekommen. Was kommt da auf Deutschland zu?

Es sollte der große Aufschlag werden. "Macht euch laut gegen die Amokpolitik der Ampel", schrieb etwa AfD-Politiker Ronny Kumpf. Magdeburg solle dem Kanzler "in Erinnerung bleiben", wetterte auch sein Parteikollege Martin Reichardt. Sie und weitere Parteikollegen trommelten in dieser Woche zum Protest. Denn Bundeskanzler Olaf Scholz hatte einen Besuch in der Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt angekündigt.

Die AfD sieht in der aktuellen Krise ihre große Chance gekommen. Bundessprecher Tino Chrupalla ruft zu regelmäßigen Protesten auf, am besten einmal in der Woche. "Heißer Herbst statt kalter Füße" lautet das Motto der Partei. Und diesen "heißen Herbst", den hätte die Bundesregierung durch Fehlentscheidungen selbst entzündet, ist sich Chrupalla sicher. Wie die AfD Proteste gegen die Regierung organisiert, lesen Sie hier.

"Vielleicht hört mir da drüben ja jemand zu"

Am Donnerstag ist es dann so weit. Der erste Redner betritt einen verbeulten Pritschenwagen, der auf einer kleinen Wiese unweit der Universität steht. "Wir stehen hier alle heute aus einem Grund, und das ist, dass wir den heißen Herbst einleiten", ruft er. Vor ihm auf dem verbrannten Rasen stehen etwa 200 Menschen in der Augustsonne, einige haben Deutschlandfahnen dabei. Die Massen sind ausgeblieben. Heiß ist es trotzdem.

Der Mann auf dem Wagen spricht über Energiepolitik, besonders um die horrenden Preissteigerungen. Er fordert das Ende der Sanktionen gegen die Gaspipeline Nord Stream 2. Die wenigen, die da sind, hören ihm interessiert zu. Genug scheint ihm das nicht zu sein: Er dreht sich um, blickt über die Straße zu einem Plattenbau. "Vielleicht hört mir da drüben ja jemand zu", krächzt es aus dem Lautsprecher. "Wir müssen auf die Straße, um diese Regierung zu Fall zu bringen."

Von kriegslüsternen Grünen und totalitären Liberalen

Diese Hoffnung auf den Widerstand teilen auch die Vordenker der Szene. Der rechtsextreme Publizist Götz Kubitschek schrieb zuletzt, ein "Aufstand" sei unumgänglich. Man sei Teil eines Widerstandsgeflechts und werde dafür sorgen, dass die Proteste "nachhaltig, unversöhnlich und grundsätzlich" werden.

Bei ihrer Abrechnung mit der Regierung halten sich auch die auf ihn folgenden Redner nicht zurück, darunter die AfD-Politiker Ronny Kumpf und Martin Reichardt. Olaf Scholz sei ein "Kanzler der globalistischen Interessen", die Grünen seien "kriegslüstern", die FDP gar "der Steigbügelhalter des linken Totalitarismus", schallt es vom Lautsprecherwagen. Über den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine heißt es: "Das ist nicht unser Krieg!" Man solle "unseren Wohlstand nicht für die Ukraine opfern." Journalisten wünscht man einen "besonders kalten Winter."

Ein Mann im Gedränge brüllt: "Olaf an die Ostfront"

Ein etwa fünfzigjähriger Teilnehmer, der anonym bleiben möchte und am Rande des Pulks steht, sieht es ganz ähnlich: der Krieg in der Ukraine? "Geht uns nichts an." Was er empfinde angesichts des Überfalls? "Keine Solidarität." Er sei gekommen, weil er sich vor der Inflation fürchte. "Ich habe Angst vor einer Weltwirtschaftskrise, vor Hunger und Not bei uns in Deutschland." Die Politiker in der Regierung seien "alle inkompetent".

Um das Gespräch herum werden Rufe laut, ein Redner hat den Namen "Olaf Scholz" ausgesprochen. "Hau ab! Hau ab!", schreit das Publikum. "Teures Gas und teures Bier, Olaf Scholz – wir danken Dir!", rufen einige. Als die Ansprachen vorbei sind, zieht es die Menge ein paar Schritte die Straße hinauf, vor den Veranstaltungsort Festung Mark. Dort soll Olaf Scholz in wenigen Minuten eintreffen. Im Gedränge brüllt ein Mann: "Olaf an die Ostfront!"

Olaf Scholz steht Rede und Antwort – in einer Verteidigungsanlage

Sprüche dieser Art dürften Scholz nicht fremd sein. Bei einem Auftritt vergangene Woche im brandenburgischen Neuruppin wurde der Kanzler niedergebrüllt, als Volksverräter und Lügner betitelt. Viele der Schreihälse kamen offenbar von einer benachbarten AfD-Demo.

An diesem Donnerstag sind solche Szenen nicht denkbar. Denn für sein zweites sogenanntes Kanzlergespräch hat Scholz eine ehemalige Verteidigungsanlage gewählt. Ideal, um Störer draußen zu halten: Schon Stunden vor Start wurden um den Graben der Festung Zäune errichtet, Polizisten patrouillieren in Zivil, in einem gepanzerten Sprinter sitzen maskierte Männer – Spezialkräfte. Zwei Scharfschützen liegen auf dem Dach der Festung.

Die Limousine gleitet zu früh in die Festung

Die einzige Chance für die Demonstranten, ihren Unmut loszuwerden, ist die Ankunft des Kanzlers. Als seine gepanzerte S-Klasse plötzlich viel zu früh herangleitet, ist ein Gros der Demonstranten noch nicht einmal an der Festung angekommen. Die meisten kommen herbeigeeilt, als der Kanzler schon hinter den Mauern verschwunden ist.

Der Ärger trifft stattdessen einige Journalisten, die nur durch einen kleinen Zaun getrennt an den Demonstranten entlang zur Festung geführt werden. "Lügenpresse! Lügenpresse!", brüllt man ihnen entgegen.

Jetzt bleibt den Protestlern nur noch, Krach zu machen. Als um 18 Uhr der TV-Sender Phönix seine Liveübertragung startet, ertönen vor den Mauern Trillerpfeifen, es wird auf Trommeln eingeschlagen. Ein Mann kurbelt gar an einer handbetriebenen Sirene. Dieser Lärm dringt dann doch über die Mauern in das Innere der Festung. Auch im Fernsehen ist der schrille Ton der Pfeifen zu hören. Ein "Aufstand" aber ist das noch lange nicht.

"Ordentlich Druck im Kessel"

Dass von dieser Bewegung trotzdem eine Gefahr ausgeht, davor warnte der Verfassungsschutzchef Thüringens, Stephan Kramer, kürzlich im Interview mit t-online. Mit Blick auf das Krisengemisch aus Ukraine-Krieg, Inflation, Gas- und Energiekrise sagte er: "Dadurch entsteht eine explosive Gesamtlage". Für die Bevölkerung sei die aktuelle Situation ein Stresstest, den Extremisten ausnutzen könnten.

Nicht nur er warnt vor einer Radikalisierung der Szene. Besonders der Einschätzung der ostdeutschen Ämter zufolge sei "bereits jetzt ordentlich Druck im Kessel." Er warnt: "Gefährlich wird es dann, wenn am Ende viele Menschen sagen: Der Staat tut nichts für mich, er unterstützt mich nicht."

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So denkt auch Ina G., die bei der Kundgebung etwas im Abseits steht. Sie bezeichnet sich selbst als unpolitisch, die Regierung aber habe sie satt. G. sagt, sie sei Unternehmerin gewesen. Ein Atelier und eine Galerie habe sie betrieben, mit mehreren Angestellten. Die Lockdowns aber hätten sie wirtschaftlich in den Ruin getrieben. Und jetzt steht der Winter bevor. "Ich habe die Befürchtung, dass wir alle im Kalten sitzen werden." Solidarität mit den Menschen im Krieg habe sie schon – mit beiden Seiten. Gekommen ist sie vor allem, weil sie die Waffenlieferungen für falsch hält.

"Davor habe ich Angst. Ich habe ein Kind"

Lehramtsstudent Christian R. hält vor der Festung ein Schild hoch. Mit dem "rechten Rand" wolle er nichts zu tun haben, sagt er mit Blick auf den größeren Teil der Demonstranten. Ihn stören Politiker, die in seinen Augen das Vertrauen verspielen, deswegen ist er hier. "Cum-Ex, vergessene Nebeneinkünfte, Maskendeals", heißt es auf dem Transparent. Er frage sich, wie man Politikern heute noch glauben könne. Darauf wollte er auch Scholz ansprechen – aber seine Anmeldung zum Kanzlergespräch war nicht erfolgreich. Die Anmeldung zum Bürgergespräch hat er versucht. "Hat nicht geklappt."

Was im Winter auf Deutschland zukommt? R. fragt sich, wie die Menschen auf die Krisen reagieren werden – und ob es zu Unruhen kommen könnte. "Davor habe ich Angst. Ich habe ein Kind."

Verwendete Quellen
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