Debatte nimmt Fahrt auf "Cannabislegalisierung ist eine überfällige Selbstverständlichkeit"
FDP und Grüne wollen Cannabis legalisieren, auch SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach spricht sich jetzt dafür aus. Andere warnen vor einer Verharmlosung des Rauschmittels.
Die Debatte über eine Legalisierung von Cannabis in Deutschland nimmt Fahrt auf. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sprach sich dafür aus, in einem möglichen Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP die Legalisierung von Cannabis festzuschreiben. In der "Rheinischen Post" plädierte er dafür, eine kontrollierte Abgabe an Erwachsene zu erlauben, um dem Handel von mit Heroin versetztem Cannabis einen Riegel vorzuschieben.
"Jahrelang habe ich eine Cannabis-Legalisierung abgelehnt", sagte Lauterbach der Zeitung. Mittlerweile komme ich als Arzt aber zu einem anderen Schluss." Immer häufiger werde dem illegal verkauften Straßencannabis neuartiges Heroin beigemischt, das sich rauchen lasse.
Lauterbach warnt vor Heroin in Cannabis
"Damit werden Cannabis-Konsumenten schnell in eine Heroin-Abhängigkeit getrieben." Dieses Phänomen sei neu und verändere die Lage. Mit einer Legalisierung von Cannabis ließe sich der Handel mit verunreinigtem Haschisch unterbinden, sagte der SPD-Politiker. "Ich bin deswegen dafür, dass wir in einem möglichen Koalitionsvertrag mit Grünen und FDP einen Passus zur legalen und kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene formulieren."
Das Bundesgesundheitsministerium ist weiter gegen eine Legalisierung, wie ein Sprecher von Minister Jens Spahn (CDU) deutlich machte. Bei Cannabis handle es sich um eine gefährliche Substanz, eine Legalisierung sei daher nicht angezeigt, sagte er. In bestimmten medizinischen Fällen könne die Verwendung von Cannabis helfen.
Vertreter von Polizeigewerkschaften warnen vor einer Legalisierung. Sie argumentieren, bei Cannabis handle es sich um eine oft verharmloste Droge, die gerade bei Jugendlichen zu erheblichen Gesundheitsproblemen und sozialen Konflikten führen könne.
Auch der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, warnte vor einer Legalisierung. Den Zeitungen der Funke Mediengruppe sagte er: "Aus medizinischer Sicht ist die Freigabe von Cannabis deutlich abzulehnen." Es gebe keinerlei medizinische Notwendigkeit, Cannabis – über die zulässigen Indikationen hinaus – zu legalisieren. "Es mag hierzu soziale oder strafpräventive Überlegungen geben. Die haben aber nichts mit Medizin zu tun, sondern sind politisch begründet."
FDP fordert kontrollierte Freigabe
Der Vorsitzende der Jungen Liberalen, Jens Teutrine, sprach sich hingegen für eine Entkriminalisierung von Cannabis aus. "Die Cannabislegalisierung ist eine überfällige Selbstverständlichkeit. Stigmatisierung, Prohibition und Kriminalisierung sind gescheitert", schrieb der FDP-Bundestagsabgeordnete auf Twitter. Zugleich machte er deutlich, dass es für eine Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP mehr brauche als "legales Kiffen". Teutrine nannte eine Agenda für den sozialen Aufstieg, eine BaföG-Reform, eine "enkelfitte Rente" und die Erhöhung der Minijobgrenze.
Im Wahlprogramm der FDP wird eine kontrollierte Freigabe von Cannabis gefordert: "Wir setzen uns dafür ein, den Besitz und Konsum für volljährige Personen zu erlauben. Nur mit einem Verkauf in lizenzierten Geschäften können die Qualität kontrolliert, die Weitergabe von verunreinigten Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet werden."
SPD will Legalisierung in Modellprojekten erproben
Im Grünen-Wahlprogramm heißt es, das derzeitige Verbot von Cannabis verursache mehr Probleme, als es löse. "Deshalb werden wir dem Schwarzmarkt den Boden entziehen und mit einem Cannabiskontrollgesetz auf der Grundlage eines strikten Jugend- und Verbraucherschutzes einen regulierten Verkauf von Cannabis in lizenzierten Fachgeschäften ermöglichen und klare Regelungen für die Teilnahme am Straßenverkehr einführen."
Die SPD spricht sich dafür aus, eine regulierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene in Modellprojekten von Ländern und Kommunen zu erproben. Zudem solle bundeseinheitlich geregelt werden, dass der Besitz kleiner Mengen von Cannabis strafrechtlich nicht mehr verfolgt werde.
Der Cannabiskonsum bei jungen Erwachsenen ist zuletzt weiter gestiegen. Das ist eines der Ergebnisse des in der vergangenen Woche vorgelegten Jahresberichts der Bundesdrogenbeauftragten Daniela Ludwig. Unter den 18- bis 25-Jährigen stieg demnach der Anteil derjenigen, die nach eigenen Angaben in den vorangegangenen zwölf Monaten mindestens einmal Cannabis konsumiert haben, zwischen 2015 und 2018/19 von 15,3 Prozent auf 24,1 Prozent.
- Nachrichtenagentur dpa