Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Gewinner und Verlierer der Woche Habeck räumt im TV ab – Weidel kann es einfach nicht
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Der eine kann's, die andere nicht: Die letzten Wahlkampfmomente spielten sich vor allem im Fernsehen ab. Profitieren kann davon Robert Habeck – Alice Weidel hat ihre Probleme.
Es waren frostige Winterwahlkampfwochen in Deutschland. Bei Minusgraden im Schneetreiben warben die Spitzenkandidaten auf Marktplätzen um Stimmen, und teilweise sank die Temperatur auch im Tonfall. Etwa beim emotionalen Schlagabtausch im Plenarsaal des Reichstags, als ein Antrag von CDU und CSU erstmals eine Mehrheit gemeinsam mit der AfD fand.
Die letzten Tage vor der Wahl standen dagegen im Zeichen der warmen Fernsehstudios und der zahlreichen TV-Auftritte von Olaf Scholz, Friedrich Merz und Co. Ins Auge fielen dabei aber – positiv wie negativ – gar nicht so sehr die beiden eben genannten, sondern die zwei anderen "Kanzlerkandidaten": Robert Habeck und Alice Weidel. Warum sie zum Abschluss dieser sechsteiligen Wahlkampfkolumne Gewinner und Verliererin der Woche sind, lesen Sie hier.
Bei Habeck menschelt es so richtig
Was haben sich die Grünen aufgeregt, als ARD und ZDF Ende vergangenes Jahr verkündeten: Zum TV-Duell geladen werden lediglich der Kanzler, Olaf Scholz, und jener Herausforderer, der die größten Chancen auf dessen Ablöse hat, Friedrich Merz. Na hört mal, hieß es aus Habecks Umfeld, wir stehen in den Umfragen doch genauso gut (oder besser: genauso schlecht) da wie die SPD, warum darf denn dann nicht auch der Robert kommen? Schließlich haben wir ihn doch extra "Kanzlerkandidat" getauft, damit er auch die große Fernsehbühne bekommt.
Jetzt, einige Wahlkampfwochen später, ist der Grund der Empörung klar: Fernsehen ist Habecks Ding. Da, wo andere (siehe unten: Alice Weidel) straucheln, lebt er auf – und heimst wichtige Punkte im Schlussspurt ein, für sich als Person, aber auch für die Grünen als Partei.
Besonders sichtbar wurde das in den zwei Bürgersprechstunden, die ZDF und ARD jeweils ausgerichtet haben. Von allen vier Kandidaten, die sich dort Volkes Fragen stellen durften, kam Habeck am besten rüber, am nettesten, am empathischsten. Denn anders als Merz, Scholz oder Weidel nahm er nicht nur den einzelnen Fragesteller ins Visier, sondern öffnete stets die Arme, drehte sich nach links und nach rechts, richtete sich an das gesamte Publikum und damit auch an die Zuschauer zu Hause am Bildschirm: Wir alle führen ein großes Gespräch, ich nehme euch alle mit.
Seine nachdenkliche Art und seine Lässigkeit taten ihr Übriges. Da sprach einer, der auch Fehler einräumt, wie zum Beispiel bei der gestrichenen E-Auto-Prämie. Da redete einer, der sich in sein Gegenüber ehrlich hineinversetzte, etwa als er einem sehr aufgebrachten jungen Mann die Sache mit dem Kredit fürs heimische Solardach erklärt – und der Erzürnte zur Freude des Studios versöhnlich endet: "Dann gehen wir einfach zusammen zur Bank!"
Beim Spitzenkandidaten-Quadrell wählte Habeck derweil den Weg, den er zuletzt auch in der Ampelkoalition einschlug. Heraushalten, wo sich die anderen zu arg zoffen, lieber versuchen, die eigenen Botschaften zu platzieren. Man könnte sagen, dadurch ging er in der Runde unter. Man kann aber auch feststellen: Habeck sprach nicht viel, aber was und vor allem wie er sprach, hat ihm geholfen. Ruhig im Ton, nüchtern in der Sache. Bei vielen Wählern dürfte das gut ankommen.
Natürlich wird der "Kanzlerkandidat" Habeck nach der Wahl nicht Kanzler, das weiß er auch selbst. Vielleicht aber kann er ja, in welcher Rolle auch immer, ob in der Opposition oder in der Regierung, weiter das bleiben, was er ist: ein guter Politikerklärer.
Fernsehen kann Weidel einfach nicht
Gerhard Schröder sagte einst, zum Regieren brauche er nur "'Bild', 'Bams' und Glotze'". AfD-Chefin Alice Weidel ist vom Regieren – manche sagen: zum Glück! – zwar so weit entfernt wie Rheda-Wiedenbrück vom Mars, allerdings lässt sich nach dieser Woche sagen: Auch für ihre Arbeit als potenziell nächste Oppositionsführerin im Bundestag sollte sie auf die Glotze wohl besser verzichten. Weil sie Glotze nicht kann.
"Klartext" im ZDF, "Wahlarena" in der ARD, das "Quadrell" bei n-tv und RTL, schließlich die "Schlussrunde" der Öffentlich-Rechtlichen: Weidel hatte, wie auch die übrigen Spitzen- und Kanzlerkandidaten der Parteien, diese Woche zahlreiche TV-Auftritte. Nur hat sie keinen wirklich gut genutzt. Schlimmer noch: Gerade in den Formaten, wo sie auf Bürger traf, sammelte sie mehr Minus- als Pluspunkte im Sympathieranking.
Zugutehalten will man ihr: Auf echte Fans ist sie in besagten Dialogrunden nie getroffen, im Gegenteil. Zwar bekamen auch die übrigen Kandidaten kritische Fragen gestellt, mussten auch mit teils schweren Anwürfen umgehen. So ablehnend wie bei Weidel war die Haltung der Studiogäste allerdings bei sonst niemandem. Kein Wunder also, fast verständlich, dass sie keine allzu gute Figur abgab?
Jein. Natürlich ist es menschlich, auf fiese Fragen auch mal zurückzuschießen oder hysterisch zu lachen wie bei "Klartext" im ZDF. Zugleich gilt aber auch, dass Politiker in der Öffentlichkeit eben immer eine Rolle spielen – bei der Professionalität an erster Stelle steht. Weidel ließ die vermissen. Bissig wirkte sie zuweilen, dünnhäutig. Einerseits betont kontrolliert, andererseits auf eine gewisse Art doch ungehalten. Als wolle sie eigentlich lieber woanders sein.
Deutlich wurde das auch beim Quadrell der vier Kanzlerkandidaten vergangenen Sonntag. Schneidend im Ton, streng im Blick, kalt in der Ausstrahlung schien es so, als versuchte Weidel zu überspielen, wie unwohl sie sich streckenweise in ihrer Haut fühlt – und das nicht nur, als Günther Jauch sie mit Fragen zu ihrem Privatwohnsitz und zur Besteuerung ihres Einkommens festnageln wollte. Die eine Hand stets ans Pult geklammert, die andere oft mit ausgestrecktem Zeigefinger in der Luft, ging ihr kaum ein freundliches, gelöstes Lächeln über die Lippen. Alice Weidel, nett wie eine Eiskönigin.
Nun ließe sich sagen: Na und, kann halt nicht jede und jeder alles gleich gut, dann ist Fernsehwahlkampf eben einfach nicht ihr Ding. Das stimmt. Doch gerade die teils rechtsextreme AfD muss in jeder Sekunde Sendezeit überzeugen, will sie wirklich in die gesellschaftliche Mitte vordringen und in den Wohnzimmern der Deutschen ankommen.
In der alternden deutschen Gesellschaft spielt Fernsehen auf Jahre noch eine große Rolle. Parteien brauchen darum vorzeigbare TV-Gesichter. Alice Weidel ist das nicht.
- Eigene Beobachtungen