Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.TV-Duell Der Kanzler hat sein Ende schon akzeptiert
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Olaf Scholz wirkt im letzten TV-Duell, als habe er sein politisches Schicksal bereits akzeptiert. So ist Friedrich Merz der Sieg nicht mehr zu nehmen.
Es gab einmal einen Kanzlerkandidaten der SPD, der sagte über seinen Wahlkampf: "Ich habe regelrecht Scheiße am Fuß." 2017 war das, Martin Schulz hieß der Mann. Schulz beklagte sich über das Pech, das ihn damals im Wahlkampf verfolgte. Und im Nachhinein lasen sich seine Worte wie ein vorzeitiges Eingeständnis: Das wird nichts mehr.
Ob Schulz' Nachfolger Olaf Scholz heute ebenfalls so denkt, wird er dem Volk, wenn überhaupt, wohl frühestens in ein paar Monaten verraten. Wahrscheinlich lässt er's. Aber sein Auftreten jetzt, vier Tage vor der Bundestagswahl, lässt zumindest vermuten: Scholz geht es heute ähnlich wie Schulz damals. Er hat sein Ende akzeptiert.
Mittwochabend, 20.15 Uhr, Primetime beim Nachrichtensender "Welt TV". Es ist das letzte Mal, dass Scholz und sein Herausforderer Friedrich Merz (CDU) im direkten Duell aufeinandertreffen. Und von Minute eins an liegt in der Luft, was die Ergebnisse der Meinungsumfragen seit Monaten prognostizieren: Das wird einer der letzten größeren Auftritte des amtierenden Kanzlers, der Countdown läuft, am Sonntag ist Schluss.
Scholz kämpft – vergebens
Auch Scholz scheint das erkannt zu haben, allen gegensätzlichen Parolen zum Trotz. Er wirkt lockerer als sonst und zugleich auch kämpferischer. Das Verkrampfte hat er abgeschüttelt. Brauchte er Anlauf, haben die gefühlt 73 TV-Auftritte der vergangenen Wochen etwas in ihm gelöst, hat er jetzt einfach den Bogen raus? Bei einem Politprofi seines Kalibers muss man das bezweifeln.
Vielmehr scheint es, als fördere eine innere Kapitulation zutage, was man sich sonst so sehr gewünscht hätte bei dem Mann, den viele als phrasendreschende Stanzenmaschine verschreien, als "Scholzomaten": Scholz ballt die Faust, er grätscht rein, wenn er Merz richtigerweise bei der Finanzierung dessen Steuerpläne stellt. Er gestikuliert teils wild, einmal steigt ihm ein Hauch Zornesröte ins Gesicht. Dünnhäutig kann man das nennen, aber eben auch: emotional, menschlich, echt.
Der Kanzler wirkt sogar ungekannt sympathisch, als er Merz dann doch so viel Vertrauen ausspricht, dass er sich von Merz als Pilot durch die Luft befördern ließe. Er wirkt nahbar, als er sagt, sein Leben sei gelungen, weil er "Glück in der Liebe" gehabt habe. Er wirkt wie der nette Nachbar, der seine Lebensmittel "zur Hälfte bar, zur Hälfte mit Karte" bezahlt.
Allein: All das, die Wandlung, die Menschwerdung des Automatenkanzlers kommt zu spät. Was tragisch ist, fast traurig und bemitleidenswert. Da nimmt Scholz endlich die Form an, die er bei der Aufholjagd im Rennen ums Kanzleramt so dringend benötigt hätte. Und dann stellt man, stellt vielleicht auch er selbst fest: Gelungen ist ihm das erst auf den letzten Metern, als er meilenweit zurückliegt. Weil er meilenweit zurückliegt.
Merz muss fast nichts tun
Friedrich Merz hat darum, wie schon im ersten TV-Duell bei den Öffentlich-Rechtlichen, ein relativ leichtes Spiel. Auch am Mittwoch konzentriert er sich darauf, keine Fehler zu machen (und er macht keine Fehler). Und kann ansonsten an vielen Stellen des Schlagabtauschs siegessicher zusehen, grinsen.
Dass er tatsächlich, wie Scholz kritisiert, an mancher Stelle "nicht so faktensicher" ist (etwa bei besagten Steuerplänen, aber auch in der Bürgergelddiskussion), fällt da kaum ins Gewicht. An Scholz' Fuß klebt die "Ampel-Scheiße". An Merz' Fuß klebt – noch – nichts.
Die Deutschen sind durch mit der gescheiterten Bundesregierung, zwangsläufig sind sie so auch durch mit Olaf Scholz. Das Land will eine andere Politik. Die verkörpert Merz. Daran hat auch dieses letzte TV-Duell nichts geändert.
- Eigene Beobachtungen